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So will MTU den Getriebefan noch besser machen

MÜNCHEN - Im Rahmen von Clean Sky verantwortet MTU Aero Engines einen von fünf Triebwerksdemonstratoren. Der Münchener Triebwerkshersteller gewährte dem aero.de-Partnermagazin flugrevue.de exklusive Einblicke in die erprobten Zukunftstechnologien.

MTU-Triebwerksdemonstrator
MTU hat in München einen Triebwerksdemonstrator auf Basis eines PW1500G erprobt, © MTU

Noch bevor die erste Generation des Getriebefans von Pratt & Whitney Anfang 2016 auf den Markt kam, machten sich Ingenieure bei Partner MTU Aero Engines schon Gedanken darüber, wie sich die Triebwerksfamilie weiter verbessern lässt. Dazu fanden im Rahmen des europäischen Forschungsprogramms Clean Sky von Oktober bis Dezember 2015 in München Tests statt.

Der Triebwerksdemonstrator mit dem Namen SAGE 4 (Sustainable and Green Engines, nachhaltige und grüne Triebwerke) basiert auf dem PW1500G, das in der Bombardier CSeries zum Einsatz kommt, und wurde von Pratt & Whitney zur Verfügung gestellt. Nun hat MTU die Testergebnisse ausgewertet und für www.flugrevue.de exklusiv die erprobten Technologien erklärt.

Das Ziel von SAGE 4 ist ambitioniert: Der spezifische Treibstoffverbrauch soll noch einmal deutlich reduziert werden. Im Vergleich zum Referenz-Triebwerk IAE V2500 des Airbus A320 verbraucht das im Januar 2016 beim Airbus A320neo eingeführte PW1100G-JM bereits 16 Prozent weniger Kerosin. "Wir streben an, bis 2030 -25 Prozent zu erreichen", sagt Dr. Joachim Wulf, Chefingenieur Technologiedemonstratoren bei MTU. Kurzfristig soll der Treibstoffverbrauch um zwei bis drei Prozent reduziert werden.

Dafür hat der Münchener Triebwerkshersteller seit 2008 eine Reihe neuer Technologien entwickelt, die den Hochdruckverdichter und die schnelllaufende Niederdruckturbine noch effizienter machen sollen. Für beide Komponenten ist MTU bei der Getriebefan-Familie des US-Herstellers verantwortlich. Stellschrauben sehen die Ingenieure vor allem bei hitzebeständigen Materialien, neuen Herstellungsverfahren und Designanpassungen.

Versuche mit 3D-gedruckten Dichtungsträgern

Im Hochdruckverdichter von SAGE 4 wurden beispielsweise verschiedene Dichtungstechnologien erprobt, darunter Dichtungsträger aus hochtemperaturfestem, kohlefaserverstärktem Kunststoff mit Teflonschaum. "Sie halten rund 100 Grad Celsius mehr aus als die bisher im Verdichterbereich eingesetzten Kunststoffe", sagt Wulf. Gleichzeitig seien sie leichter und teilweise sogar günstiger in der Fertigung. "Die Tests waren sehr erfolgreich. Wir haben die Dichtungsträger anschließend auf Risse und interne Beschädigungen geprüft und keine negativen Erkenntnisse gewonnen", so Wulf.

Zum Einsatz kamen im Hochdruckverdichter zudem additiv gefertigte Dichtungsträger aus einer Nickel-Basislegierung. Sie wurden bei Testläufen mit konventionellen Dichtungsträgern verglichen, ebenfalls mit positiven Ergebnissen. Den Wirkungsgrad des Hochdruckverdichters konnten die MTU-Ingenieure auch dadurch verbessern, indem sie den Strömungswiderstand verringerten. Dafür wurden die Oberflächen von rotierenden und nicht-rotierenden Verdichterschaufeln poliert und mit einem Erosionsschutz versehen.

In der Niederdruckturbine wurde das Design der so genannte "Outer Cavities" verbessert. Das sind die offenen Räume zwischen dem eigentlichen Gaskanal und den statischen Gehäusebauteilen, die üblicherweise mit Hilfe von Labyrinthdichtungen zwischen dem Gehäuse und dem äußeren Schaufeldeckband abgedichtet werden. Durch das veränderte Design könne man die unvermeidlichen Leckageströme besser kanalisieren und Strömungsverluste verringern.

An weiteren neuen Technologien wird geforscht

Ein neues Dichtungsdesign aus einem leichtem Blech und einer Bürstendichtung wurde in der Niederdruckturbine getestet. Bisher wurden solche Dichtungen vor allem bei kleineren Durchmessern verwendet, wo die Relativgeschwindigkeit von bewegten zu statischen Teilen geringer ist. Im Vergleich zu den üblicherweise eingesetzten Labyrinthdichtungen hätten sie aber eine bessere Dichtwirkung, wodurch sich der Gesamtwirkungsgrad des Triebwerks erhöhe.

"Die Tests unter realen Triebwerksrandbedingungen mit maximaler Wärmeerzeugung im Dichtspalt waren erfolgreich", sagt Wulf. Erstmals untersuchten die MTU-Ingenieure auch den Einsatz von hitzeresistenten und leichten keramischen Verbundwerkstoffen. CMC-Bauteile wurden bei SAGE 4 als Isoliersegmente im Triebwerksgehäuse verbaut, um Erfahrungen mit diesem Material zu sammeln.

Im Anschluss an die verschiedenen Testläufe, bei denen insgesamt 600 Messstellen Daten lieferten, wurde der Demonstrator in seine Einzelteile zerlegt und intensiv untersucht. "Ziel eines solchen Tests ist es natürlich auch, zu lernen, was noch nicht wie gewünscht funktioniert und was folglich noch weiterentwickelt werden muss", sagt Wulf. Denn die Arbeit endet mit der Auswertung der Testdaten für die MTU nicht.

Auch im Rahmen des Nachfolgeprogramms Clean Sky 2, das seit 2014 bis 2021 läuft, sollen weitere Technologien entwickelt werden, um das ehrgeizige Ziel einer Treibstoffreduzierung um bis zu zehn Prozentpunkte im Vergleich zum jetzigen Getriebefan zu erreichen. Ob und wann die mit SAGE 4 erprobten Technologien in Serientriebwerken eingeführt werden, steht noch nicht fest.
© Ulrike Ebner / flugrevue.de | Abb.: MTU | 15.10.2016 06:17


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