Streit um GDS-Gebühr
Älter als 7 Tage

Lufthansa legt sich mit Vertriebspartnern an

Lufthansa am Vorfeld Frankfurt
Lufthansa am Vorfeld Frankfurt, © Deutsche Lufthansa AG

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FRANKFURT - Lufthansa-Flugtickets werden ab September 16 Euro teurer, sofern sie über ein globales Vertriebssystem (GDS) erstellt werden. Das ist bislang bei rund 70 Prozent der Tickets der Fall, denn vor allem Reisebüros, aber auch Internetportale benutzen die Systeme der drei marktbeherrschenden GDS-Anbieter.

Über diese Systeme werden weltweit Flüge und andere touristische Dienstleistungen eingekauft und abgerechnet. Hinter den Plänen der Lufthansa, ab September für jedes dieser Tickets 16 Euro Extragebühr zu verlangen, steckt ein knallharter Kampf um Profitanteile.

Die Hauptleistung bei einer Flugreise erbringe die Airline, findet Lufthansa-Vertriebschef Jens Bischof. Wegen des starken Konkurrenzdrucks sind aber die Erlöse der Fluggesellschaften extrem schmal, während mancher Dienstleister nach wie vor glänzend verdiene. Der in Europa führende GDS-Anbieter Amadeus hat für 2014 einen Reingewinn von 632 Millionen Euro ausgewiesen, bei einem Umsatz von 3,4 Milliarden Euro. Der Dax-Konzern Lufthansa hat mit rund 30 Milliarden Euro ein weit größeres Rad gedreht, am Ende aber nur einen Mini-Gewinn von 55 Millionen Euro erzielt.

Für eine GDS-Buchung fallen bei Lufthansa nach ihren Angaben 18 Euro Kosten an gegenüber 2 Euro bei einem über die konzerneigenen Portale verkauften Flug. Die Differenz von 16 Euro wolle man sich nun über eine zusätzliche Gebühr zurückholen, hat Europas größter Luftverkehrskonzern Anfang Juni angekündigt. Gebührenfreie Flüge und auch die preiswertesten Angebote soll es für Privatleute wie für Geschäftskunden nur noch direkt beim Lufthansa-Konzern geben.

Herausforderer Ryanair ist gerade den ungekehrten Weg gegangen und dürfte nun auf enttäuschte Lufthansa-Kunden hoffen. Wegen des steigenden Anteils an Geschäftsreisenden haben die Iren ihren bislang abgeschotteten Direktvertrieb teilweise geöffnet und sind Kooperationen mit den GDS-Riesen Amadeus, Travelport und Sabre eingegangen, die allesamt auch für Lufthansa arbeiten. Dieser Kanal sei ein wichtiges Mittel, um zusätzliche Kunden zu erreichen, verkündete Ryanair-Chef Michael O'Leary.

Seit dem Vorstoß des Kranich-Konzerns schäumt die Branche. Rund 70 Prozent der Firmenkunden überlegten, ob sie "Geschäft von der Lufthansa-Gruppe wegsteuern", ließ der Geschäftsreiseverband VDR wissen. Die im VDR organisierten Firmen könnten bis zur Hälfte ihrer rund 2 Milliarden Euro Jahresumsatz bei der Lufthansa auf andere Fluglinien oder die Bahn verlagern. Wenn der günstigste Preis nur noch auf der Lufthansa-Website, aber nicht mehr in den Systemen der Reisebüros zu sehen sei, leide zudem die Transparenz.

"Das ist eine klare Kampfansage an den Reisevertrieb", erklärt Holger Taubmann, hochrangiger Vertriebsmanager beim europäischen GDS-Platzhirsch Amadeus. Er argumentiert mit kaufmännischen Vorteilen, die GDS bereithalte. Es bilde nicht nur das weltweite Angebot nahezu umfassend ab, sondern übernehme auch die nachgelagerte buchhalterische Abwicklung - vor allem für Geschäftskunden ein wichtiges Merkmal. Lufthansa habe bei ihrer Rechnung zudem die Marketingkosten ausgeblendet, die es braucht, um auch künftig im Internet gefunden zu werden.

Lufthansa werde auch weiterhin sehr gern GDS-Buchungen entgegennehmen, kontert Bischof. Nur müssten die Kosten künftig von denen getragen werden, die von den Leistungen profitierten. Lufthansa will künftig möglichst viele Tickets selbst verkaufen und dem Kunden gleich noch kostenpflichtige Zusatzleistungen offerieren - ein von den Billigfliegern abgeschautes System zur Erlössteigerung. Nach dem Vorbild der Tochter Germanwings wird dazu auch bei der Lufthansa- Mutter ein neues Tarifsystem eingeführt, in dem bislang kostenlose Goodies wie ein aufzugebendes Gepäckstück oder eine Sitzplatzreservierung nur noch gegen Geld zu bekommen sind.

