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Leichtmetall-Komponenten an 737 MAX, 787 und A220 der Produktionsjahre 2019 bis 2023 werden seit Jahresanfang geprüft - und ersetzt: Aus Lieferungen eines chinesischen Exporteurs ist Titan unklarer Herkunft in Verkehrsflugzeugen verbaut worden.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur "Reuters" weitet sich der Skandal aus: Boeing hat demnach von Zulieferern Herkunftsnachweise für Titanteile bis ins Jahr 2014 zurück angefordert.
"Im Interesse vollständiger Compliance erweitern wir unsere Anfrage", zitiert die Nachrichtenagentur aus einem Schreiben des Konzerns an Lieferanten. Der Brief ging Mitte Juli raus - Boeing setzt den Adressaten eine enge Antwortfrist: Bis 9. August sollen die Dokumente vorliegen.
Bisher hatten sich die Nachforschungen von Airbus und Boeing laut Luftfahrtkreisen auf den Zeitraum seit 2019 konzentriert. Der Exporteur aus China hatte offenbar zunächst den Großabnehmer Turkish Aerospace Industries mit falschen Herkunftsnachweisen getäuscht.
Auf den Dokumenten wird Baoji Titanium als Quelle deklariert, ein zertifzierter Produzent. Nur: "Baoji Titanium kennt diese Firma nicht und steht in keiner Geschäftsbeziehung zu ihr", teilte Baoji der "New York Times" mit. Die Zeitung hatte im Juni als erstes Medium weltweit über die Angelegenheit berichtet.
Über Turkish Aerospace gelangte das Rohmaterial zu Verarbeitern in Europa und den USA. Erst im Dezember 2023 fiel einer italienischen Firma bei einer Sichtprüfung eine verdächtige Charge auf. Seither versuchen Teams bei Airbus, Boeing und Zulieferern fieberhaft, die Wege des Titans zu rekonstruieren.
"Hier geht es um Dokumente, die gefälscht, verfälscht und nachgeahmt wurden", äußert sich Spirit Aerosystems gegenüber der "Seattle Times". Der Großkomponentenhersteller aus Kansas beliefert sowohl Boeing als auch Airbus - und hat die Hersteller im Januar 2024 ins Bild gesetzt.
Nach vorläufigen Erkenntnissen wurde das betroffene Titan in Passagier- und Frachttüren sowie an Triebwerksaufhängungen der 787 verwendet. Bei 737 MAX und A220 sollen Hitzeschilde im Bereich der Triebwerksaufhängen betroffen sein.
"Die bisher durchgeführten Tests haben gezeigt, dass eine richtige Titanlegierung verwendet wurde", teilte Boeing mit. An neuen Flugzeugen tauscht der Hersteller betroffene Teile vor der Auslieferung dennoch aus.
In aktiven Flotten sehen Boeing und Airbus keine akuten Risiken für die Flugsicherheit. Die "Lufftüchtigkeit" der A220 sei "intakt", versichert Airbus. Die betroffenen Komponenten lassen sich laut Kreisen im Zuge von Wartungen austauschen. EU- und US-Luftfahrtaufsicht behalten die Entwicklung im Blick.
Einige Tests bestanden, andere nicht
Spirit Aerosystems gibt keine Entwarnung. Zwar hätten Labortests in der Tat keine Normabweichungen bei Qualitätsgrad und Legierung ergeben, erklärt Spirit gegenüber der "Seattle Times". Die Einhaltung der vorschriebenen Verarbeitungsprozesse sei aber weiter fraglich. Einige Materialtests habe das Titan bestanden, andere nicht.
© aero.de | Abb.: Airbus | 29.07.2024 06:31
Kommentare (2) Zur Startseite
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Im Artikel ist von "Leichtmetall" die Rede. Per Definition liegt der Grenzwert zum Leichtmetall bei 4,5 Gramm/Kubikzentimeter.
Das thematisierte TiAl6V4 liegt darüber und ist daher kein Leichtmetall.
P.s.: Ich wurde gerade darauf aufmerksam, dass in anderen technischen und wissenschaftlichen Bereichen eine Definition mit Grenzwert von 5,0 Gramm/Kubikzentimeter existiert. Dies relativiert meinen obigen Einwand, weil die üblichen Titanwerkstoffe in der Tat den Leichtmetallen zuzuordnen wären. Es bleibt am Ende die Erkenntnis, dass Wahrheit eine relative, wandelbare Größe darstellt...
Im Artikel ist von "Leichtmetall" die Rede. Per Definition liegt der Grenzwert zum Leichtmetall bei 4,5 Gramm/Kubikzentimeter.
Das thematisierte TiAl6V4 liegt darüber und ist daher kein Leichtmetall.