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Bislang drei Interessenten für Condor

Condor Airbus A320
Condor Airbus A320, © Martin Rogosz

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FRANKFURT - Im Bieterverfahren um den angeschlagenen Ferienflieger Condor sind nach Medien-Informationen bislang drei ernsthafte Interessenten im Rennen. Übereinstimmend berichteten "Wirtschaftswoche" und "Der Spiegel" am Donnerstag über die polnische Fluggesellschaft LOT und den US-Finanzinvestor Apollo.

Letzterer soll gemeinsam mit deutschen Reiseveranstaltern und einem Co-Investor am Start sein. Als dritten Bieter nannte "Der Spiegel" die britische Investmentgesellschaft Greybull.

Condor und ihr Sachwalter Lucas Flöther lehnten ihrerseits Kommentare ab. Das Bieterfeld ist nach dpa-Informationen noch offen, denn erst in der kommenden Woche sind verbindliche Angebote fällig. Es können noch weitere Bieter hinzukommen oder bereits genannte aussteigen.

Die einst zum insolventen Reiseveranstalter Thomas Cook gehörende Fluggesellschaft hält sich derzeit nur mit einem staatlichen Überbrückungskredit über 380 Millionen Euro in der Luft und sucht nach einem neuen Investor.

Die Airline will in der derzeitigen Eigenverwaltung ihre Kosten nachhaltig senken, um Käufer von der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu überzeugen. Dazu wurden Sanierungstarifverträge mit allen relevanten Gewerkschaften abgeschlossen. In der Verwaltung wurden 170 Stellen abgebaut und bei den Flugbegleitern 150 Stellen.
© dpa-AFX | Abb.: Condor, Flughafen Düsseldorf | 16.01.2020 17:38

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Beitrag vom 18.01.2020 - 14:53 Uhr
Bitte nicht LOT - dann sind die Arbeitsplätze schneller in Polen als man LOT sagen kann...
Beitrag vom 17.01.2020 - 11:39 Uhr
Großartige Analyse, nicci. Tatsächlich scheint der Deal für LOT mehr Sinn zu ergeben, als ich es zunächst gesehen habe.
Beitrag vom 17.01.2020 - 11:24 Uhr
Ja, ich bin auch überrascht darüber, daß Lot unter den Bietern ist - eine zweite Basis (FRA) werden die sich wohl kaum dauerhaft ans Bein binden, erst recht nicht eine Airline, deren Arbeitsbedingungen und Umgang mit den Mitarbeitern sich so diametral von denen der Stammbelegschaft unterscheidet. Condor wird in dem Fall wohl kaum erhalten werden.

Aber auch die Finanzinvestoren sind keine tolle Perspektive, denn deren Geschäftsmodell ist stets Kaufen - Eigenkapital herausziehen - filetieren - teurer weiterverkaufen.

Ich sehe keinen, der willens und in der Lage wäre, die Condor zu kaufen, um sie so wie sie ist weiterzubetreiben. Die anderen Airlines haben ein viel größeres Interesse daran, daß die Condor scheitert, weil man dann höhere Preise von den Veranstaltern fordern kann. Finanzinvestoren wollen kaufen und weiterverkaufen. Und für alle anderen, die Geld verdienen wollen, gibt es genug Branchen, in denen die Margen höher und nicht so anfällig gegenüber externen Schocks sind als in der Ferienfliegerei.

Ganz abgesehen von dem Strukturwandel, der bei Condor in Angriff genommen werden muß - ein Flottenaustausch ist schwierig und teuer, und die zur Wahl stehenden Muster sind alle größer und damit schwerer zu füllen.

Zunächst einmal muss man natürlich abwarten, wer in der kommenden Woche von diesen Interessenten dann auch tatsächlich verbindliche Angebote abgibt - ob wirklich alle diese drei und ob womöglich noch ein Überraschungsgast dazukommt. Es wird eine sehr spannende nächste Woche für Condor und leider für alle Beschäftigten dort (der zweite sehr spannende Termin wird dann der 5. März werden, wenn die Gläubigerversammlung tagt).

Wie zu erwarten war und völlig nicht-überraschend befindet sich die Lufthansa nicht unter den Bietern - aus den Gründen, die von @airlinepilot hier aufgeführt wurden. Es gibt leider kein Zurück in die "Goldenen Siebziger" und Lufthansa wird sich eher die Alitalia ans Bein binden als Condor.

Von den drei jetzt öffentlich genannten Interessenten sehe ich persönlich Greybull am kritischsten. Greybull hat 2014 den damals renommierten und traditionsreichen britischen Ferienflieger Monarch Airlines aufgekauft, dann mit anfangs großen Sprüchen zu einem LCC und Konkurrenten von Ryanair und Easyjet umbauen wollen und damit innerhalb von gerade einmal zweieinhalb Jahren finanziell so vor die Wand gefahren, dass Monarch Insolvenz anmelden musste, gegroundet wurde und vom Markt verschwand. Ich fürchte sehr, hier geht es für Greybull um den zweiten Versuch. Einmal ganz davon abgesehen, dass Condor mit diesem britischen Eigentümer dann wieder das Brexit-Problem am Hals hätte.

