Flug AA383
Älter als 7 Tage

NTSB findet Materialfehler in HDT-Scheibe

CHICAGO - Die Bilder gingen am 28. Oktober um die Welt: beim Start des American Flugs 383 in Chicago O`Hare zerlegte sich erst das rechte Triebwerk, dann explodierte ein Treibstofftank. Die US-Unfallermittlungsbehörde NTSB liefert nun eine Erklärung für den Zwischenfall mit 20 Leichtverletzten.

Als die Boeing 767-300 (N345AN) auf Startbahn 28R bereits auf 237 Stundenkilometer beschleunigt hatte, versagte rechte GE CF6-80 Triebwerk, erklärte das NTSB am Samstag. Die Piloten brachen den Start ab und brachten ihr Flugzeug innerhalb von 25 Sekunden zum Halt.

Evakuierung, © Jose Castillo / Twitter

Der offene Triebwerksschaden sei vermutlich Folge eines Materialfehlers in der sichergestellten Hochdruckturbinenscheibe, teilte das NTSB weiter mit. In der Legierung seien "interne Verunreinigungen" festgestellt worden, die offenbar zu einem vorzeitigen Ermüdungsbruch führten.

Die HDT-Scheibe war laut NTSB für 15.000 Starts zugelassen und hatte zum Zeitpunkt des Vorfalls in Chicago 10.984 Starts absolviert.

Beim Versagen des Triebwerks wurden enorme Kräfte freigesetzt: Bruchstücke der HDT-Scheibe trafen ein Lagerhaus in 890 Metern Entfernung zum Flugzeug. Die Explosion des Treibstofftanks ließ die rechte Tragfläche schmelzen. Im Flug hätte die Boeing vermutlich keine Chance mehr gehabt.

So kamen die 161 Passagiere und neun Crewmitglieder mit dem Schrecken davon. Bei der sofort eingeleiteten Evakuierung über die Notrutschen erlitten 20 Passagiere kleinere Blessuren.

Gesprungene GE6 HDT-Scheibe der Boeing 767 N345AN
Gesprungene GE6 HDT-Scheibe der Boeing 767 N345AN, © NTSB

Das CF6 gilt seit der Einführung in den 1970er Jahren als zuverlässiges Triebwerk. Laut GE sind aktuell weltweit rund 4.000 Triebwerke der Serie im Einsatz und haben mehr als 400 Millionen Flugstunden auf über 100 Millionen Flügen absolviert.

Der nun festgestellte Materialfehler lasse sich auf eine "geringe Anzahl" von HDT-Scheiben aus dem Produktionsjahr 1997 eingrenzen. Aktuell sei nur noch ein Triebwerk mit einer potenziell ebenfalls von dem Defekt betroffenen HDT-Scheibe im Einsatz.
© aero.de, Bloomberg | Abb.: NTSB | 07.11.2016 09:52

Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich bei aero.de registrieren oder einloggen.

Beitrag vom 09.11.2016 - 10:43 Uhr
Vielen Dank für die Erklärungen - echt Klasse!

Fazit:
hier müsste vielleicht noch etwas gemacht werden um Kabine und Flügel vor umherfliegenden (Triebwerks)teilen zu schützen. Aber vermutlich wird es eine 100%ige Absicherung niemals geben.
Richtig?
Beitrag vom 09.11.2016 - 10:23 Uhr

Nein, ein warum am Boden ist ueberhaupt nicht erklaert.

Das ganze kann genauso nur eine Minute spaeter in der Luft passieren.
Sie haben mir ihrer Erklaerung recht, aber sie koennen nicht wissen wann der Fehler auftritt. Der kann genauso gut erst ein paar Minuten nach dem Nutzen der Startleistung auftreten.
Der Lastwechsel ist ja nicht mal eben abgschlossen, das ganze erwaermt sich ja weiter, dazu wird die Luft kaelter.

Dann ist das Triebwerk aber schon ein Weile "stabil" gelaufen. Da kommen dann keine zusätzlich dynamischen Lastwechsel mehr hinzu..

Aber das können die Materialwissenschaftler besser erklären. In den Grundlagen habe ich verstanden, dass entweder der Lastwechsel oder eine dauerhafte (Über-)Be-Lastung zu einem Versagen eines Bauteiles führt.

Die Aussentemperatur ist bei "normalen" Bedingungen bei Jettriebwerken doch eher zu vernachlässigen. Am Boden, beim Start ergibt sich ein Limit durch die maximale EGT. Die wird aber tatsächlich nur bei max T/O-Power erreicht und in der Regel bei Kurz- und Mittelstrecken den heutigen Derated oder TASS/FLEX Starts gar nicht mehr erreicht. Das ist eher die Ausnahme... Diese Belastung tritt aber tatsächlich nur während des Starts auf, da diese maximal Leistung auf 5, bzw. 10 min limitiert ist.
Je höher man kommt, desto kälter ist ist die Aussenluft, desto größer wird der Abstand zur max EGT (Aussentemperatur + Verbrennung = >LIMIT)

Die dynamische Belastung ist mit der Beschleunigung des Triebwerks vom Leerlauf auf Startschub und während der ersten Sekunden am Boden mehr oder weniger abgeschlossen. Eventuelle Fehler treten statistisch hauptsächlich dort auf. Läuft das Triebwerk stabil mit Startschub ist "nur" noch die Maximalbelastung (EGT) das Limit.
Aus eigener Erfahrung waren die EGT-Limits bei ausgereizten Starts immer schon am Boden oder kurz nach Liftoff erreicht. Das hat sich dann eher langsam entwickelt, während ein echter Defekt direkt beim Beschleunigen, teilweise noch vor T/O-Power Set aufgetreten ist...



