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"Das gerade erst angekündigte Performance Upgrade der 737-800, ihre neue Kabine und die herausragende Leistung der CFM-Triebwerke machen (das Flugzeug, Red.) zu einem außerordentlich starken Wettbewerber zu jedweder Re-Engining-Alternative", erklärte Heinemann.
AerCap leistet Boeing damit sicher willkommene Schützenhilfe beim Ausstieg aus der inzwischen unbequemen Debatte über das Für und Wider neuer Triebwerke an der 737. Bereits seit Monaten rückte Seattle immer weiter von einem Re-Engining der 737 ab. In der Konzernleitung dürfte die vor Jahresfrist angestoßene Idee ohnehin bereits zu Grabe getragen sein.
Am ebenso absatzstarken wie hart umkämpften Single Aisle-Markt herrscht Umbruchstimmung. Bombardier stellt 737-700 und A319 schon ab 2013 mit der CSeries ein Flugzeug entgegenen, das mit modernen PW1000G Triebwerken wirtschaftlicher und umweltfreundlicher fliegen soll als seine Wettbewerber. Weitere neue Single Aisles werden in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts am Markt erwartet.
Aber sind Boeing und Airbus tatsächlich in dem Maße zur schnellen Innovation verdammt, wie vor einem Jahr noch selbst betont? Zumindest haben beide Konzerne durch gut gefüllte Auftragsbücher erweiterte Freiräume bei der Entwicklung ihrer Strategien. Über das Jahr spielten Boeing und Airbus erfolgreich auf Zeit.
Die intensive und öffentliche Beschäftigung mit neuen Triebwerkstechnologien und die wiederholte Vertagung von Entscheidungen haben den Unternehmen zusätzliche Luft verschafft. Die von vielen für 2010 erwarteten Großaufträge weiterer Airlines für die CSeries blieben jedenfalls aus. Im Gegenteil - Fluggesellschaften und insbesondere Leasinggeber vergaben schockweise Single Aisle-Aufträge nach Seattle und Toulouse.
Die Fragen werden lauter
Dennoch müssen sowohl Boeing als auch Airbus jetzt die immer lauter werdenden Fragen nach den tatsächlichen Strategien in ihren Brot-und-Butter-Programme beantworten. In Seattle zeichnet sich die Route inzwischen ab: kurzfristig setzt Boeing auf moderate aber kontinuierliche Effizienzsteigerungen an der 737 verbunden mit einer neuen Kabine.
Mit dem flottenstarken Leasinggeber AerCap kann Boeing jetzt einen wichtigen Kunden präsentieren, der sich ausdrücklich hinter diese Strategie gestellt hat. Unmissverständlicher könnte der Tenor aus Amsterdam nicht sein: die Upgrades am Flugzeug und das Gesamtprodukt 737 reichen einstweilen aus.
Natürlich sind Leasinganbieter in dieser Frage voreingenommen und betrachten ein Engine Upgrade aus einer anderen betriebswirtschaftlichen Perspektive als Fluggesellschaften. Ihr Geschäftsmodell hängt unmittelbar am Wert der verleasten Bestandsflotte. Wenig würde die Werte bereits gekaufter Maschinen und die mit ihnen erzielbaren Leasingerlöse mehr gefährden als ein Sprung hin zu einem erheblich effizienteren Flugzeug gleicher Serie.
Vor Heinemann erteilte bereits Branchenschwergewicht Steve Udvar-Hazy Engine Upgrades an 737 und A320 eine deutliche Absage. Abseits einer besseren Umweltleistung und einer Reduzierung von Lärmemissionen nehme sich der tatsächliche wirtschaftliche Mehrwert (eines Engine Upgrade, Red.) für Eigner und Betreiber der Flotten sehr gering aus, erklärte Udvar-Hazy im Oktober bei einer Podiumsdiskussion während der 17. Europakonferenz des Interessenverbands ISTAT in München.
Spielen Boeing und Airbus nochmal auf Zeit?
