Abschlussbericht
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Ermittler schließen Akten nach Turkish Airlines-Unfall nahe Amsterdam

THY
TC-JGE nach Unfall nahe Schiphol, © Dutch Safety Board

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AMSTERDAM - Die niederländische Behörde für Flugunfalluntersuchungen hat am Donnerstag ihren Abschlussbericht zum Absturz einer Boeing 737-800 (Reg. TC-JGE) der Turkish Airlines veröffentlicht. Flug TK1951 aus Istanbul war am Vormittag des 25. Februar 2009 im Anflug auf Amsterdam-Schiphol mit 128 Passagieren und sieben Besatzungsmitgliedern an Bord verunglückt. Bei dem Vorfall kamen neun Menschen ums Leben, 86 weitere wurden verletzt.

Die Ermittler führen den Unfall auf eine "Verkettung von Umständen" zurück. Die 737-800 war zu einem ILS-Anflug auf Landebahn 18R freigegeben. Der Erste Offizier führte den Anflug mit dem rechten Autopilot und Autothrottle durch. Der Standardanflug auf 18R sieht einen Einflug in den Gleitweg in mindestens 8 NM Abstand zur Landebahn und einer Höhe von 2.000 Fuß vor. Die Flugsicherung kann den Eintritt aber variabel zwischen 5 und 8 NM freigeben.

TK1951 sollte den Anflug auf 18R in 6 NM Abstand bei einer Flughöhe von 2.000 Fuß einleiten. Das Flugzeug sank auf die vorgegebene Höhe und richtete sich auf den Localiser aus. Das Fahrwerk wurde ausgefahren. Während des gesamten Anflugs funktionierte das Radio Altimeter des Ersten Offiziers fehlerfrei, während das Alitmeter des Kapitäns eine fehlerhafte Höhe von -8 Fuß registrierte.

Mit Anpeilung des Localiser wählten die Piloten eine Sinkrate von 1.400 Fuß pro Minute. Der korrekte Gleitweg zum Anflug auf 18R wurde in einer Höhe von 1.330 Fuß abgefangen. Auf einer Resthöhe von 770 Fuß setzten die Piloten die Fluggeschwindigkeit auf 144 Knoten zurück. Die automatische Triebwerksteuerung hätte diese Geschwindigkeit beibehalten sollen.

In Folge der fehlerhaften Informationen des linken Radio Altimeter setzte das Autothrottle den Schub aber auf Leerlauf, so dass die Maschine weiter an Geschwindigkeit verlor. Weil der Autopilot das Flugzeug zugleich auf dem eingestellten Gleitweg halten wollte, zog der Bug steil nach oben.

Bei einer Höhe von 460 Fuß warnte der Stick Shaker die Piloten vor einem unsicheren Anstellwinkel. Die Boeing flog jetzt mit nur noch 126 Knoten Restgeschwindigkeit und in einem Anstellwinkel von rund 20 Grad. Auf einer Höhe von 420 Fuß schaltete die Crew den Autopiloten ab und gab auf 350 Fuß vollen Schub.

Die Maschine befand sich zu diesem Zeitpunkt aber bereits im Stall; die verbliebene Resthöhe reichte nicht mehr aus, um das Flugzeug abzufangen und eine wieder stabile Fluglage herzustellen. Gegen 10.26 Uhr schlug die 737-800 1,5 Kilometer nördlich vor der Landebahn auf einem Feld auf.

"In Folge der fehlerhaften Höhenanzeige schaltete das Autothrottle in den retard flare-Modus", fasst der Bericht zusammen. Der Wechsel in diesen Modus ist aber erst für die letzte Phase des Anflugs unterhalb von 27 Fuß vorgesehen. Allerdings sei das Umschalten in retard flare nur deshalb möglich gewesen, weil auch die anderen Voraussetzungen - einschließlich der Position der Flaps auf Minimalstellung 15 - gegeben waren, schreibt das Board.

Ermittler sehen Mitverantwortung des Herstellers

Die Behörde weist in ihrem Abschlussbericht auch Boeing eine Mitverantwortung für den Unfall zu. Boeing wertet jedes Jahr 13.000 Fehlerberichte zur 737 aus. Die Ermittler gestehen zu, dass sich nur ein sehr kleiner Teil dieser Berichte auf das Autothrottle und den retard flare-Modus bezieht.

Gleichwohl hätte Boeing darauf schließen können, dass die Auswirkungen eines Fehlers auf die automatische Triebwerksteuerung Implikationen für die Sicherheit nach sich ziehen könnten. Es wäre daher "nicht unnötig gewesen, Fluggesellschaften und damit die Piloten über das Problem und mögliche Konsequenzen in Kenntnis zu setzen".

© aero.de | Abb.: Dutch Safety Board | 07.05.2010 09:36

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Beitrag vom 11.05.2010 - 23:10 Uhr
Recht hast du mit deiner Aussage, ist halt etwas komisch gelöst. Außer den Autopiloten die sich gegenseitig kontrollieren fällt mir da noch der EFIS oder ein CAT II Komparator ein, der meldet auch nur das etwas mit den entsprechenden Systemen nicht stimmt. Das AT System muss ja nicht wissen welcher Rad-alt fehlerhaft ist.

Es stimmt wohl das es ziemlich mühsam ist darüber zu diskutieren aber ich finde es interessant mir über so etwas gedanken zu machen.

Beitrag vom 11.05.2010 - 12:57 Uhr
Machbar ist alles, aber eine Änderung der Systeme wäre eine massive Veränderung und muss für schweinisch viel Geld neu zugelassen werden. Also sagt man den Crews lieber, sie sollen die Griffel an den Levers lassen und schön kontrollieren ob der Retard korrekt gemacht wird.
Beitrag vom 11.05.2010 - 11:31 Uhr
Warum werden beide RA Signale nicht mitteinander verglichen und nach eine Meldung des Fehlerhaften RA systems in die Proceduren darauf hingewiessen das einen Automatischen Anflug nicht erlaubt ist? Das Problem mit die RA's ist seit 2001 bei Boeing bekannt, aber wurde nie als Sicherheits-Problem gesehen,sondern nur als Technisches. Bis dahin haben die 737 Crews selber das Problem erfolgreich gelöst. Die 737 wird aber noch lange fliegen als echtes Arbeitstier.
Mich würde es in dem Bericht sehr Interessieren ob der AT ausgeschaltet wurde als die Stickshaker angegangen sind. Laut Bericht hat der FO Schub nachgegeben, jedoch hat der Kapitän (oder der Automaten?)nach übernahme das Gas wieder rausgezogen auf Idle. Die dadurch verschlechterde Situation war nicht mehr zu retten, auch als der Kapitän wieder vollen Schub gab.


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