FRANKFURT - Hunderttausende Menschen sind rund um Frankfurt von Fluglärm betroffen. Zur Ferienzeit wird es nun noch etwas lauter. Als Gegenmaßnahme haben Bürgerinitiativen Kurzstrecken-Flüge im Visier - und fordern ein um zwei Stunden verlängertes Nachtflugverbot für das Lufthansa-Drehkreuz.
Der kurze Flug von Außenministerin Annalena Baerbock von Frankfurt nach Luxemburg hat für viel Kritik gesorgt - ausgerechnet eine Grünen-Politikerin, die für eine überschaubare Strecke ein Flugzeug benutzt und deren Flug nach Beginn der Frankfurter Nachtflugbeschränkung startet.
Das Ministerium verwies zur Begründung auf eine enge Taktung von Reisen. Die Aufregung um den Flug sei ein gutes Zeichen, sagt Ursula Fechter von der Bürgerinitiative Frankfurt-Sachsenhausen: "Das zeigt, dass die Menschen hier kritisch sind."
Dennoch: Der Flug hätte nicht genehmigt werden dürfen, meint Fechter. Die Initiativen, die sich rund um den Frankfurter Flughafen für eine Lärmreduzierung einsetzen, haben Kurzstreckenflüge im Visier. Mit der Reduzierung dieser Flüge könne die Zahl der Flugbewegungen ganz einfach gesenkt werden, sagt Wolfgang Heubner von der Bürgerinitiative.
Sehr laute EinzelwerteEs gebe viel zu viel Fluglärm rund um den größten deutschen Flughafen. Eine Million Menschen seien von Lärm und Schadstoffemissionen betroffen, auch in Rheinland-Pfalz. Sehr stark betroffen seien rund 50.000 Menschen, schätzen die Bürgerinitiativen. Jetzt zur Haupt-Reisezeit steige der Lärm zudem an.
Kurzstrecken machten in Frankfurt rund ein Viertel des Aufkommens aus, sagt Heubner. Im vergangenen Jahr seien dies mehr als 110.000 Starts und Landungen gewesen, darunter Flüge zu Zielen wie München und Stuttgart, bei denen die Bahn das schnellere Verkehrsmittel wäre: "Mit der Bahn kommt man ja in aller Regel in der Innenstadt an und muss auch nicht schon weit vor dem Start vor Ort sein", sagt Heubner. Die Corona-Pandemie habe zudem gezeigt, dass Video-Konferenzen Dienstreisen ersetzen könnten.
Zusammenarbeit mit der KlimabewegungAngesichts der Klimakrise sei die Zeit reif, dass sich etwas ändere, findet Heubner. Fliegen sei die umwelt- und klimaschädlichste Fortbewegung. Hinzu komme die Schadstoffbelastung. Um etwas zu bewegen, sei Druck aus der Bevölkerung auf die Politik nötig.
"Die Einzigen, die etwas bewegen können, sind die Politiker", sagt Heubner. Die Bürgerinitiativen arbeiteten dazu auch mit Bürgerinitiativen anderer Flughäfen sowie Klimabewegungen zusammen, darunter Fridays for Future.
Wichtiger Adressat sei der neue hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Kaweh Mansoori (SPD): "Hier wollen wir unsere Forderungen im Gespräch noch einmal klarmachen", sagt Heubner. Dazu gehört die Ausweitung des Nachtflugverbots auf 22.00 bis 6.00 Uhr, bisher erstrecken sich die Beschränkungen auf die sechs Stunden zwischen 23.00 und 5.00 Uhr.
Mindestens müsse es aber mehr Ruhe in den Randstunden von 22.00 bis 23.00 Uhr sowie zwischen 5.00 und 6.00 Uhr geben, fordern die Initiativen.
Strenge Überwachung von NachtflugverbotDie geltenden Nachtflugbeschränkungen würden im Ministerium streng überwacht, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage. Eine Ausweitung sei in dieser Legislaturperiode nach der Koalitionsvereinbarung nicht beabsichtigt. Zum Thema Kurzstrecken hieß es, dass der Frankfurter Flughafen bereits "eine hervorgehobene Verbindung mit dem Fernstreckennetz der Bahn" habe, dies solle weiter erhöht werden. Einzelheiten dazu wurden nicht mitgeteilt.
