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Milliardenpoker um Airbus Militärtransporter A400M

A400m
Airbus A400M bei Taxitests in Sevilla, © Airbus Military

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PARIS - Poker um das größte europäische Beschaffungsprojekt: Mit steinharter Miene erklären Airbus und die Bundesregierung, dass für sie bei der Verteilung der Mehrkosten der A400M die Grenze erreicht sei. Dabei können beide Seiten gar nicht so autonom handeln, wie sie tun. Ganz unabhängig von den 40.000 Arbeitsplätzen, die an dem Projekt hängen. Jetzt droht den Pokerspielern ein politisch teurer Gesichtsverlust.

Der französische Verteidigungsminister Hervé Morin will um den 20. Januar herum eine europäische Ministerrunde organisieren, um das größte Rüstungsprojekt Europas in letzter Sekunde zu retten.

Die Verträge müssen eingehalten werden, sagt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Doch Berlin hat längst Zugeständnisse gemacht und wie die anderen Kunden auf Kompensationszahlungen für die jahrelange Verspätung der A400M verzichtet. Das sind 1,3 Milliarden Euro für Airbus. Außerdem steht Berlin beim größten europäischen Rüstungsprojekt unter dem Druck der Partner.

Morin sagt klar: "Frankreich ist bereit, einen Teil zu zahlen." Er sei zuversichtlich für das "schönste europäische Programm". Drei Milliarden, meint man in Paris, könnten die Kunden zusätzlich übernehmen.

Auch Airbus pokert hoch. Airbus-Chef Thomas Enders droht mit der Einstellung des Projekts, weil der Militärtransporter nicht das ganze erfolgreiche Unternehmen in den Abgrund ziehen dürfe. Dabei haben die Wirtschaftsprüfer von PwC dem Airbus-Konzern EADS bescheinigt, die Mehrkosten tragen zu können. Außerdem würde die Einstellung ebenfalls Milliarden kosten.

Die Kunden hätten ein Anrecht auf 6,4 Milliarden Euro geleistete Anzahlungen (Stand 30.9.2009). Auch die Lieferanten bekämen Entschädigungen für ihre Investitionen und Vorleistungen. Und Airbus müsste selbst Milliardeninvestitionen abschreiben.

Drohender Vertrauensverlust

Dabei sind die Kosten des weltweiten Vertrauensverlusts in den europäischen Vorzeigekonzern gar nicht berücksichtigt. Vor allem Lockheed, Antonow und Boeing würden sich die Hände reiben. Und nicht zuletzt: Der Airbus-Konzern EADS will für seine Verkehrsflieger, Ariane-Raketen und Werke Geld von genau den Staaten, die es bei einem Stopp der A400M vor den Kopf stieße. Dass Enders heute Airbus-Chef und Kandidat für die EADS-Führung ist, verdankt er einer Vereinbarung der Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Präsident Nicolas Sarkozy.

Doch Enders sieht sich im Recht. Schließlich haben die Staaten die Milliarden-Mehrkosten mitverursacht, weil sie Airbus Vorschriften machten, was wo zu bauen sei. Berlin wollte unbedingt MTU mit im Triebwerksbau haben. Paris bestand auf die Beteiligung von Safran. Beide Unternehmen mussten dabei Neuland betreten und die Triebwerke kamen einfach nicht zum Laufen. Airbus hätte für die komplizierten Turboprops lieber auf nordamerikanische Spezialisten zurückgegriffen.

Jetzt liegt das Kind im Brunnen. Statt auf 19,9 Milliarden werden die Kosten für die Entwicklung und den Bau der ersten 180 Maschinen auf 31,2 Milliarden Euro beziffert. Airbus will von den Mehrkosten sechs Milliarden übernehmen, von denen 2,4 Milliarden schon verbucht sind. Deutschland und seine Partner sollen 5,3 Milliarden zuzahlen.

In Frankreich herrscht politische Einigkeit, dass die A400M auf jeden Fall kommen muss. Es gehe um Europas technologischen Platz in der Welt, erklärt das Verteidigungsministerium. Dagegen mehren sich in Deutschland die skeptischen Stimmen. Die Linke fordert bereits den Verzicht auf den teuren Militärtransporter. Die Kritiker können darauf verweisen, dass es noch Jahre dauert, bis die A400M alles kann, was Airbus versprochen hat. "Der endgültige Standard mit zum Beispiel der Tiefflugautomatik wird (erst) 2015 kommen", erklärt Airbus-Geschäftsführer Fabrice Brégier.

Kaum Alternativen zu A400M

Die A400M soll die klapprig werdende Transall ersetzen, die am 25. Februar 1963 zum Jungfernflug abhob. Insider rechnen vor, dass die A400M 140 Millionen Euro pro Stück kosten würde. Dafür bekäme die Bundeswehr ein modernes Flugzeug, dass fast wie ein Jet schnell in großer Höhe über Fernstrecken fliegen könnte, aber auch langsam in Bodennähe, und dass auch als Lufttanker einsetzbar wäre.

