Flug QS1125
Älter als 7 Tage

Schwere Vorwürfe gegen Smartwings-Kapitän

Boeing 737 der Smartwings
Smartwings Boeing 737, © Smartwings

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PRAG - Über Stunden fliegt eine Boeing 737-800 mit nur einem Triebwerk über Osteuropa. Erst kurz vor dem Zielflughafen Prag erklären die Piloten eine Luftnotlage. Tschechiens Flugunfallstelle UZPLN findet auch nach eingehender Ermittlungsarbeit keine "rationale Erklärung" für das Handeln des Kapitäns.

Prag, 22. August 2019: Smartwings-Flug 1125 aus Samos erreicht mit 176 Menschen an Bord sein Ziel. Bereits 2 Stunden und 20 Minuten vor der Landung müssen die Piloten wegen eines verstopften Ventils ein Triebwerk abschalten.

Zunächst hält die 737-800 über der Ägäis ihre Reiseflughöhe von 36.000 Fuß - erst als die Boeing Geschwindigkeit verliert, sinken die Piloten auf 24.000 Fuß. Der Kapitän informiert die Flugsicherung zuvor lediglich über ein "technisches Problem", rekonstruiert die UZPLN das Geschehen in ihrem Abschlussbericht.

Statt zum nächsten Flughafen abzudrehen, fliegen die Piloten die Reststrecke mit einem Triebwerk. Unterwegs versucht die Crew vergeblich, das Triebwerk neu zu starten - und "verheimlicht" die Lage gegenüber Flugsicherungen. Erst kurz vor Prag erklärt QS1125 einen Pan-Notfall.

Psychologische Untersuchung

Als die 737-800 OK-TVO in Prag aufsetzt, befinden sich in den Tanks nur noch 2.340 Kilogramm Kerosin - bei einer Schließung von Prag hätte die Crew mit dieser Reserve den im Flugplan vorgesehenen Ausweichflughafen möglichweise nur sehr knapp oder - im Einmotorenflug - nicht mehr erreicht.

Gegenüber den Ermittlern wird der Erste Offizier später angeben, mehrfach auf eine nach allen Standards gebotene Notlandung hingewirkt zu haben - die Fortsetzung des Flugs sei aus seiner Sicht nicht "nicht nachvollziehbar" gewesen.

Einen direkten Diskurs wagte der Erste Offizier "aus Sorge um die Zusammenarbeit im Cockpit" jedoch nicht, heißt es in dem Bericht weiter.

Der erfahrene Kapitän mit TRI/TRE-Lizenz für die 737 hat nach Einschätzung der Ermittler an jenem Tag alle Entscheidungen allein und ohne Hinweis auf wirtschaftlichen Druck durch die Airline getroffen. Eine "rationale Erklärung" gebe es dafür nicht. Die UZPLN regt daher eine psychologische Untersuchung des Kapitäns an.

Diese Meldung basiert auf Informationen des Dienstes "The Aviation Herald", die aero.de in Lizenz nutzt.
© aero.de | Abb.: Smartwings | 27.07.2020 09:19

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Beitrag vom 28.07.2020 - 12:22 Uhr
Leute, bitte!

Ob Athen oder nicht (bei ENG FAIL nach T/O in Samos zweifelsfrei der erstbeste gute Alternate...) ist ja nicht die Frage...

Die Frage für mich ist, wieso Smartwings noch eine Flugbetriebslizenz und Streckenrechte hat, wenn der Flugbetriebschef so Zeugs macht? Das lässt sehr tief in deren Safety-Kultur blicken und erinnert mich gerade an "Das System Boeing", wo Zweifler eliminiert werden und man Profit immer vor Safety stellt. DAS ist des Pudels Kern, oder?

Hier bin ich völlig bei Ihnen. Genau das ist des Pudels Kern. Ich habe mich auch noch etwas durch die Kommentarspalte des Aviation Herald gezappt. Dort ist davon die Rede, dass dieser Flugkapitän nach seinem Ritt zunächst suspendiert worden, dann aber vom Verkehrsminister der Tschechischen Republik persönlich wieder in Amt und Würden eingesetzt worden sei, dass er nach wie vor Flugbereichsleiter seiner Airline sei und auch während des Corona-Lockdowns regelmäßig geflogen habe, während andere Kapitäne von Smartwings am Boden blieben. Ich weiß nicht, ob an diesen Äußerungen etwas dran ist - es sind jedenfalls keine validierten journalistischen Berichte und entsprechend mit Vorsicht zu genießen. Sollte aber auch nur etwas an ihnen "dran" sein, nur einer dieser Punkte zutreffen, würde es seine Selbstherrlichkeit jedenfalls erklären und auch, dass sich sein FO offenbar so von ihm einschüchtern ließ, dass er "im Interesse einer guten Zusammenarbeit im Cockpit" eine nachdrückliche Intervention vermied - es ist hier bei diesem Kapitän anscheinend einiges "Vitamin B" im Spiel. Da bräuchte man dann eigentlich kein psychologisches Gutachten mehr sondern eher die Staatsanwaltschaft.

Und in der Tat: Dieser ganze Vorgang wirft auf die Safety-Kultur von Smartwings kein gutes Licht - und auch nicht auf die tschechische Regulierungsbehörde.

Dieser Beitrag wurde am 28.07.2020 12:25 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 28.07.2020 - 10:01 Uhr

Die Tankanzeigen haben alleine schon eine ungenauigkeit von 2-3 %. Daherist es schwer beweisbar, ob wirklich nur 2340kg in den Tanks waren - oder mehr. (oder auch weniger)

Unrelevanter Fakt. Entscheidend ist, was auf der Anzeige steht. Damit wird gerechnet.

Ist hier aber tatsächlich von Nebenrang, da die Hauptfrage lautet, wieso fliegt der überhaupt noch nach Hause und geht nicht sofort zu einem Alternate.
Beitrag vom 28.07.2020 - 08:03 Uhr
Naja es sollten noch Final Reserve (laut avherald 1.083kg) und Alternate Fuel vorhanden sein. Es wird zwar nicht erwähnt um welchen Alternate es sich in deren Flugplan handelte, aber es wären laut Flugplan wohl 2.412kg Sprit nötig gewesen um diesen zu erreichen.



Die Tankanzeigen haben alleine schon eine ungenauigkeit von 2-3 %. Daherist es schwer beweisbar, ob wirklich nur 2340kg in den Tanks waren - oder mehr. (oder auch weniger)


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