Newark-Sydney nonstop
Älter als 7 Tage

Ein Versuchskaninchen erzählt

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QF7879, © James D. Morgan / Qantas

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SYDNEY - Knapp zwanzig Stunden und 16.200 Kilometer nonstop: Bloomberg-Journalist Angus Whitley war beim ersten Qantas-Testflug von New York nach Sydney an Bord. Mit den Feldversuchen will Qantas die Linientauglichkeit der Ultralangstrecke beweisen. Ein Bericht über Gymnastik, Disziplin - und eine Vision.

Es ist kurz nach 21 Uhr in New York - unser Flugzeug ist gerade gestartet und hat sich bereits in ein fliegendes Labor verwandelt. Das Ziel besteht darin, dass wir uns so schnell wie möglich der Zeitzone am Zielort anpassen, deswegen wird die Uhr sofort auf Sydney-Zeit gestellt.

Das heißt auch: schlafen unerwünscht. Die Lichter bleiben an und wir sollen mindestens noch sechs Stunden wach bleiben - bis es auch in Australien Abend ist. Das bringt manche Passagiere sofort in Schwierigkeiten.

In einem Bereich der Business Class folgen sechs Qantas-Stammkunden einem vorgefertigten Plan, der ihre Mahlzeiten taktet (und den Konsum von Alkohol einschränkt), Übungen und Schlaf vorgibt.

Sie tragen Bewegungs- und Lichtleser an den Handgelenken und wurden gebeten, ihre Aktivitäten zu protokollieren. Sie stehen bereits seit Tagen unter Beobachtung und werden insgesamt 21 Tage lang überwacht.

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QF7879, © James D. Morgan / Qantas

Die meisten beschäftigen sich mit Filmgucken oder Lesen, aber einer von ihnen ist innerhalb weniger Minuten eingeschlafen. Um fair zu sein: ich fühle seinen Schmerz. Kann ja sein, dass es in Sydney noch hellichter Tag ist, aber mein Körper sagt mir, dass es in New York auf Mitternacht zugeht.

Zwei Stunden geschafft

Es ist Fütterungszeit und ein Schlüsselmoment des Experiments. Die speziell entwickelten Gerichte sollen mich aufheitern, und eine geschmackvolle Portion pochierter Garnelen mit Chili und Limette wirkt wie ein sanfter kulinarischer Schlag ins Gesicht.

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QF7879, © James D. Morgan / Qantas

Würziger Kabljau nach chinesischer Art mit Jasminreis und Sesamsamen wiederholt die explosive Wirkung. Jetzt bin erstmal wach. Alle vierzig Passagiere, einschließlich der Journalisten, sitzen in der Business Class.

Bei so wenigen Passagieren braucht niemand in der Economy Class zu fliegen. Sollte das "Projekt Sonnenaufgang" und damit die linienmäßigen Ultralangstreckenflüge Wirklichkeit werden, wird es auch in der Economy Class mehr Beinfreiheit geben als sonst, erzählt mir Qantas-Chef Alan Joyce. Auch ein bisschen Platz im Heck soll eingeplant werden, damit die Passagiere sich etwas bewegen können.

Die sechs menschlichen Versuchskaninchen, die im Mittelpunkt des Experiments stehen, sind auf einer Seite der Business Class untergebracht. Ich will selbst eine Reihe von Tests durchführen um zu sehen, wie es um meinen Körper bestellt ist.

Vor dem Flug habe ich mit einem Reisearzt gesprochen - jetzt bin ich mit einem Blutdruckmessgerät, einem Herzfrequenzmesser und einem Gerät zur Evaluierung des Sauerstoffgehalts im Blut ausgestattet. Außerdem habe ich einen Gedächtnistest dabei und einen Fragebogen, der meine Stimmung abbilden soll.

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QF7879, © James D. Morgan / Qantas

Ich will wissen, ob ein Flug dieser Länge mein Gehirn schwächt oder meine Stimmung trübt. Die Test, die ich alle drei Stunden durchführe, spiegeln die Herausforderungen dieser Reise wider. Mein Blutdruck ist erhöht, wenn auch nicht hoch, und mein Herz schlägt schneller. Meine Stimmung ist gut, aber langsam trübt sie sich.

Drei Stunden geschafft

Die körperliche Anstrengung dieses Experiments liegt auf der Hand. Um mich herum stehen Passagiere, nur, um nicht einzuschlafen. Die Crew wurde gebeten, Schlaftagebücher zu führen und iPads zu verwenden, um ihre Müdigkeit, Reaktionszeiten, Arbeitsbelastung und Stress zu bewerten.

Der schläfrige Vielflieger an der Spitze des Flugzeugs ist wieder eingenickt. Ich finde dieses Regiment hart, und ich sitze nicht mal in der Economy Class.

Vier Stunden geschafft

Marie Carroll, Professorin an der Universität Sydney und zuständig für die Forschung an den Passagieren, versammelt ihre Truppen auf der Rückseite des Flugzeugs. "Jetzt müssen wir das wirklich durcharbeiten, Leute", sagt sie ihnen.

Wenige Augenblicke später lehnen sie sich gegen die Speisewagen in der Kombüse und strecken sich. Dann führen sie aufrechte Liegestütze zwischen den leeren Economy-Plätzen durch. Zum Abschluss versuchen sie sich an synchronisierten Tanzbewegungen in den Gängen. Alles im Namen der Wissenschaft.

