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"Eine Cargo-Airline kann Ausfälle viel besser verschleiern"

Marcel Gröls, Vorsitzender Tarifpolitik Vereinigung Cockpit
Dr. Marcel Gröls, Vorsitzender Tarifpolitik Vereinigung Cockpit, © Vereinigung Cockpit

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LEIPZIG - Die Vereinigung Cockpit will mit Aerologic über Tarifverträge reden. Die Frachtairline von Lufthansa Cargo und DHL sträubt sich und streut Zweifel an der Wirkung einer aktuellen Streikwelle. Stimmt nicht, sagt Cockpit-Tarifvorstand Dr. Marcel Gröls im Interview mit aero.de - und droht mit einem Dauerstreik.

Aerologic-Piloten pochen auf eine Tarifierung. Die Stimmung zwischen Airline und Cockpit ist reichlich aufgeladen. Laut Cockpit ignoriert Aerologic eine gewählte Tarifkommission beharrlich und hält den Flugbetrieb in der inzwischen vierten Streikwelle auch mit "hohen Streikbrecherprämien" am Laufen.

aero.de: Die Vereinigung Cockpit will bei Aerologic nach 14 Jahren Tarifverträge zur Vergütung und Versorgung durchsetzen. Warum erst jetzt?

Marcel Gröls: Wann, wenn nicht jetzt? Es ist höchste Zeit. Die Kolleginnen und Kollegen haben ihre Forderung nach einer Tarifierung sehr deutlich geäußert. Sie leisten exzellente Arbeit, gerade auch unter erschwerten Coronabedingungen. Aerologic ist die "Cash Cow" der Konzerne Lufthansa Cargo und DHL, die sich beide über historische Rekordgewinne gefreut haben.

Dazu hat Aerologic natürlich auch seinen Beitrag geleistet. Die Frage ist jetzt, ob man das zum Anlass nimmt, den Beschäftigten Tarifverträge zu gönnen. Unser Wirtschaftssystem beruht auf fairen Aushandlungssystemen und das ist bei Aerologic einfach noch nicht gegeben.

Wie groß ist Ihre Mitgliederbasis bei Aerologic?

Marcel Gröls: Im Oktober haben unsere Mitglieder bei Aerologic eine fünfköpfige Tarifkommission gewählt, die unmittelbar danach hoch engagiert ihre Arbeit aufgenommen hat. In etlichen Pilots' Meetings sind wir danach immer wieder mit der Belegschaft ins Gespräch gekommen und haben unsere tariflichen Forderungen und Ideen mit den Kollegen abgestimmt.

Eine überwältigende Mehrheit stimmte dann für den Arbeitskampf, nachdem klar wurde, dass das Management jegliche Gespräche brüsk ablehnt.

Wie kann es überhaupt sein, dass eine Tochter von DLH und DHL Gespräche mit einem Verband verweigert, der von den eigenen Beschäftigten mit einem robusten Mandat ausgestattet wurde? Wir reden hier über die grundgesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit.

Dass sich ein solches Verhalten unter dem Dach dieser Konzerne zuträgt, die zum Kernbestand der deutschen Wirtschaft gehören, ist unerträglich und eine maximale Respektlosigkeit gegenüber den eigenen Beschäftigten.

Laut Aerologic hat der Streik bisher keinerlei Flüge gekostet - konnten Sie zu wenige Pilotinnen und Piloten mobilisieren?

Marcel Gröls: Das ist die Frage, ob das überhaupt stimmt. Wir wissen durch Abgleich von Vorher/Nachher-Flugplänen, dass das Unternehmen Flüge ohne Erklärung aus dem System genommen hat. Natürlich kann eine Cargo-Airline Ausfälle viel besser verschleiern, als eine Passagierairline.

Die Geschäftsführung hat alle Hände voll zu tun, die Flüge mit Beschäftigten zu bereedern, denen hohe Streikbrecherprämien bezahlt werden. Doch diese Crews kommen an ihre Grenzen.