Zur Reduzierung von Fluglärm setze man auf die Änderung von Flugrouten, um Überflüge aus besonders dicht besiedelten Gebieten zu verlagern. Auch die Frage, ob durch Digitalisierung und neuartige Navigationsverfahren Lärm reduziert werden könne, solle ausgelotet werden. Dem Ministerium sei bewusst, dass viele Menschen in der Rhein-Main-Region stark von Fluglärm betroffen seien, erklärte die Sprecherin.
Im Vor-Corona-Jahr 2019 gab es nach Zahlen des Flughafenbetreibers Fraport einen Höchstwert von fast 514.000 Starts und Landungen. Im Jahr 2022 waren es rund 382.000.
Die Mainzer Umwelt- und Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) setzt für die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt auf den in den Sommerferien begonnenen Probebetrieb des sogenannten Segmented Approach. Mit diesem Verfahren würden "viele Hochbetroffene in Mainz" entlastet, sagt Steinkrüger, auch Vorstandsmitglied der Frankfurter Fluglärmkommission (FLK) und ehemalige Umweltreferentin in der Main-Metropole.
Bei dem Verfahren werden die dicht besiedelten Zentren Offenbach/Hanau und Mainz durch eine alternative Anflugroute in der Zeit ab 22.00 Uhr entlastet.
Allerdings habe der Protest anderer Kommunen auch gezeigt, wie schwierig es beim aktiven Schallschutz sei, wenn es zu solchen Verlagerungen von Flugbewegungen komme, sagt Steinkrüger. "Es ist gut, dass die FLK hier schon seit Jahren einvernehmlich handelt." Es mache aber auch deutlich, "dass der beste aktive Schallschutz immer noch jedes Flugzeug weniger am Himmel ist".
Daher fordere auch die Landeshauptstadt Mainz weiterhin "die Einhaltung der gesetzlichen Nacht von 22.00 bis 6.00 Uhr".
© dpa | Abb.: Lufthansa | 26.07.2024 11:51
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Beitrag vom 28.07.2024 - 09:58 Uhr
Auch das eine sehr interessante und sachliche (bis auf einige Foristen die sich im Ton vergreifen) Diskussion.
Ich bin von diesem Problem glücklicherweise nur selten betroffen (wenn die Winde entsprechend sind, starten oder landen einige - je nach wohin oder von wo - Flieger über meine Wohnung (DG)).
Ich hatte aber vor kurzem ein extremes Erlebnis, welches mir die Dimension/ die Problematik für davon unmittelbar Betroffenen eindrucksvoll aufzeigte.
Am Tag des Fussball EM Endspieles spielte ich Golf auf einem genau neben dem BER liegenden Platz.
Ich empfinde es normalerweise - als Flugzeugfan - immer als nette Abwechslung dabei, startenden und landenden Fliegern aus solcher Nähe zu beobachten.
Aber an diesem Tag fand das 'gefühlt' aller 30 Sekunden statt, also sicher vergleichbar mit FRA täglich.
Das störte in dieser Quantität sogar mich (was jetzt bitte nicht falsch verstanden wird!) und dadurch habe ich zum ersten Mal die wirkliche Dimension/ Wucht, welches dieses Problem für unmittelbar Betroffene darstellen kann, wahrgenommen.
Da ich als Kind in der DäDäRäh unmittelbar an einer Bahnstrecke wohnte (in der DDR wurde viiiiel mehr Verkehr, insbesondere auch Güterverkehr über die Schiene, mit veralteter Technik und Lärmschutz gab es auch nicht, abgewickelt als heute), glaube ich einschätzen zu können, dass das eine andere Art 'Lärmbelästigung' ist, als startende und landende Flieger.
Nichtsdestotrotz möchte ich betonen:
an diesen Problemen muss dringend nachgebessert/gearbeitet werden und zwar nicht nur im Sinne der unmittelbar betroffenen Menschen.
Denn Lärm, in welcher Form auch immer, ist Umweltbelastung, deren Folgen für Flora und Fauna ebenfalls verheerend sein können bzw. bereits sind. Daher: nicht immer nur von der Sicht des Menschen ausgehen, Stichwort Lärmbelastung durch Schiffe im Meer und u.a..