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QF7879, © James D. Morgan / Qantas

Es sieht aus wie ein Cabaret, aber mit Jet Lag fertig zu werden ist ein ernste Angelegenheit. Denn der bedeutet Experten zufolge nicht nur schlaflose Nächte und müde Tage sondern bringt auch Herzfunktion und Kreislauf durcheinander.

Sieben Stunden geschafft

Es gibt eine zweite Mahlzeit. Zweimal kurz hintereinander gefüttert zu werden, lies mir die Zeit während des ersten Teils des Fluges schneller vergehen. Dieser Teil der Mahlzeit sollte den zweiten Teil auch schneller vergehen lassen: Er ist voller schwerer Kohlenhydrate und darauf ausgerichtet uns schläfrig zu machen.

Die Süßkartoffelsuppe mit Crème fraiche ist dick und luxuriös, das getoastete Käsebrötchen nicht so. Der Küchenchef des Flugs erzählt mir, dass er unser Essen drei Tage lang vorbereitet hat.

Endlich wird das Licht gedimmt - es fühlt sich an wie eine Erlösung. Ich falle für sechs Stunden in tiefen Schlaf. So lange habe ich noch nie auf einem Flug geschlafen, nicht mal in einem privilegierten Business Class-Sitz.

Vierzehn Stunden geschafft

Meine eigenen medizinischen Tests liefern durchweg gute Ergebnisse. Mein Blutdruck ist wieder normal. Mein Herz schlägt wieder langsamer, ich schaffe den Gedächtnistest und mein Fragebogen bescheinigt mir eine bessere Stimmung als vorhin.

Alan Joyce will den Rhythmus dieses Testflug auch auf andere Langstreckenflüge ausweiten, wenn sich herausstellen sollte, dass er gegen Jetlag hilft.

Siebzehn Stunden geschafft

Zeit für's Frühstück, und hier gibt's keine olle Wurst. Stattdessen eine Schale mit Urkörnern, Avocado-Püree, warmen Haloumi-Käse und ein Kräutersalat. Dieser Flug dreht alles auf den Kopf.

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QF7879, © James D. Morgan / Qantas

Nick Mole, einer der Vielflieger, sagt, er habe fast acht Stunden geschlafen und fühle sich gut. Ob er nach der Landung den ganzen Tag arbeiten könnte? "Wahrscheinlich schon", sagt er. Schwieriger könne es an den darauffolgenden Tagen werden.

Vorbereiten zur Landung

Es geht mir jetzt besser als vor ein paar Tagen, als ich mit einem Zwischenstopp von Sydney nach New York geflogen bin.

Den etwa zwölf Stunden, die es dauerte, um Los Angeles zu erreichen, folgten eineinhalb Stunden an der Passkontrolle mit Hunderten von anderen zombifizierten Reisenden.

Beim Landeanflug spricht Joyce mit allen Passagieren. Das Experiment habe ihn zuversichtlich gestimmt, dass das "Projekt Sonnenaufgang" realisierbar sei. In Sydney ist es jetzt Mittag. Ich fühle mich matt, aber längst nicht platt und könnte sogar nich einen Kindergeburtstag überstehen - sicher ein allseits anerkannter Nerventest.

Ich persönlich würde einen Direktflug von Sydney nach New York einem mit einem Zwischenstopp vorziehen. Aber sicher ist das nicht für jeden was. Es erforderte eine gute Portion Disziplin, in den ersten Stunden des Flugs nicht zu schlafen. Sicher hatte es einen Vorteil, gleich nach dem Start die Zeit umzustellen. Aber es hatte auch seinen Preis. Ich fühle mich, als hätte ich mir das verdienen müssen.
© Angus Whitley/Bloomberg, aero.de | Abb.: Qantas | 27.10.2019 07:56

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Beitrag vom 27.10.2019 - 22:13 Uhr
Loadfactor QF9, 92% in Y und 94% in C. Scheint nicht zu stören.
Beitrag vom 27.10.2019 - 21:46 Uhr
Ich kann followme nur zustimmen.

Das ist nichts anderes als kostenlose Werbung für Qantas. Für Business Gäste ist der Flug sicherlich sehr angenehm, in der Eco ein Horror. Auch aktuell fliegt ja Qantas schon Ultralangstrecke mit normalen Eco. Man sollte wie Singapore das nur mit Premium Eco und Business machen.

Ich hatte selbst auch schon einmal einen Flug mit 17:20 in einer A340-500. In der Business war der Flug sehr angenehm. Ich konnte auch lange schlafen. Die Gäste in der Premium Eco waren da schlechter dran. Und normale Eco hat Singapore ja schon damals zum Glück nicht verbaut.
Beitrag vom 27.10.2019 - 16:16 Uhr
Diese Testflüge können sicher Erkenntnisse bringen. Inwieweit diese dann angewendet werden können / wollen / sollten weiß ich nicht. Qantas ist ja letztendlich da, um die Dienstleistung "Transport" anzubieten und damit Geld zu verdienen. Bei diesen Testflügen ist sicherlich der "Marketinggedanke" nicht ganz hinten angestellt.


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