Dass wir sehr wohl Wirkung erzielen, sieht man auch daran, dass es nun zu hektischen Gesprächen mit Ver.di kommt. Wenn unsere Mobilisierung angeblich wirkungslos ist, müsste man das ja nicht tun.

Cockpit hat von Gesprächen zwischen Ver.di und Aerologic Wind bekommen. Fällt Ihnen Ver.di gerade in den Rücken?

Marcel Gröls: Ver.di wird von der Geschäftsführung nachweisbar hofiert. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass das ganze Unternehmen mit deren Plakaten bepflastert wird und dass Ihnen eng getaktet Tarifgespräche angeboten werden. Da sollte schon jeder sehen woher der Wind weht. Ver.di hat selbst keinerlei Druck aufgebaut und steht daher ohne Hebel da.

Sie nannten Ver.di zuvor den "harmloseren Gesprächspartner" für Aerologic...

Marcel Gröls: Wir glauben dass die Geschäftsführung eine einfache Rechnung aufmacht: Wenn erstmal Tarifverträge vorliegen, sei es auch mit Ver.di, dann verlieren die Beschäftigten hoffentlich das Interesse an einer Tarifierung mit der VC. Nun ist die VC eine stark mitgliederzentrierte Organisation, bei uns entscheiden die Mitglieder.

Wir werden am heutigen Freitag eine Befragung unserer Mitglieder beginnen, um das aktuelle Stimmungsbild abzufragen. Diese empfehlen uns dann entweder eine Streikpause - oder aber den unbefristet verlängerten Ausstand.

Fürchten Sie, sich mit Ver.di auch bei einer etwaigen Tarifierung von Eurowings Discover ins Gehege zu kommen?

Marcel Gröls: Meine Sorge hält sich in Grenzen. Wenn, dann ist es nicht von Dauer. Ver.di ist eine stolze Gewerkschaft mit vielen guten und engagierten Funktionsträgern, die täglich gute Arbeit leisten. Mit vielen "Verdianern" bin ich seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden.

Doch zur Wahrheit gehört auch: Überall da, wo Spezialistengewerkschaften Einfluss haben, hat Ver.di das Nachsehen. Das gilt für die Ärzte, die sich im Marburger Bund organisieren und es gilt für die Piloten, die traditionell der VC angehören.

Berufsgewerkschaften können sich nunmal einfach mit ungleich mehr Ressourcen und mit größerer Hingabe und Detailtiefe um die Belange Ihrer eigenen Leute kümmern, als das eine Massengewerkschaft kann, die für 1.000 Berufe zuständig ist.

Wird Eurowings Discover im Sommer ein mögliches Streikziel von Cockpit zur Durchsetzung von Tarifverträgen?

Marcel Gröls: Dem Sommer möchte ich noch nicht vorgreifen. Nur soviel zur Lufthansa: Wie wir uns im Sommer verhalten, liegt beim Konzern. Wir mögen Verhandlungslösungen bei weitem lieber als Konfrontation, wissen aber, dass wir von Konfrontationen auch keine Angst haben dürfen.
© aero.de | Abb.: Aerologic | 25.03.2022 12:20