Boeings große, alternde C17 käme auf 250 Millionen Euro, könnte aber nicht auf Gras oder Sand landen. Lockheeds C130 Hercules käme mit 100 Millionen billiger, wäre aber zu klein und unbrauchbar für strategische Einsätze wie Afghanistan. Würde man die Flotte mischen, stiegen die Wartungs- und Betriebskosten. "Es gibt keine vernünftige Alternative zur A400M", sagte Verteidigungs- Staatssekretär Rüdiger Wolf - im Dezember.
© dpa, aero.de | Abb.: AIrbus S.A.S. | 07.01.2010 08:35

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Beitrag vom 11.01.2010 - 14:20 Uhr
1. Oftmals wird ja geschrieben, das der A400M schlechter ist als die C17, weil man dort keinen Leopard 2 hineinbekommt. Ich mag dem nicht folgen: Leo2 PSO halte ich mehr für einen Versuch, das Grossgerät der Panzertruppe noch in der Armee zu halten, für den Fall das die Russen doch noch kommen ;) Ich halte 120mm Glattrohr für eine äusserst schlechte Waffe im Häuserkampf gegen Aufständige und Terroristen. Zumindestens so lange man auf Kolateralschäden achtet.
2. Die Panzerung des Puma ist modular. Der Gewichtsunterschied zwischen Version A und C sind etwa 9 Tonnen. Also kann ich in 4 A400M 3 Panzer der Schutzklasse C transportieren. Für 3 Panzer Schutzklasse C brauche ich ansonsten 2 C17 (1. C17: 1 Puma C und 1 Puma A , 2. C17: 1 PUMA C und Panzerung für den Puma A, nen weiterer Puma passt da vom Gewicht nicht mehr)
3. Nun ist der C17 immer noch wesentlich teurer als die A400M. Es mag sich ganz gut anhören, statt 60 A400M 30 C17 zu kaufen, aber ich sehe da doch einen Nachteil - einfach weniger Flugzeuge. Auch wenn die C17 mehr Tonnen fliegen kann, fliegen diese Tonnen doch alle von A nach B. Was passiert aber nun, wenn man beispielsweise nen MedEvac von A nach C durchführen muss, wobei C diametral zu B? Pech gehabt? Kein Medevac oder kein Material ... was aber nun, wenn das Material wichtig ist? Die maximale Tonnage pro Flug steht nicht für sich allein. Die Anzahl der Flieger ist ebenso wichtig. Das der Verteidigungshaushalt allerdings keine 60 C17 hergibt, dürfte sich von allein verstehen.
4. Wenn man nun doch davon ausgeht viel Grossgerät verschicken zu muessen und nicht mehr auf die Antonow angewiesen sein moechte, wäre es vielleicht sinnvoller einfach noch eine deutsche Komponente zur NATO Strategic Airlift Capability hinzuzufügen und sich mit 2 oder 3 C17 zu beteiligen.
5. Was mir zum Thema der gewichtszentrierten Diskussion noch einfällt: Viele Gegenstände des militärischen Bedarfs sind auch einfach nur sperrig. Das man mehr Ladedecklänge bei 60 A400M hat als bei 30 C17 kann sich jeder selbst ausrechnen.
Beitrag vom 10.01.2010 - 09:35 Uhr
Die Bezeichnung "uniformierte Öffentlichkeit" kann irgendwie gefallen. Sind damit z.B. eher Soldaten oder allgemein zivilisierte, d.h. sozial disziplinierte Menschen gemeint? Soweit in Deutschland auch massenhaft Menschen derzeit viel nur über Daisy reden, womit sowas wie ein namentlich personifiziertes Sturmtief gemeint sei, kann man vielleicht lachend bis weinend zustimmen. Die Art und Weise des Zusammenwirkens der Unterstützer- und Bestellländer bei der EADS-Auferstehung wird individuell als erfolgreich bis stark kritisch eingeschätzt. Vormals gab es bekanntermassen viel mehr Streit und verheerende grausame Kriege insbesondere unter jenen europäischen Ländern. Die scheinen miteinander noch längst nicht erwachsen geworden zu sein. Wen wunderts, solange u.a. sprichwörtlich die Kirche (mitten) in allen Städten und in jedem Dorfe zu stehen und zu leuten hat? Kriegerische Streitkämpfe tragen sie nicht mehr gegeneinander aus. Dennoch sind sie tendenziell zunehmend bereit solche zu führen, ausserhalb, wofür auch die A400M hauptsächlich dienen sollen.

Dieser Beitrag wurde am 10.01.2010 10:03 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 09.01.2010 - 23:59 Uhr
Die sogenannte Variante "Tranchenlösung" scheint wohl der uninformierten Öffentlichkeit am ehesten zu verkaufen zu sein; sie ändert nichts an dem dringenden Aufklärungsbedarf der Europäischen Öffentlichkeit über die Historie dieser gigantischen Industriesubvention.


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