Bedenken im Justizministerium
Älter als 7 Tage

Bundesregierung krebst bei Reiseverbot zurück

Condor Boeing 757-300
Condor Boeing 757-300, © Condor

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BERLIN - Angesichts der hitzigen Diskussion über Urlaub auf Mallorca trotz Corona erwägt die Bundesregierung, Reisen in beliebte Urlaubsgebiete im Ausland vorübergehend komplett zu unterbinden. Die Reisebranche ist verärgert, das Justizministerium sieht "sehr große Hürden". Endet der Vorstoß als Luftnummer?

Auslandsreisen unter Strafe? Hintergrund der Kontroverse ist der vorübergehende Buchungsboom für Mallorca nach der Streichung der Insel von der Liste der Corona-Risikogebiete am 14. März.

Der Schritt erfolgte, weil die Zahl der Neuinfektionen dort unter 50 pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gesunken war. Damit ist der Urlaub auf Mallorca wieder ohne Quarantäne und Testpflicht bei der Rückkehr möglich - bei Airlines und Touristikern liefen die Buchungssysteme über.

Allein Eurowings legte "über Nacht" 350 neue Flüge auf, "um buchbar zu bleiben", sagte Airlinechef Jens Bischof. Der Silberstreif für krisengeschüttelte Airlines könnte schon bald wieder vom Horizont verschwinden. Die Bundesregierung warf am Mittwoch die Idee eines Auslandsreiseverbots in den Ring.

"Das wird jetzt von den zuständigen Ressorts überprüft", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in Berlin. Die Sache war damit in der Welt - und wird jetzt wohl diskret wieder eingefangen.

Denn die Regierungspartei SPD lehnte ein echtes Reiseverbot umgehend ab. "Ein generelles Verbot von Reisen in beliebte Urlaubsgebiete im Ausland wird es mit der SPD-Fraktion nicht geben", sagte der parlamentarische Geschäftsführer Carsten Schneider. "Generell Reisen ins Ausland zu verbieten, geht über sinnvolle Schutzmaßnahmen hinaus, ist unverhältnismäßig und trägt zur weiteren Verunsicherung der Bevölkerung bei."

"Kurs und Kompass verloren"

Die Reiselobby ist von Berliner Schnellschüssen inzwischen schwer genervt. "Mehr Rückwärtssalto geht nicht", kritisierte der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV) Norbert Fiebig allein die Debatte. "Die Bundesregierung hat Kurs und Kompass verloren. Aus dem Zickzackkurs wird nun ein Schlingerkurs."

Wie man es rechtlich sauber hinbekommen kann, dass niemand mehr nach Mallorca fliegt, ist ohnehin mehr als unklar.

Bisher raten Bund und Länder in ihren Beschlüssen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie von touristischen Reisen im In- und Ausland ab. Das ist zwar nur eine Empfehlung. Für das Inland wurde aber schon eine Lösung gefunden, das Reisen tatsächlich auch wirksam zu unterbinden: man hat den Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben einfach verboten, Urlauber einzuquartieren.

Da die Bundesregierung auf Hotelöffnungen im Ausland keinen Einfluss hat, muss sie eine andere Lösung finden.

Eine Möglichkeit wäre, das Reisen für Urlaubswillige unattraktiv zu machen. Rückkehrer aus Corona-Risikogebieten müssen für zehn Tage in Quarantäne, von der sie sich erst nach fünf Tagen befreien können. Diese Regelung auf Einreisende aus dem Ausland generell auszuweiten, hätte zumindest abschreckende Wirkung und würde auch die Ansteckungsgefahr durch rückkehrende Urlauber verringern. Allerdings ist die Einhaltung der Quarantäne schwer zu kontrollieren.

Eine andere Möglichkeit ist, das Reisen zumindest teilweise zu verbieten. Das geschieht zum Beispiel in den Herkunftsländern der anderen beiden großen Mallorca-Urlaubergruppen: Spanien und Großbritannien.

In England ist das Verbot von Auslandsreisen längst Realität - und davon sind nicht nur klassische Urlaubsziele betroffen. Die Engländer sollen sich derzeit nicht einmal aus ihrem eigenen Wohnviertel bewegen, erst im April sollen Inlandsreisen unter bestimmten Bedingungen wieder erlaubt sein. Das Land verlassen darf aktuell nur, wer einen triftigen Grund dafür vorweisen kann.