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Beitrag vom 28.03.2022 - 19:59 Uhr
@contrail:
Sie bringen da etwas durchfindet. Es ist genauso wie Sonnenbar es beschreibt. Verdi wurde von der GF ins Spiel gebracht und hat innerhalb einer Woche hastig eine TK aufgestellt, eben um die VC zu hintergehen. Bevor die VC gestreikt hat, wollte man übrigens gar keine Gewerkschaft im Haus haben. Verdi ist bei AL deutlich schlechter vertreten als die VC. Den Druck hat also die VC aufgebaut Ubd nicht die Verdi.
Man hofft seitens AL mit diesem Move die Belegschaft ruhig zu stellen.
Ich kann mich da nur auf Veröffentlichungen der verdi beziehen. Die Vorbereitungen zur Tarifierung laufen seit Anfang des Jahres und die Wahl der Tarifkommission läuft schon länger als die eine Woche. Ich gebe Ihnen recht, der Streik hat Bewegung reingebracht. Allerdings könnte man auch argumentieren, dass die schlechte Beteiligung der Piloten am Streik für AL die Chance war über die Hinwendung zu verdi die beiden Gewerkschaften gegeneinander auszuspielen und Unruhe in die GW Landschaft zu bringen. Hat ja auch geklappt und die VC ist nicht ganz unschuldig daran. Die Wahl der TK endete letzten Freitag. Ob man diesen Prozess satzungsgemäß innerhalb einer Woche starten und abschließen kann, da habe ich meine Zweifel.
Ob es mehr VC Mitglieder bei AL gibt weiß ich nicht, aber bisher hat noch keine GW in D die Gretchenfrage gestellt und man hat sich geeinigt. Das dürfte hier auch so enden.

Die Vorbereitungen seitens Verdi laufen seit dem Moment, als die VC TK die Urabstimmung zum Streik gestellt hatn und das war im Januar. Das war dann der Moment, indem die GF an die Verdi herangetreten ist.

Und das läuft so, weil man bei EW gesehen hat, dass es funktioniert. Wenn man mit der VC nicht weiter kommt, schließt man schnell (und lange) mit Verdi ab... Ob sich das als so klug erwiesen hat, wird man die nächsten Jahre sehen....
Beitrag vom 28.03.2022 - 01:22 Uhr
@contrail:
Sie bringen da etwas durchfindet. Es ist genauso wie Sonnenbar es beschreibt. Verdi wurde von der GF ins Spiel gebracht und hat innerhalb einer Woche hastig eine TK aufgestellt, eben um die VC zu hintergehen. Bevor die VC gestreikt hat, wollte man übrigens gar keine Gewerkschaft im Haus haben. Verdi ist bei AL deutlich schlechter vertreten als die VC. Den Druck hat also die VC aufgebaut Ubd nicht die Verdi.
Man hofft seitens AL mit diesem Move die Belegschaft ruhig zu stellen.
Ich kann mich da nur auf Veröffentlichungen der verdi beziehen. Die Vorbereitungen zur Tarifierung laufen seit Anfang des Jahres und die Wahl der Tarifkommission läuft schon länger als die eine Woche. Ich gebe Ihnen recht, der Streik hat Bewegung reingebracht. Allerdings könnte man auch argumentieren, dass die schlechte Beteiligung der Piloten am Streik für AL die Chance war über die Hinwendung zu verdi die beiden Gewerkschaften gegeneinander auszuspielen und Unruhe in die GW Landschaft zu bringen. Hat ja auch geklappt und die VC ist nicht ganz unschuldig daran. Die Wahl der TK endete letzten Freitag. Ob man diesen Prozess satzungsgemäß innerhalb einer Woche starten und abschließen kann, da habe ich meine Zweifel.
Ob es mehr VC Mitglieder bei AL gibt weiß ich nicht, aber bisher hat noch keine GW in D die Gretchenfrage gestellt und man hat sich geeinigt. Das dürfte hier auch so enden.

Die Vorbereitungen seitens Verdi laufen seit dem Moment, als die VC TK die Urabstimmung zum Streik gestellt hatn und das war im Januar. Das war dann der Moment, indem die GF an die Verdi herangetreten ist.
Beitrag vom 27.03.2022 - 20:00 Uhr
vieles wurde schon zich mal durchgekaut…

dank der VC wird es bald eine Tarifierung geben, ob bei der Kuschel-Verdie mit Joes Jüngern oder halt bei der VC. Wichtigste ist das sich überhaupt etwas tut.

Jeder der nun aktuell dafür einsteht oder halt nicht wird insgeheim wissen ob sie/er nun wirklich aus nachvollziehbaren Motiven handelt oder es sich selbst mit irgendwelchen Argumenten schönredet.

Im Endeffekt ist das Ergebnis wichtig. Aerologic wird eine tarifierte Airline😉


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