Am Ende des von Boeing eingeschlagenen Wegs kann allerdings nur ein von Grund auf neuentwickelter Nachfolger der 737 stehen, dem vielleicht eine nochmals überarbeitete 737NG+ vorangestellt wird. Letztlich geht es in Seattle aber nur noch darum, die optimalen Zeitpunkte für Ankündigung und Markteinführung einer neuen 737 abzupassen. Zeitgleich soll die aktuelle 737 noch solange wie möglich Geld verdienen.
Auch auf ein mögliches Engine Upgrade am A320 sieht sich Boeing vorbereitet. Albaugh attestiert einem A320 mit neuen Triebwerken pauschal kein wesentlich größeres Einsparpotenzial bei den Betriebkosten als es Boeing mit den Modifikationen an der aktuellen 737 erreicht.
Allerdings könnte sich die Gefahr eines technologischen Kräftemessens mit Airbus für Boeing auch von selbst erledigen. Toulouse rückte zuletzt ebenfalls von der Idee neuer Triebwerke für die A320-Serie ab. "Es ist keine einfache Entscheidung, da die Ingenieursseite bei Airbus fast schon überbeansprucht ist", sagte Airbus Vorstandschef Tom Enders im Oktober dem Magazin "L`Express".
"Viele Ingenieure werden noch beim A380 bleiben, wir stehen mitten in der Entwicklung des A400M und treten in die Produktionphase des A350 XWB ein", führte Enders aus. "Daher müssen wir sehr sorgfältig abwägen, ob wir in der Lage sind, zeitgleich an einem A320 mit neuen Triebwerken zu arbeiten." Sollte sich Airbus zu Gunsten anderer Programme letztlich doch gegen die A320 NEO (New Engine Option) entscheiden, "würde dies sicher auch nicht den Himmel über unseren Köpfen zum Einsturz bringen".
© aero.de, dpa-AFX | Abb.: The Boeing Company | 19.11.2010 12:02
Kommentare (3) Zur Startseite
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Wichtig wird sein, wie sich Airlinekunden verhalten, die nicht auf Leasinggeber angewiesen sind. Southwest und Ryanair könnten die Diskussion neue Triebwerke oder ein ganz neues Flugzeug nochmal anheizen.
Ja das ist wirklich ein Spagat. Ich halte es auch für besser wenn Airbus im Moment nicht zu einer Entscheidung pro kommt. Die Ertragssituation ist zu mager, die Ing.-Kapazitäten sind ausgelastet und die Risiken der Programme A380, A350 und A400M noch immer nicht voll übersehbar.
Sobald sich da der Nebel lichtet (geschätzt 1,5-2,5 Jahre) und Boeing nicht mit Neuentwicklung aktiv wird, würde ich eine A320 Neo schon als sinnvoll erachten solange sich bis dahin nicht ohnehin neue Aspekte auftun. Bombardier wird seinen Anteil ohnehin holen aber überschwemmt werden die auch nicht mit Aufträgen. Die Chinesen sind vor 2020 International auch kein Thema und bei Vorlaufzeiten von 4-5 Jahren bleibt noch Zeit zum reagieren.
Das ganze ist wie ein Formel 1 Rennen. Mit der falschen Boxenstopp-Strategie kann man alles vermasseln.l
Wichtig wird sein, wie sich Airlinekunden verhalten, die nicht auf Leasinggeber angewiesen sind. Southwest und Ryanair könnten die Diskussion neue Triebwerke oder ein ganz neues Flugzeug nochmal anheizen.
1. Boeing ebnet die Wege weit eher selbst, nicht nur bei deren Debatte um eine Re-Engining Entscheidung, sondern bei allem.
2. "Albaugh attestiert einem A320 mit neuen Triebwerken pauschal kein wesentlich größeres Einsparpotenzial bei den Betriebkosten als es Boeing mit den Modifikationen an der aktuellen 737 erreicht"? Bei allem, was seitens Boeing bereits Airbus "attestiert" wurde, müsste man Airbus wahrscheinlich mit der Lupe suchen.
3. Was da Jim Albaugh in Richtung Kanada abgelassen hat, dass nämlich Bombardier mit der CSeries ähnliche Probleme haben werde , wie Boeing im Programm 787, scheint auch nur wieder von einer großen Klappe zu zeugen.