Zu diesen wenigen Ausnahmen zählen notwendige Arbeitsreisen, Beerdigungen oder die Heimreise von internationalen Schülern. Wer ohne das notwendige Formular - auf dem dieser Grund nachzuweisen ist - am Flughafen, Fährhafen oder Bahnhof erwischt wird, muss mit 5.000 Pfund Geldstrafe rechnen. Premierminister Boris Johnson will die strengen Maßnahmen noch bis mindestens Mitte Mai aufrechterhalten.

Drogelschmuggler, Terroristen - Urlauber?

Auch im deutschen Recht gibt es zwar jetzt schon Vorkehrungen, um eine Ausreise zu verbieten. So können die Behörden einen Pass oder andere Reisepapiere versagen oder auch entziehen. Die Stoßrichtung ist aber hier eine andere. Damit sollen zum Beispiel Drogenschmuggler aufgehalten werden oder Menschen, die einen Terrorakt planen - keine Urlauber.

Selbst das in der Corona-Krise ergänzte Infektionsschutzgesetz sieht die Möglichkeit zur Untersagung touristischer Reisen vor. Das Problem bei Mallorca beispielsweise ist aber, dass die Infektionszahlen dort niedrig sind, die Gefahr also eher in der Zukunft liegt. Ein pauschales Reiseverbot - immerhin ein Grundrechtseingriff - wäre noch schwerer zu rechtfertigen.

Denn staatliche Eingriffe müssen immer verhältnismäßig sein, mildere Mittel nicht ausreichen.

Nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland herrscht im Justizministerium deswegen auch große Zurückhaltung gegenüber einem Verbot von Reisen. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sehe da "sehr hohe Hürden" und sei deshalb mit Blick auf die Grundrechte "sehr skeptisch", heiße es in Regierungskreisen.
© aero.de, dpa-AFX | Abb.: Condor, Lufthansa | 25.03.2021 09:28

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Beitrag vom 27.03.2021 - 07:38 Uhr
Wer die Bundesregierung nicht bejubelt ist ein Aluhut. Schon klar.

Nein, die Aluhut-Schwelle wird (für mich) dort überschritten, wo die aktuell ja offensichtlichen Schwierigkeiten und Fehler in Absicht umgedeutet und irgendwelche nicht näher benannten Ziele unterstellt werden.

Dann verfolgt man mit dem Reiseverbot ganz andere Ziele.

Unter dem Gesichtspunkt wäre es schon interressant wie Sie diese Aussage gemeint hatten.

Beitrag vom 26.03.2021 - 23:41 Uhr
Erstaunlich wie empfindlich sie reagieren. Ich fragte nach dem Sinn ihres Posts und sie finden Pöbelei.

Es tut mir leid, wenn sie sich angegangen fühlen, das war nicht meine Absicht. Allerdings haben sie die Zielrichtung ihres Posts hinter Formulierungen verborgen die ich nicht verstehe und sagen das „man“ (wer ist das?) „ganz andere Ziele“ (welche sind das) verfolgt?

Das ist kryptisch und deutet auf Verschwörung. Dann müssen sie zumindest auch Anhaltpunkte liefern. Oder sie stellen einfach nur in den Raum das es Verschwörung gibt, säen Zweifel.
Das sind Methoden der Gegner unseres demokratischen Systems die immer öfter auch von Menschen übernommen werden die es eigentlich unterstützen. Deshalb frage ich.

Beitrag vom 26.03.2021 - 21:20 Uhr
Ich würde nur gerne verstehen was sie sagen wollen. Ihr Text ist da eher vieldeutig.

Aber sie können natürlich auch gerne mit sich selbst kommunizieren und dann den unverstandenen geben…

Dann möchte ich Ihnen anempfehlen, in Erwägung zu ziehen, sich eines weniger arrogant-überheblichen Schreibstiles zu befleißigen.

Ich diskutiere gerne, auch gerne kontrovers. Aber ein Mindestmaß an Respekt und Höflichkeit sollte schon sein, das Ihrem Schreibstil offenkundig fehlt.

Sie können gerne mit weiteren Pöbeleien antworten - ich werde das jedoch nicht kommentieren.


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