Für LOT würde die Übernahme von Condor durchaus Sinn machen. LOT ist seit einigen Jahren auf massivem Expansionskurs. Neben Warschau Chopin wurde vor nicht langer Zeit Budapest zum zweiten Drehkreuz von LOT. LOT ist die einzige Airline Mittelosteuropas aus einem EU-Land, die Langstreckenflüge anbietet - und neben Ukraine International die einzige Airline überhaupt. Mit Condor hätte LOT einen wichtigen Fuß im deutschen Markt, dem drittgrößten Markt des euorpäischen Kontinents in der Luftfahrt überhaupt (nach Großbritannien und Spanien). Ja, und in der derzeitigen Situation, in der Lufthansa immer mehr von Frankfurt nach München verlagert, würde es sich für LOT anbieten, die dadurch entstehenden Lücken zu nutzen und Frankfurt zum dritten (!) Drehkreuz zu machen. Für die Fraport wäre das auch eine Win-Win-Situation, auch in Verhandlungen gegenüber der Lufthansa. Condor hätte außerdem wichtige weitere Vorteile für LOT: Mit ihre schwächste Flanke ist das (europäische) Ferienfluggeschäft, wo Ryanair in Polen den Markt beherrscht, Wizzair in Ungarn und Smartwings in Tschechien und wo in Polen sogar die kleine Enter Air mehr Marktanteile hat als LOT. Hier könnte man sich mit Condor Kompetenz und Marktanteile einkaufen. In den EU-Ländern Mittelosteuropa gibt es außerdem bisher keine einzige Airline, die Langstrecken-Ferienflüge anbietet (nur Ukraine International mit Phuket und Dubai als entsprechenden Destinationen, in die Karibik nichts, null Angebote). Mit Condor hätte LOT hier Angebote im Portfolio, die keine andere Airline Mittelosteuropas hat. Und schließlich: LOT ist ein treuer, alter Boeing-Kunde mit einer Flotte, die bisher nur aus Boeing- und Embraer-Maschinen besteht. Entsprechend ist LOT seit fast einem Jahr auch massiv von der MAX-Krise betroffen und nach dem Sommerflugplan 2019 auch im laufenden Winterflugplan auf teueren Wetlease angewiesen, um den Flugplan bedienen zu können. Das Problem hätte sich für LOT mit den Airbussen von Condor schlagartig gelöst - und mittelfristig hätte man eine Verhandlungsoption gegenüber Boeing. Die überalterte Condor-Langstreckenflotte wäre für LOT dagegen eher kein so großes Poblem: LOT ist derzeit dabei, ihre Langstreckenflotte mit "Dreamlinern" aufzufüllen und davon könnte man dann sukzessive welche an Condor "rüberschieben". Für LOT würde der Kauf von Condor daher absoluten Sinn machen.
Ob er für Condor Sinn machen würde, insbesondere für die Beschäftigten von Condor, ist eine andere Frage. Condor hätte zumindest eine starke, im Airline-Business erfahrene und erfolgreiche Eigentümerin im Rücken, mit der sie der Lufthansa-Konkurrenz wesentlich gestärkt entgegensehen könnte und gleichzeitig auch das Problem mit der Langstreckenflotte gelöst - und ein Brexit-Problem gäbe es auch nicht mehr. Dass LOT mit seinen MitarbeiterInnen auf dem Ryanair-Fuß umspringt ist bekannt. Die Beschäftigten von Condor könnten bei dieser Variante also die tatsächlichen Verlierer sein. Der Personalabbau bei Condor in den letzten Wochen könnte deshalb durchaus schon mit den Vorstellungen dieses Investors zusammenhängen was Personalbewirtschaftung anbelangt.

Die Apollo-Variante, die ja von den im Artikel genannten Medien als die wahrscheinlichste gehandelt wird, ist dagegen als Paket-Lösung zu sehen: Apollo darf ja nach EU-Recht als US-amerikanischer und damit Nicht-EU-Eigentümer gar nicht die Mehrheit an einer EU-Airline halten. Apollo wäre also der größte, aber mit maximal 49,99% der Anteile nicht der einzige Investor dieser Variante. Die weiteren Co-Investoren mit einzeln kleineren, zusammen aber mindestens 50,01% der Anteile wären dann verschiedene deutsche Pauschalreise-Anbieter. Es wäre eine Win-Win-Win-Situation für die Beteiligten: Die deutschen Pauschalreise-Anbieter hätten nach dem Wegbrechen von Air Berlin, Germania, Small Planet und Azul und der Einverleibung von Niki durch Ryanair neben der TUI und der kleinen Sundair dann nicht nur anderthalb sondern wenigstens noch zweieinhalb Airlines, bei denen sie ihre Kontingente platzieren und so im Vergleich zum Individualtourismus zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten könnten - wahrscheinlich ist es der einzige Weg, um TUI als faktischen Monopolisten im Bereich der deutschen Ferienfluggesellschaften zu verhindern (die Sundair-Kontingente werden vor allem von Schauinsland-Reisen belegt, aber viel kann diese kleine Airline mit ihren gerade mal vier A 320 und zwei A 319 ja nicht anbieten). Apollo bringt dagegen das Geld mit, um die Condor-Flotte zu erneuern und kann dann, wenn sich die Investition amortisiert hat, entscheiden, entweder nach Finanzinvestoren-Brauch den eigenen Anteil mit Gewinn wieder zu verkaufen oder auch als langfristiges Investment zu betrachten, also als Einstiegsinvestition in den Milliarden-Markt des europäischen Tourismus-Markts, den man einfacher und erfolgversprechender nicht haben könnte. Durch späktakuläre Bauchlandungen wie Greybull mit Monarch ist Apollo bisher nicht aufgefallen, Apollo gilt als so seriös wie eine amerikanische Heuschrecke sein kann. Und die Beschäftigten von Condor wären aufgrund der deutschen Co-Investoren zumindest in näherer Zukunft halbwegs vor einem Crash der Unternehmenskultur geschützt, die bei LOT durchaus zu befürchten wäre. Ich gehe davon aus, dass deshalb auch alle Medien, die über das Thema berichtet haben, bemüht sind, diese Apollo-Lösung als wahrscheinlichste darzustellen und auf das Zustandekommen dieser Lösung hoffen.


Dieser Beitrag wurde am 17.01.2020 11:43 Uhr bearbeitet.


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