Aber das würde jetzt zu weit führen und passt nicht unmittelbaren zum hiesigen Thema.
Beitrag vom 28.07.2024 - 09:35 Uhr
Mit Ausnahme von denen die im/in diesen/er Gebiet/en um den Flughäfen schon vor dem Bau gelebt haben, Mehrheit hat dort gebaut NACH der Eröffnung des Flughafens. Und ausgerechnet diese sind jetzt am lautesten! Kenne die Situation in und um FRA nicht so gut, aber umso besser in und um MUC. Und dort gilt die Ausrede "wir wussten nicht", "keiner hat uns gesagt" und ähnliches definitiv nicht! Meine Freunde haben vor 25 Jahren ein Haus direkt in der An-/Abflugsschneise von TXL gekauft, wussten ganz genau worauf sie sich einlassen und haben geduldig gewartet bis BER fertig war. Allerdings hat das Haus damals um etwa 20% weniger gekostet als ein vergleichbares in einer anderen Lage.
In Frankfurt war das eher umgekehrt.
Da wurde 2011 durch die Inbetriebnahme der NW-Bahn ein großer Bereich des RMG, der vorher querab der Anflugschneisen und damit trotz FRA vergleichsweise leise und teuer war, neu verlärmt, mit entsprechenden Wertverlusten für alle Eigentümer.
Der oft kolportierte Neubau in den betroffenen Gemeinden findet dagegen nur in sehr engen Grenzen statt, da man in den festgesetzten Lärmschutzbereichen zwischen Lämmerspiel und Mainz Oberstadt und runter bis etwa Pfungstadt nicht mal mehr so ohne weiteres eine Baugenehmigung bekommt - wegen unzumutbaren Fluglärms.
https://wirtschaft.hessen.de/verkehr/luftverkehr/laermschutzbereich-flughafen-frankfurt
Beitrag vom 28.07.2024 - 08:53 Uhr
@EricM
Bei den Anwohnern – okay. Das gestehe ich Ihnen zu.
Wofür ich kein Verständnis habe, ist das Bohei, dass Kommunen und Initiativen im größeren Umkreis von Flughäfen machen. Ich lebe 22km von FRA entfernt, in der Einflugschneise, und finde es lächerlich, wenn sich hier Initiativen zusammenrotten, Fluglärm beklagen und vor Verwaltungsgerichte ziehen.
Vor fünfzig Jahren wäre das vielleicht angemessen gewesen, aber nicht heute. Ich sitze gerade auf meiner Terrasse, wurde eben von einer B744 in 3750 Fuß überflogen, und kann mich weiter in Zimmerlautstärke unterhalten. Das ist keine Belastung, gegen die unsere Gemeinde mit unseren Steuergeldern zu Felde ziehen müsste.
Da ist bitte die 5 km entfernte A3 wesentlich schlimmer.
Die Wahrnehmung von Belastung - was ist eine und was ist keine - ist denke ich sehr subjektiv und sehr von lokalen Gegebenheiten abhängig.
Ich kenne Leute in Raunheim, die meinen, so schlimm ist der Lärm doch gar nicht und andere weit hinter Mainz, also vergleichbar mit Ihrer Situation, die Fluglärm (Landungen bei Ostbetrieb) als große Belastung wahrnehmen.
Was da neben dem persönlichen (Rest-) Hörvermögen und Psychologie auch mit reinspielt, ist natürlich auch die vielfältige Weise, in der Lärm von Hausdächern und -Wänden innerhalb von Ortschaften gestreut oder konzentriert werden kann, das kann innerhalb von ein paar Metern zu deutlich anderen Messwerten des gleichen Lärmereignisses führen.
Letztlich muss jeder für sich selbst entscheiden, was für ihn OK ist und was nicht und wogegen man sich engagiert.
Kommentare (17) Zur Startseite
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Ich bin von diesem Problem glücklicherweise nur selten betroffen (wenn die Winde entsprechend sind, starten oder landen einige - je nach wohin oder von wo - Flieger über meine Wohnung (DG)).
Ich hatte aber vor kurzem ein extremes Erlebnis, welches mir die Dimension/ die Problematik für davon unmittelbar Betroffenen eindrucksvoll aufzeigte.
Am Tag des Fussball EM Endspieles spielte ich Golf auf einem genau neben dem BER liegenden Platz.
