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Der Airbus A320 erreicht sein Ziel unter Seitenwind. Beim ersten Bodenkontakt stellen die Piloten die Triebwerke erst auf Umkehrschub - und entscheiden sich Sekunden später doch zum Durchstarten.
Nur die Steuereinheit (ECU) für Triebwerk #2 interpretiert die Situation korrekt - und schaltet die Schubumkehr wieder ab. "Triebwerk #2 fährt auf TOGA-Schub hoch, aber Triebwerk #1 bleibt mit REV-Indikation im Leerlauf hängen", arbeitet Airbus den Zwischenfall in einer aktuellen Fallstudie auf.
Die A320 gerät aus dem Gleichgewicht und zieht nach links, Heck und Flügelspitze kommen dem Boden gefährlich nahe. Die Piloten steuern gegen und ziehen das Fahrwerk ein, mühsam erklimmt die A320 wieder Höhe. In 320 Fuß schaltet die Crew Triebwerk #1 ab. Beim zweiten Anflug gelingt die Landung.
Airbus nennt in der Fallstudie weder Zeit noch Ort. Die Schildung deckt sich aber mit einem Zwischenfall bei TAP Air Portugal am 8. April 2022 in Kopenhagen.
"Als das Flugzeug am Gate eintrifft, sind an Triebwerk #1 drei der vier Umkehrklappen ausgefahren", hält Airbus fest. Das "unterschiedliche Verhalten" der Triebwerke erklärt Airbus mit "einer kurzen zeitlichen Versetzung bei der Berechnung des Boden-/Flugstatus durch die ECU im Zusammenspiel mit einem Ausfedern des linken Fahrwerks".
Die Airbus-Sicherheitsabteilung hat sich nach dem Zwischenfall mit den Abschaltlogiken der Schubumkehr quer durch die Modellpalette bis hin zur A220 befasst.
Diese Untersuchung "hat ergeben, dass ausschließlich A320 und A340 mit CFM56 Triebwerken von einer potenziellen Nichtabschaltung der Schubumkehr betroffen sein können, wenn die Crew einen Go-Around einleitet", informiert Airbus Betreiber. Der Hersteller will über die Software bis 2025 hier für eine zusätzliche Absicherung sorgen.
Schubkehr = Halt
Im Idealfall sollte es zu einem Durchstarten unter Umkehrschub gar nicht erst kommen. Airbus verweist auf die Standard Operating Procedures (SOP) für Landungen, laut denen "Piloten nach Zuschaltung der Schubumkehr die Landung bis zu einer vollständigen Abbremsung des Flugzeugs vollenden müssen".
Davon wird in der Praxis allerdings ziemlich häufig abgewichen: Airbus hat 3,4 Millionen A320-Flüge bei 31 Betreibern ausgewertet - und festgestellt, dass im Schnitt "einmal pro Monat" ein A320 nach Aktivierung der Schubumkehr durchstartet. Auch deswegen hat sich der Hersteller zu einem Softwareupdate entschlossen.
© aero.de | Abb.: HCL, Airbus | 13.06.2023 14:31
Kommentare (19) Zur Startseite
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Es gibt wirklich gute Gründe. Bsp Ausbrechen durch asynchronen Schub oder der Unfall in Warschau, dass das System heute mit solchen Verzögerungen oder Abhängigkeiten arbeiten. Und dazu gehört ein gewisses Verhalten der Reihe 0. Und das funktioniert ja in der Regel auch. Jetzt muss man die ganz wenigen Abweichler noch schulen oder eine schlaue nicht restriktive Logik einbauen.
Ich hatte den Artikel so verstanden, dass man kurz vor dem Aufsetzen, den Schubhebel auf Reverse schieben kann - quasi "Bestellen". Wenn dann ein paar Bedingungen für eine Zeit erfüllt sind,
wird der Umkehrschub - nicht unbedingt synchron - automatisch aktiviert.
Mit einem Rad am Boden kann man also Reverse ordern. Schon bei (mässigen) Seitenwind sollte man das aber nicht tun!
Bessere wäre es, nach dem Aufsetzen zwei oder drei Sekunden mit allen Rädern am Boden zu warten und dann den Umkehrschub zu aktivieren oder durchzustarten.
Wann soll die Hand vom Schubhebel genommen werden?
Die Verfahren sagen aber schon immer erst nach Aufsetzen zu aktivieren, sprich nach fully compressed.