Lufthansa ausgebremst
Älter als 7 Tage

Kapstadts Langstrecke boomt auch ohne South African

KAPSTADT - Kapstadt hat nach dem Rückzug von South African Airways sein Langstrecken-Schicksal erfolgreich selbst in die Hand genommen. Lufthansa würde gerne auf dem Wachstumskurs mitfliegen, doch entsprechende Verhandlungen zwischen Südafrika und Deutschland sind gerade gescheitert.

Nach Informationen von aero.de sind kürzlich die Luftverkehrsverhandlungen zwischen Deutschland und Südafrika ins Leere gelaufen. Grund waren danach überzogene Forderungen Deutschlands nach mehr Frequenzen ans Kap.

Flughafen Kapstadt
Flughafen Kapstadt, © Andreas Spaeth

Denn der Kapstadt-Tourismus boomt und die Flüge sind voll - momentan fliegen Lufthansa und Condor nonstop von Frankfurt bzw. München nach Kapstadt.

Lufthansa sähe bei der Frequenz durchaus Luft nach oben. "Derzeit fliegen wir in der Hochsaison fünfmal wöchentlich jeweils von Frankfurt und München nach Kapstadt und würden das gern ausweiten, aber dafür haben wir im Moment nicht die nötigen Verkehrsrechte", sagte Lufthansa-Südafrika-Chef André Schulz aero.de.

Condor fliegt ganzjährig meist fünfmal wöchentlich ebenfalls Frankfurt-Kapstadt, Lufthansa außerdem ganzjährig täglich Frankfurt-Johannesburg. Übrig bleibt der Lufthansa-Gruppe derzeit eine wöchentliche Frequenz, die in der Wintersaison 2017/18 für einen danach wieder eingestellten Eurowings-Flug von Köln/Bonn ans Kap genutzt wurde.

Dass die Verbindungen nach Kapstadt heute so begehrt sind, war vor einigen Jahren alles andere als klar. 2012 gab die nationale Fluggesellschaft South African Airways (SAA) ihre einzige Langstreckenverbindung aus Kapstadt auf.

Denn SAA ist seit langem faktisch pleite und wird nur durch immer neuen Zahlungen aus dem Staatshaushalt am Leben erhalten.

In Europa fliegt SAA aus Johannesburg neben London nur noch Frankfurt und München täglich an, beide Deutschland-Strecken zählen nach Insider-Angaben zu den wenigen profitablen Langstrecken. Die zweite zuvor tägliche Frequenz nach Heathrow wurde im vergangenen Jahr eingestellt.

Sich im Überlebenskampf ein wichtiges Zubrot mit dem Verkauf oder der Vermietung lukrativer Slots in Heathrow zu sichern ist für SAA keine neue Strategie.

Die Aufgabe der Kapstadt-Langstrecke - im Wesentlichen auch ein Verkauf von "Tafelsilber". Heute ist klar: Sich aus dem lukrativen Markt Kapstadt in Sachen Langstrecken komplett zurückzuziehen und zu versuchen die Nachfrage einzig über den Hub Johannesburg zu lenken war vermutlich einer der größten Fehler in der wenig schillernden jüngeren Unternehmensgeschichte.

Schock in Kapstadt

Dabei war es zunächst Kapstadt selbst, das von der SAA-Entscheidung hart getroffen wurde. Helen Zille, die Premierministerin der Westkap-Provinz, erinnert sich sehr gut: "Das war ein Schock damals, als ich hörte dass die SAA ihre einzige Langstrecke aus Kapstadt einstellt. Wenn schon der eigene National Carrier ein derart offenes Misstrauensvotum ausspricht, wie überzeugt man dann ausländische Gesellschaften?".

Aber Politik und Wirtschaft in der von der oppositionellen Democratic Alliance-Partei regierten Westkap-Provinz sind zäh.

Zur Förderung des Flugverkehrs von und nach Kapstadt wurde 2015 wurde aus der Not heraus die Initiative "Cape Town Air Access" gegründet - als Abteilung der lokalen Wirtschaftsförderung.

British Airways und South African Airlines in Kapstadt
British Airways und South African Airways in Kapstadt, © Andreas Spaeth

Beteiligt sind an der Initiative sowohl Stadt- und Provinzregierung, der Flughafen, vielfältige private Unternehmen wie die berühmte "Waterfront" als Kapstadts Touristenmagnet oder Hotelketten, neuerdings sogar die staatliche Tourismusorganisation SA Tourism

"Das besondere daran ist, dass das ein One-Stop Shop ist, weil sich darin alle wesentlichen Player in Kapstadt bündeln", erklärt Projektmanager Paul van den Brink, ein aus Amsterdam-Schiphol geholter Fachmann. "Eine Airline bekommt bei Interesse also von einem einzigen Ansprechpartner alle nötige Unterstützung."