Lufthansa geht es in dem Konflikt auch um die kostbaren Kundendaten - bei Geschäftsleuten ein durchaus heikles Thema. "Alle Reisedaten sind gleichzeitig Firmendaten, über die Rückschlüsse auf die Aktivitäten eines Unternehmens gezogen werden können", sagt VDR-Präsident Dirk Gerdom. Lufthansa versichert aber, die Daten nur für individuelle Angebote an die Fluggäste nutzen zu wollen.

Im Streit um die Gebühr ist das letzte Wort ohnehin noch nicht gesprochen. Hinter den Kulissen laufen Gespräche zwischen den GDS-Anbietern und Lufthansa, aus denen aber noch nichts nach außen gedrungen ist. Eine Zielvorgabe für die Buchungszahlen über die eigenen Kanäle gebe es nicht, heißt es bei Lufthansa. Klar ist aber auch, dass die ertragsschwache Fluggesellschaft nicht auf allzu viele Passagiere verzichten kann.
© Christian Ebner, dpa; aero.de | 20.07.2015 07:21

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Beitrag vom 22.07.2015 - 16:33 Uhr
Mit wem legt sich LH eigentlich in letzter Zeit nicht an?? Das verursacht den grössten Imageverlust.
Beitrag vom 21.07.2015 - 23:37 Uhr
Ein externes Netzwerk für Vertrieb und Vermittlung war immer nur solange attraktiv, wie ein Anbieter selbst nicht genügend Reichweite hatte. Die großen Anbieter haben heute über das Internet genügend Reichweite. Es ist nur konsequent, die Reisebüros sukzessive auszuschalten und die Buchungen auf eigene Plattformen zu ziehen. Auch in anderen Bereichen sorgt das Internet für die Ausschaltung des Zwischenhandels.

Viele Reisebüros haben noch nicht begriffen, was da auf sie zukommt und jammern über den Verlust des alten Geschäftsmodells. Der geht aber so oder so vonstatten. General-Interest-Reisebüros werden kaum überleben. Hotels und die großen ReiseVeranstalter wie TUI haben wirtschaftlich auch kein Interesse an Zwischenhändlern. Sie sind nur solange geduldet, wie man sich selbst nicht stark genug fühlt. Buchungen auf eigenen Plattformen ist billiger und der direkte Kundenkontakt ist wertvoll. Das Reisebüros einen Beratungsvorteil bieten, ist ebenfalls eine Mär, zumindest sofern es General-Interest-Reisebüros anbetrifft, die von Malle, über Kreuzfahrten, Thailand, Australien bis Gorilla-Trekking in Ugnada alles verscherbeln. Überleben werden langfristig nur 10-20% der Reisebüros als hochspezialisierte Anbieter.



Guido3:
In welcher Welt leben Sie denn???
Wuerde ich gerne wissen, dahin ziehe ich auch! :-)
Haben Sie schon einmal ein Geschaeftsticket oder ein Ticket Rund um die Welt gesehen oder einen Flug gebucht der nicht nur 1 Airline beinhaltet aber mehrere Fluege pro Tag enthaelt?
Solche Tickets sind nur ueber eine Stelle zu buchen, weder Internet noch Airlineportale erlauben sowas .... daher wird LUFTHANSA bluten muessen fuer eine solche Entscheidung. Schadet nicht, denn nur aus Fehlern lernt man.
War alles in aehnlicher Form (ebenfalls LUFTHANSA) schon vor einigen Jahren mal da, damals wurde kurz vor knapp das von LUFTHANSA angebotene Preissystem fuer ausgewaehlte und vorher registrierte Reisebueros und Vertriebsstellen dann doch wieder gekippt.
In Reisebueros hat sich in den letzten 10 Jahren eine Menge getan, von Provision nun hin zu Entgelten um eine bestimmte (LH Group) Airlinegruppe buchen zu koennen?
LUFTHANSA braucht mal wieder einen Denkzettel.
I'm ready! :-)
TUI Reiseveranstalter OHNE Reisebueros ????? :-) Da koennte die TUI bald 50% des Personalstamms entlassen, denn nur mit dem Reisevertrieb kann dieser Konzern noch die eigenen Hotels und Fluege fuellen.
Sie haben da falsche Informationen und gerne wuerde ich auch wissen, woher Sie ihre Prognose aus 10-20% der zukuenftigen Reisebueros haben.
Beitrag vom 20.07.2015 - 10:39 Uhr
Na wenn das mal der LH nicht auf die Füße fällt. Die Lufthansa hat ja im Vergleich mit Ryanair und Germanwings einen deutlich höheren Anteil an Geschäftsreisenden. Diese buchen halt über GDS. Für sie ist es kaum möglich bei der schieren Menge an Buchungen jedes Mal ein anderes System zu konsultieren, um herauszufinden, was der jeweilige Flug bei einer Airline kostet. Easyjet und Ryanair gehen aktuell diesen Weg über GDS, weil man den Direktvertrieb eben viel besser bei Privatreisenden realisieren kann. Im Kampf um Geschäftsreisende gehen sie auf diese zu, die Lufthansa hingegen wendet sich von ihrem Stammpublikum ab...


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