Quantas A380 ist ein ganz anderes Thema, weil das Triebwerk ja erst durch einen anderen Defekt beschaedigt wurde.
Ja, das ist richtig. Nur der Effekt war ähnlich...
Insgesamt sind wir bei der Thematik Triebwerksteile fliegen mit viel Energie umher in einem Bereich den wir nicht simulieren koennen.
Warum eigentlich nicht? Es ist doch ein relativ definierte Bereich, wo das passieren könnte. Je nach Triebwerk weniger als 1 m...
Ich sage mal das ein Durschlagen der Kabiene (wenn das Teil niemanden dirket trifft) auch nicht zwingend gefaehrlicher ist.
Das sieht der, der getroffen wird sicher anders;-)
Als Hauptgefahr bei solchen Schaeden ist wohl die Steuerung (also Ruder, Klappen,Leitwerke und deren Elektronik/Hydraulik) sowie der Fluegel selbst.
Deswegen gibt es ja die Redundanzen.... Aber man kann leider nicht alles berücksichtigen, sondern nur die "wahrscheinlichsten" Fälle...

Ich denke es war schon ein paar mal Gleuck dabei, das es glimpflich abging.

Das gebe ich Ihnen absolut Recht!

Dieser Beitrag wurde am 09.11.2016 10:31 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 09.11.2016 - 09:48 Uhr
Ich weiss nicht, aber mit etwas weniger Glueck haette Boeing in den letzten paar Jahren einige Totalverluste haben muessen.

Die ganzen B787 Braende, massig Glueck das nie so ein Feuer in der Luft ausgebrochen ist sondern die Maschienen immer am Boden in Flammen aufgegangen sind.

Die BA B772, die in Las Vegas abgebrannt ist.

Hier die B767.

Die Maschiene von SIA, B773.

Jedes Mal Glueck gehabt, das man den Flieger noch am Boden hatte bzw. nahe dran war.
3x Mal Triebwerk.

Irgendwie seltsam, so richtig erklaeren kann ich es mir nicht.
Klar, die B767 und die B777 kommen jetzt in ein Alter bei denen Teile langsam an ihre Auslegungsdauer kommen.

So ein Fertigungsfehler kommt vor, auch wenn er es nicht soll.
Trotzdem frage ich mich, ob bei Airbus anders ausgelegt wird, seit dem Quantas A380Vorfall weiss ich von keinem uncontained engine failure bei Airbus-jedenfalls nicht auf die schnelle.



Für das "Warum am Boden" hat doch schon ein Vorschreiber die Erklärung geliefert. Materialien wenn am meisten bei dynamischer Belastung beansprucht. Sprich, wenn man z.B. von Leerlauf auf Startschub geht. Eventuelle Fehler treten dann sehr schnell, massiv und dramatisch zu Tage.
Quantas war eher ungewöhnlich, weil der Fehler relativ spät, sprich in der Luft, passiert ist.
Ich denke man kann recht pauschal festhalten, dass die Ausfallwahrscheinlichkeiten für "dramatische" Triebwerksausfälle bei Startschub, Durchstarten, Steigschub, Reiseschub abfallend zu ordnen sind...
Ich schreibe bewusst nicht vom vorsichtshalber Abstellen durch die Crew;-)
Es gibt daher schon einen Grund, warum man im Simulator immer den Triebwerksausfall beim Start trainiert;-) Und bei mehr als 2 Motoren dann beim ersten G/A einen zweiten Motor kaputt simuliert;-)

Nein, ein warum am Boden ist ueberhaupt nicht erklaert.

Das ganze kann genauso nur eine Minute spaeter in der Luft passieren.
Sie haben mir ihrer Erklaerung recht, aber sie koennen nicht wissen wann der Fehler auftritt. Der kann genauso gut erst ein paar Minuten nach dem Nutzen der Startleistung auftreten.
Der Lastwechsel ist ja nicht mal eben abgschlossen, das ganze erwaermt sich ja weiter, dazu wird die Luft kaelter.

Das war reines Glueck.

Quantas A380 ist ein ganz anderes Thema, weil das Triebwerk ja erst durch einen anderen Defekt beschaedigt wurde.
Insgesamt sind wir bei der Thematik Triebwerksteile fliegen mit viel Energie umher in einem Bereich den wir nicht simulieren koennen.
Ich sage mal das ein Durschlagen der Kabiene (wenn das Teil niemanden dirket trifft) auch nicht zwingend gefaehrlicher ist.
Als Hauptgefahr bei solchen Schaeden ist wohl die Steuerung (also Ruder, Klappen,Leitwerke und deren Elektronik/Hydraulik) sowie der Fluegel selbst.

Ich denke es war schon ein paar mal Gleuck dabei, das es glimpflich abging.


Stellenmarkt

Schlagzeilen

aero.uk

schiene.de

Meistgelesene Artikel

Community

Thema: Pilotenausbildung

FLUGREVUE 03/2024

Shop

Es gibt neue
Nachrichten bei aero.de

Startseite neu laden