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Belieferung von Kliniken mit Medizin per Drohne

Quantum Systems Trinity
Quantum Systems Trinity, © Quantum Systems

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NEUBIBERG - Manchmal kommt es auf jede Minute an: Bei der Versorgung von Unfallopfern in Kliniken mit lebensrettenden Medikamenten etwa. Fatal, wenn der Kurier ausgerechnet dann im Stau steckt. Die Lösung könnten Drohnen für den eiligen Arzneitransport bringen. Aber es gibt noch Probleme.

Wenn es etwa in Ingolstadt bei Audi Schichtwechsel gibt, ist auf den Straßen kaum noch ein Durchkommen. Das nervt nicht nur, sondern kann sogar Leben kosten. Denn die Apotheke des Klinikums Ingolstadt beliefert 14 weitere Krankenhäuser in der Region mit eilig benötigten Spezialmedikamenten.

Die Lösung soll eine Hightech-Drohne bringen, die besonders weit fliegen und sich ihre Route selbstständig suchen kann. Das System wird gerade im Rahmen eines Pilotprojektes entwickelt und könnte nach Aussage von Fachleuten schon in wenigen Jahren deutschlandweit zum Einsatz kommen.

"Das Ziel ist eine bessere Patientenversorgung im Notfall ohne Verfall von teuren Arzneimitteln - und dadurch auch die Einsparung von Kosten", erläutert der Leiter der Apotheke des Klinikum Ingolstadt, Peter Linhardt.

"Wenn etwa die Pfaffenhofener einen Unfallpatienten bekämen, und stellten fest, sie bräuchten innerhalb einer halben Stunde ein bestimmtes Medikament, könnten wir die Anfangsdosis per Flugdrohne sofort hinliefern."

Perspektivisch sollen auch Notärzte direkt an einem Unfallort mit den lebensrettenden Medikamenten beliefert werden. Im Rahmen des gut 1,5 Millionen Euro umfassenden Projekts "MEDinTime" wird in Oberbayern dafür eine hoch komplexe Flugplanungssoftware für eine besonders leistungsfähige Drohne entwickelt.

"Unsere Drohnen sehen aus wie ein Segelflugzeug und fliegen auch so aerodynamisch und effizient, können aber zudem senkrecht starten und landen", schildert Claudia Steinhoff vom Hersteller Quantum-Systems das mit Technik gespickte Leichtgewicht aus speziellem Styropor.

Im Bauch der Drohne ist eine klimatisierte, stets trackbare und vor unberechtigten Zugriffen geschützte Transportbox, die bis zu einem Kilo Ladung verträgt. 100 Kilometer kann die Drohne mit einer Flügelspannweite von 2,40 Metern am Stück zurücklegen, bei Geschwindigkeiten von etwa 70 Stundenkilometern.

Derzeit wird die genaue Strecke noch vorab am Computer bis ins Detail geplant. Doch das soll sich bald ändern: "Die Drohne bekommt den Auftrag, von A nach B zu fliegen, muss sich aber ständig selbst überlegen, wie sie am besten dahin kommt", erläutert der für die dynamische Routenwahl Verantwortliche, Prof. Jörg Böttcher von der Universität der Bundeswehr in München.

Dazu muss die Drohne die gleichen Faktoren einbeziehen wie ein menschlicher Pilot: Wie schaut die Topologie aus, wo muss ich Sperrgebiete oder Siedlungen umfliegen?

Aber auch: Hier muss ich ein Volksfest mit vielen Menschen meiden, dort ragt plötzlich ein Krahn in den Himmel, der Wind weht stärker als gedacht, habe ich immer ein geeignetes Gelände für eine potenzielle Notfalllandung in der Nähe?

Erste Probeflüge im Frühjahr 2022

Technisch ist das bis Ende 2022 laufende Projekt den Verantwortlichen zufolge weit fortgeschritten. Die ersten, für kommendes Frühjahr geplanten Probeflüge zwischen den Krankenhäusern Ingolstadt und Pfaffenhofen seien realistisch. Und doch dürfte es noch etwas dauern, bis aus dem Pilotprojekt ein flächendeckendes Versorgungsmodell wird.

Und das liegt an der Politik: "Es gibt aktuell noch keine finale technische, regulatorische oder kommunikative Lösung, wie sich bemannte und unbemannte Luftfahrzeuge den Luftraum teilen sollen", erläutert Steinhoff.

Im Klartext: Es besteht die Gefahr von Kollisionen. Nicht auszudenken, dass etwa eine Medikamenten-Drohne auf dem Klinikgelände mit einem landenden Rettungshubschrauber zusammenstößt. Aktuell benötigt deshalb jeder Flug noch eine Einzelgenehmigung.

"Doch es sieht so aus, als ob kurz nach Projektende die rechtlichen Regularien so sind, dass solche Drohnenflüge außerhalb der Sichtweite des Piloten möglich sind", schildert Böttcher. "In knapp fünf Jahren könnte man schon ein sehr produktives System haben."

Bis aber die komplette Vision umgesetzt ist - ein Arzt bestellt irgendwo in Deutschland per App ein Medikament, das System sucht selbstständig nach der nächsten Krankenhausapotheke, die es vorrätig hat, ordert eine Drohne dorthin und schickt diese dann beladen zum Besteller zurück - wird es noch etwas länger dauern.

Doch wenn es einmal soweit ist, ist das System deutlich komplexer als etwa das, das ein kalifornisches Start-up bereits in den afrikanischen Ländern Ruanda und Ghana aufgebaut hat, um die dortigen Kliniken zu beliefern.

Auch das Projekt in Hamburg, wo Drohnen schon heute Gewebeproben und Medikamente zwischen Krankenhäusern hin- und herbefördern, ist nach Angaben von "MEDinTime" nicht auf die gleichen Distanzen und Schwierigkeiten ausgelegt.

Nicht nur Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) setzt daher große Hoffnungen auf das Projekt, um Leben zu retten und auch die Straßen von den vielen Kurierfahrten zwischen den Kliniken zu entlasten.
© dpa | Abb.: Klinikum Ingolstadt, Quantum-Systems | 02.10.2021 08:22

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Beitrag vom 03.10.2021 - 22:26 Uhr
Vielleicht verständigt sich die Projektleitung (auch) mit anderen Regionen, wie etwa in Italien, Großbritannien oder auch Brasilien, um das Risiko des deutschen Bürokratienadelöhrs zu umgehen.

Insgesamt klingt der Ansatz ja wirklich innovativ und es wäre ein Erfolg zu wünschen .


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