Anhörung im US-Senat
Älter als 7 Tage

Boeing muss sich unbequemen Fragen stellen

Boeing 787-10
Boeing 787-10, © Boeing

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WASHINGTON - Die Qualitätskontrollen beim amerikanischen Flugzeugbauer Boeing werden am Mittwoch (ab 20.15 Uhr MESZ) im Mittelpunkt einer Anhörung im US-Senat stehen. Im Unterausschuss für Ermittlungen soll unter anderem ein Boeing-Mitarbeiter aussagen, der nun als Whistleblower auftritt.

Der Ingenieur behauptet, dass Boeing bei der Herstellung des Modells 787 "Dreamliner" Fehler beim Zusammenfügen von Rumpfteilen toleriert habe, was die Lebenszeit der Flugzeuge verringern könne. Der Konzern wies die Vorwürfe mit Nachdruck zurück.

Boeing steht nach einem Beinahe-Unglück im Januar, bei dem eine Maschine des Typs 737 MAX 9 im Flug ein Rumpfteil verlor, unter Druck, die Qualitätskontrollen zu verbessern. Die US-Luftverkehrsaufsicht FAA verlangt einen ausführlichen Plan dafür und weigert sich, Boeing den Ausbau der Produktion der 737-Baureihe zu erlauben. Die Senatoren wollen nun ebenfalls tiefer in das Thema eintauchen.

Wichtigster Zeuge bei der Anhörung in Washington ist Sam Salehpour, der als Boeing-Ingenieur früher an der 787 und dem viel genutzten Langstrecken-Modell 777 arbeitete. Nach seinen Angaben ließ Boeing bei der 787 zu große Spaltmaße zwischen den einzelnen Rumpf-Abschnitten zu, was zu schnellerem Verschleiß führen könne.

Boeing widerspricht der Darstellung vehement. Chef-Ingenieur Steve Chisholm verweist darauf, dass 671 Maschinen des Typs ihre Inspektionen nach sechs Betriebsjahren absolviert hätten und bei keinem Flugzeug Probleme festgestellt worden seien.

Auch eine 787, bei der von 2010 bis 2015 die Belastung von 165.000 Flügen simuliert worden sei, habe keine Anzeichen von Materialermüdung am Rumpf gezeigt. Die FAA habe die Ergebnisse der Untersuchungen abgesegnet.

Boeing-Managerin Lisa Fahl betonte zugleich, dass der Flugzeugbauer bei der Entwicklung der 787 extrem vorsichtig gewesen sei. Die Vorgabe für den Abstand zwischen den Rumpfteilen sei auf 0,005 Zoll (0,127 Millimeter) - in etwa die Dicke eines menschlichen Haars - festgesetzt worden, weil es das erste Flugzeug mit einem Rumpf aus Verbundmaterialien gewesen sei.

Mit mehr Daten habe man aber herausgefunden, dass auch größere Abstände zulässig seien. Auch bei der 777 hätten neue Produktionsmethoden nicht zu Problemen geführt, beteuert Boeing unter Verweis auf Inspektionsdaten.

Bei dem Zwischenfall Anfang Januar, der Boeing viele unliebsame Schlagzeilen einbrachte, brach bei einer 737 MAX 9 von Alaska Airlines kurz nach dem Start im Steigflug ein Rumpf-Fragment heraus.

Die mehr als 170 Menschen an Bord kamen glimpflich davon, allerdings waren die beiden Sitze in der Nähe des Lochs im Rumpf auch durch einen glücklichen Zufall leer geblieben. Außerdem befand sich das Flugzeug noch in relativ geringer Höhe.

Die Unfallermittlungsbehörde NTSB geht nach bisherigen Untersuchungen davon aus, dass vier Befestigungsbolzen an dem herausgebrochenen Rumpfteil fehlten. Alle anderen Maschine des Typs wurden zunächst für mehrere Wochen stillgelegt, durften aber nach Inspektionen wieder fliegen.

737 MAX reißt United in die roten Zahlen

Die Boeing-Probleme treffen auch die US-Fluggesellschaften. So kostete der Ausfall mehrerer Dutzend Maschinen der 737 MAX 9 im Flugplan im Januar United Airlines rund 200 Millionen Dollar (188 Mio Euro). Die Fluggesellschaft verbuchte deswegen im vergangenen Quartal einen Verlust von 124 Millionen Dollar. Außerdem bedeutet der ausbleibende Produktionsausbau bei Boeing, dass die Airline weniger neue Maschinen als geplant bekommen wird.

United will sich nun 2026 und 2027 bei Leasinggesellschaften 35 Maschinen des Boeing-Rivalen Airbus buchen. Die Flugzeuge des Typs A321neo konkurrieren mit der 737.
© dpa-AFX | Abb.: Boeing | 17.04.2024 08:25

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Beitrag vom 17.04.2024 - 22:26 Uhr
Boeing macht wieder Aussagen knapp an den Tatsachen vorbei. Durch die falsche Verbindung der Teile wird das Material mehr gestresst. Die Aussage von Boeing ist irreführend:

"[...] 671 Maschinen des Typs ihre Inspektionen nach sechs Betriebsjahren absolviert hätten und bei keinem Flugzeug Probleme festgestellt worden seien."

Die Flugzeuge müssen die zugesicherten Anzahl von Zyklen überstehen und nicht nur 6 Betriebsjahre. Dass an einer korrekt zusammengebauten 787 die Zyklen erreicht wurden, sagt nichts über fehlerhaft zusammengedengelten 787 aus.

Mit diesem Argument führen sie aber sämtliche Tests ab absurdum.

Natürlich zählt ein Exemplar das die Zyklen erreicht hat.
Sie können ja schlecht bei jedem Exemplar die Zyklen simulieren.

Was schlagen sie denn vor, das Boeing macht, im Hinblick auf die Toleranzen?
Beschleunigter Lebensdauertest an repräsentativen Bauteilen. Wäre jetzt nichts ungewöhnliches
Beitrag vom 17.04.2024 - 22:24 Uhr
Es geht um das Spaltmaß beim Fügen von Rumpfteilen, nicht die Genauigkeit innerhalb eines Bauteils.

"Auch bei der 777 hätten neue Produktionsmethoden nicht zu Problemen geführt, beteuert Boeing unter Verweis auf Inspektionsdaten."

Nach meinem Verständnis bezieht sich die Aussage nicht auf die unterschiedlichen Materialien, sondern auf das normale Vorgehen, im Laufe einer Produktion neue (=schnellere, günstigere) Methoden einzuführen, ohne sich dabei neue Probleme einzuhandeln.
Beitrag vom 17.04.2024 - 22:07 Uhr
Also wenn die 0,127 mm für die Durchmesser (der Tonnen) gehen dan kann ich nur sagen chapeau! Bei 5,75 m Durchmesser! Nur 1/8 mm! Ich halte das für eine sehr gute Passgenauigkeit. Ich rechne das mal bewusst nicht im % oder Promille aus.

Oder sind Längen Toleranzen gemeint? Oder Planizitäten?
Es sind zu wenige, wirklich wichtige Angaben, vorhanden um das Ganze auch nur annähernd zu beurteilen.



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