Acht neue Langstreckenpartner

Bereits 2015 legten die Beteiligten los, global für Kapstadt als Ziel von Langstreckenflügen zu werben. Mit durchschlagendem Erfolg. "Seither haben wir acht neue internationale Airlines ans Kap geholt, darunter zuletzt Austrian Airlines, Cathay Pacific und RwandAir", sagt Paul van den Brink.

Allein 2018 gab es von sieben Airlines Ausweitungen ihrer Frequenzen, darunter von Condor, Edelweiss und Singapore Airlines, was zusammen insgesamt 150.000 zusätzliche Flugsitze bedeutete.

Die im Herbst 2018 aufgenommenen saisonalen Flüge von Austrian und Cathay ließen sich beide so gut an, dass sie zum nächsten Südsommer fortgesetzt werden.

"Bei uns sind vor allem die Sitze in Business und Premium Economy Class immer voll", so Rupert Kraus, Chef der Netzwerkplanung für Afrika bei Austrian und für die gesamte Lufthansa Group in Wien.

Auch das ist eine der Besonderheiten des Marktes Kapstadt, der primär Urlauber als Passagiere generiert: Die hohe Nachfrage in Premiumklassen, entscheidend für Airlines um Flüge profitabel zu machen.

Kapstadt verzeichnete im vergangenen Jahr 305.000 internationale Passagiere in Business Class, ein Anstieg von 15 Prozent. Zweitgrößter Markt insgesamt (mit 230.000 Passagieren) und auch für Premium-Tickets ist Deutschland mit allein 30.000 Business-Passagieren von und nach Kapstadt in 2018.

"Etliche unserer Kunden fliegen sogar extra über Johannesburg, um von dort in der Lufthansa-First Class zu reisen, die wir ab Kapstadt in der A340-300 und A350 nicht anbieten", erklärt André Schulz.

RwandAir in Kapstadt
RwandAir in Kapstadt, © Andreas Spaeth

Seit 2015 sorgten die von Air Access akquirierten neuen internationalen Flüge ans Kap für rund 365 Millionen Euro an direkten Touristenausgaben und eine Verdoppelung des internationalen Sitzplatzangebots.

Im vergangenen Jahr verzeichnete Kapstadt, Afrikas drittgrößter Flughafen nach Johannesburg und Kairo, 2,6 Millionen internationale Passagiere, was trotz vielbeachteter Wasserkrise einen Anstieg von fast 10 Prozent bedeutete.

Das Wachstum kam ausschließlich durch Langstreckenflüge, denn die Gesamtzahl der abgefertigten Passagiere stieg im gleichen Jahr um nicht einmal ein Prozent auf 10,7 Millionen.

Unterdessen bereitet sich der Flughafen auf weiteres Wachstum vor. Bis 2023 entsteht eine neue, 3.500 Meter lange Start- und Landebahn, länger als die bisherige Hauptbahn, sowie eine Terminalerweiterung.

Ob bis dahin die nationale Fluggesellschaft SAA noch existiert und mit Langstrecken ans Kap zurückkehrt ist ebenso offen wie eine Einigung zwischen Südafrika und Deutschland bei ihren Luftverkehrsverhandlungen.
© Andreas Spaeth für aero.de | Abb.: Andreas Spaeth | 30.03.2019 07:42

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Beitrag vom 31.03.2019 - 21:00 Uhr
Erfahrung zeigt das sich Städte die vom Nationalcarrier vernachlässigt wurden besser entwickeln wenn diese anderen Airlines Platz machen: Genf, Basel, Kapstadt, Düsseldorf (Langstrecke), Barcelona

Düsseldorf ist aber nur Richtung Asien, dann wiederum über die Joint Ventures von LH+ANA, LH+CA, und LH+SIA, stark. Und schon verdient LH kräftig mit.

Richtung Amerika sieht es ja eher mau aus.
Beitrag vom 31.03.2019 - 16:03 Uhr
Erfahrung zeigt das sich Städte die vom Nationalcarrier vernachlässigt wurden besser entwickeln wenn diese anderen Airlines Platz machen: Genf, Basel, Kapstadt, Düsseldorf (Langstrecke), Barcelona


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