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Die Entscheidung war schon damals höchst umstritten: als das Pentagon Anfang 2011 Boeings KC-46A zum Sieger im KC-X-Wettbewerb erklärte, und damit dem US-Hersteller den Zuschlag erteilte, neue Tanker für die US Air Force zu liefern, geschah das keinesfalls kritiklos.
Denn viele Beobachter hielten das Konkurrenzmuster, den Airbus A330 MRTT, schon damals für das bessere Flugzeug. Drei Jahre zuvor hatte Airbus, zusammen mit Northrop-Grumman, die Ausschreibung gar gewonnen. Erst nach Protest von Boeing wurde das Bieterverfahren neu gestartet - mit dem besseren Ergebnis für den zuvor unterlegenen Rivalen.
"Nur im Notfall" einsatztauglich
Für Boeing entpuppte sich der Triumph jedoch als Pyrrhussieg. Nicht nur, dass die KC-46A erst 2019 mit drei Jahren Verspätung in den Dienst eintrat und dem Flugzeugbauer einen Verlust von bis jetzt rund fünf Milliarden US-Dollar einbrachte. Das "Pegasus" genannte Derivat der 767-200ER kämpft nach wie vor mit gravierenden Problemen.
Mittlerweile hat die US Air Force zwar 46 KC-46A übernommen, doch die fliegen nur im zweiten Glied.
David Goldfein, Stabschef der US Air Force, urteilte 2020 gegenüber dem US-Senat, er würde die KC-46A nur im absoluten Notfall als Tankflugzeug heranziehen – etwa dann, wenn es zu einem Krieg mit China oder Russland käme. Für ein Flugzeugprogramm, das antrat, um die veralteten KC-10 und KC-135 zu ersetzen, ein wenig schmeichelhaftes Statement.
Neue Chance für Airbus
Nicht zuletzt deshalb würde mancher Abgeordnete im Repräsentantenhaus die Verträge mit Boeing, die für die Air Force insgesamt 179 KC-46A vorsehen, am liebsten kündigen. Das wird zwar höchstwahrscheinlich nicht geschehen. Doch für Airbus und die A330 MRTT könnte sich bald trotzdem eine neue Chance auftun, bei der US Air Force Fuß zu fassen.
Denn das KC-X-Programm ist auf insgesamt 13 Baulose beschränkt. Die letzte Order wird für 2027 erwartet, mit Auslieferung im Jahr 2029. Die schiere Menge der dann im Dienst stehenden Pegasus-Tanker reicht allerdings nicht aus, um die KC-135 vollumfänglich zu ersetzen - selbst wenn bis dahin alle Kinderkrankheiten der KC-46 ausgeräumt sein sollten.
Deshalb bereitet die US-Luftwaffe aktuell die nächste Phase der Erneuerung der Tankerflotte vor - das Projekt KC-Y. "Die Air Force sucht Unternehmen, die in der Lage sind, kommerzielle Tankflugzeuge zu liefern, um die Tankflugzeugflotte der Air Force am Ende der KC-46A-Produktion zu ergänzen", heißt es in einer Pressemitteilung.
Konkret geht es um eine Zwischenlösung, um die Zeit bis zu einem zukünftigen, komplett neuen Muster der nächsten Generation zu überbrücken. Die Anforderungen für diese "Brückentanker" werden gerade definiert. Die Air Force plant, die endgültige Ausschreibung bis Ende 2022 zu veröffentlichen.
Neuauflage eines alten Duells
Klar ist allerdings schon jetzt, dass als KC-Y lediglich Flugzeuge in Frage kommen, die 2029 sicher einsatzfähig und in vergleichsweise großer Zahl verfügbar sind. Die Rede ist von insgesamt 140 bis 160 Tankern, bei einer jährlichen Liefermenge von 15 Exemplaren. Außer den bekannten Platzhirschen KC-46A und A330 MRTT kommt deshalb wenig anderes in Frage - zumal die Anforderungen an die neuen Maschinen weitgehend auf jenen des KC-X-Programms aufbauen sollen.
Sowohl Airbus und Boeing haben laut US-Medien bereits signalisiert, sich dem Wettbewerb zu stellen. Boeing betont, man habe in den vergangenen Jahren viel gelernt und werde eine gründlich gereifte Version der Pegasus ins Rennen schicken.
Zudem kooperieren die Europäer seit 2018 mit Lockheed Martin bei der "Bereitstellung von Luftbetankungs-Services zur Beseitigung aktueller Kapazitätsengpässe sowie zur Erarbeitung neuer Konzepte für die nächste Tankflugzeuggeneration".
Dieser Umstand und der schlechte Ruf des Gegners in weiten Teilen der Politik könnten Airbus bei der Neuauflage des alten Duells zum Sieg verhelfen. Lockheed Martin-Sprecher Rob Fuller geht verbal schon einmal in Position: "Wir (...) bieten eine einsatzbereite Lösung, um die zukünftigen Tankeranforderungen der Air Force zu erfüllen."
© FLUG REVUE - Patrick Zwerger | Abb.: Airbus | 22.06.2021 05:25
Kommentare (8) Zur Startseite
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Die F35 ist genau so ein Erfolgsprojekt Made in the USA
Protektionismus im Rüstungsbereich ist nichts Neues; gerade wir Europäer sind auch nicht ohne, was das Thema angeht. Fehlschläge kommen dabei regelmäßig vor, siehe der Kampfhubschrauber Tiger. Neu ist allenfalls, dass ein Konzern auf Politik und Justiz derart Einfluss nimmt, wie damals Boeing.
Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Amerikaner der weltweit größte Betreiber von Airbus Helicopter sind. Also ist nicht alles buy USA.
Die F35 ist genau so ein Erfolgsprojekt Made in the USA
Protektionismus im Rüstungsbereich ist nichts Neues; gerade wir Europäer sind auch nicht ohne, was das Thema angeht. Fehlschläge kommen dabei regelmäßig vor, siehe der Kampfhubschrauber Tiger. Neu ist allenfalls, dass ein Konzern auf Politik und Justiz derart Einfluss nimmt, wie damals Boeing.