Ich empfinde es normalerweise - als Flugzeugfan - immer als nette Abwechslung dabei, startenden und landenden Fliegern aus solcher Nähe zu beobachten.
Aber an diesem Tag fand das 'gefühlt' aller 30 Sekunden statt, also sicher vergleichbar mit FRA täglich.
Das störte in dieser Quantität sogar mich (was jetzt bitte nicht falsch verstanden wird!) und dadurch habe ich zum ersten Mal die wirkliche Dimension/ Wucht, welches dieses Problem für unmittelbar Betroffene darstellen kann, wahrgenommen.
Da ich als Kind in der DäDäRäh unmittelbar an einer Bahnstrecke wohnte (in der DDR wurde viiiiel mehr Verkehr, insbesondere auch Güterverkehr über die Schiene, mit veralteter Technik und Lärmschutz gab es auch nicht, abgewickelt als heute), glaube ich einschätzen zu können, dass das eine andere Art 'Lärmbelästigung' ist, als startende und landende Flieger.
Nichtsdestotrotz möchte ich betonen:
an diesen Problemen muss dringend nachgebessert/gearbeitet werden und zwar nicht nur im Sinne der unmittelbar betroffenen Menschen.
Denn Lärm, in welcher Form auch immer, ist Umweltbelastung, deren Folgen für Flora und Fauna ebenfalls verheerend sein können bzw. bereits sind. Daher: nicht immer nur von der Sicht des Menschen ausgehen, Stichwort Lärmbelastung durch Schiffe im Meer und u.a..
Aber das würde jetzt zu weit führen und passt nicht unmittelbaren zum hiesigen Thema.
In Frankfurt war das eher umgekehrt.
Da wurde 2011 durch die Inbetriebnahme der NW-Bahn ein großer Bereich des RMG, der vorher querab der Anflugschneisen und damit trotz FRA vergleichsweise leise und teuer war, neu verlärmt, mit entsprechenden Wertverlusten für alle Eigentümer.
Der oft kolportierte Neubau in den betroffenen Gemeinden findet dagegen nur in sehr engen Grenzen statt, da man in den festgesetzten Lärmschutzbereichen zwischen Lämmerspiel und Mainz Oberstadt und runter bis etwa Pfungstadt nicht mal mehr so ohne weiteres eine Baugenehmigung bekommt - wegen unzumutbaren Fluglärms.
Bei den Anwohnern – okay. Das gestehe ich Ihnen zu.
Wofür ich kein Verständnis habe, ist das Bohei, dass Kommunen und Initiativen im größeren Umkreis von Flughäfen machen. Ich lebe 22km von FRA entfernt, in der Einflugschneise, und finde es lächerlich, wenn sich hier Initiativen zusammenrotten, Fluglärm beklagen und vor Verwaltungsgerichte ziehen.
Vor fünfzig Jahren wäre das vielleicht angemessen gewesen, aber nicht heute. Ich sitze gerade auf meiner Terrasse, wurde eben von einer B744 in 3750 Fuß überflogen, und kann mich weiter in Zimmerlautstärke unterhalten. Das ist keine Belastung, gegen die unsere Gemeinde mit unseren Steuergeldern zu Felde ziehen müsste.
Da ist bitte die 5 km entfernte A3 wesentlich schlimmer.
Die Wahrnehmung von Belastung - was ist eine und was ist keine - ist denke ich sehr subjektiv und sehr von lokalen Gegebenheiten abhängig.
Ich kenne Leute in Raunheim, die meinen, so schlimm ist der Lärm doch gar nicht und andere weit hinter Mainz, also vergleichbar mit Ihrer Situation, die Fluglärm (Landungen bei Ostbetrieb) als große Belastung wahrnehmen.
Was da neben dem persönlichen (Rest-) Hörvermögen und Psychologie auch mit reinspielt, ist natürlich auch die vielfältige Weise, in der Lärm von Hausdächern und -Wänden innerhalb von Ortschaften gestreut oder konzentriert werden kann, das kann innerhalb von ein paar Metern zu deutlich anderen Messwerten des gleichen Lärmereignisses führen.
Letztlich muss jeder für sich selbst entscheiden, was für ihn OK ist und was nicht und wogegen man sich engagiert.