Nachtflug ins Verderben
Älter als 7 Tage  

Übermüdet, überladen – abgestürzt

Flugzeugabsturz vor Lwiw
Flugzeugabsturz vor Lwiw, © NBAAI

Verwandte Themen

KIEW - Fünf Tote und ein völlig zerstörtes Flugzeug - das war das Ergebnis am 4. Oktober 2019 in Lwiw, als eine Antonow An-12 von Ukraine Air Alliance im dichten Nebel beim Landeanflug auf den örtlichen Airport in ein Wäldchen krachte. Nun liegt der Abschlussbericht der Unfallermittler vor.

Stolze 51 Jahre alt war die An-12BK der Ukraine Air Alliance, die am frühen Morgen des 4. Oktober 2019 in Lwiw zu Bruch ging - und dabei fünf ihrer acht Besatzungsmitglieder in den Tod riss. Das Alter des Flugzeugs aber spielte bei dem Unfall keine Rolle - vielmehr menschliches Versagen der Crew infolge von Übermüdung.

Zu diesem Schluss kommt der Untersuchungsbericht, den die ukrainische Flugunfallbehörde NBAAI in der vergangenen Woche vorlegte - fast genau zwei Jahre nach dem Unglück.

An jenem 4. Oktober 2019 herrscht frühmorgens in Lwiw dichter Nebel. Die An-12 mit dem Kennzeichen UR-CAH befindet sich in den letzten Zügen eines Nachtflugs, der sie vom spanischen Vigo zurück in die Westukraine bringen soll. Alle an Bord sind müde.

Hinter ihnen liegen anstrengende Tage. Erst tags zuvor sind sie mit ihrer An-12 von Toronto über den Atlantik nach Toulouse geflogen, von dort dann weiter nach Vigo. In Spanien haben sie 14 Tonnen Autoteile eingeladen - und sind schließlich spätabends, mit einer Verspätung von zwei Stunden und 20 Minuten, Richtung Lwiw aufgebrochen.

Zu tief

Für die Landung auf dem Airport bekommt die Crew vom Tower die Runway 31 zugewiesen, wegen schlechter Sichtverhältnisse anzufliegen im ILS-Verfahren. Die Antonow befindet sich etwas mehr als elf Kilometer vor der Pistenschwelle, als der Kapitän beschließt, die Sinkrate des Flugzeugs auf 1.100 Fuß pro Minute zu beschleunigen.

Zu diesem Zeitpunkt liegt die Flugbahn der UR-CAH etwa 70 Meter über dem ILS-Gleitpfad. Keine vier Kilometer weiter hat sich das Bild drastisch gewandelt: Die An-12 fliegt nun elf Meter unterhalb des Gleitpfads - und sinkt weiter zu schnell ab. 3.000 Meter vor der Pistenschwelle beträgt die Flughöhe laut Unfallbericht nur noch 105 Meter.

Als die Maschine die "Entscheidungshöhe" von 60 Metern unterschreitet, ertönt im Cockpit ein Alarm. Doch niemand an Bord reagiert darauf. Sekunden später, 1.348 Meter vor Beginn der Landebahn, kracht die UR-CAH in die Bäume.

Zu müde

In ihrem Abschlussbericht halten die Ermittler fest, dass die Besatzung im dichten Nebel aufgrund ihrer "wahrscheinlich übermäßigen körperlichen Ermüdung" im Landeanflug unbemerkt den Gleitpfad unterschritt. Die NBAAI konstatiert, dass die Crew am Tag vor dem Unfall die Arbeits- und Ruhezeiten zwischen den Flügen "nicht einhielt" - und dass die Überwachungsverfahren der Fluggesellschaft Ukraine Air Alliance nicht ausreichend waren, um derlei Verstöße aufzudecken.

Dem Bericht zufolge hatte sich die Crew in Toulouse nach ihrer Ankunft aus Toronto zwar bis abends im Hotel ausgeruht. Außerdem sei in Toulouse ein Flugingenieur ausgetauscht worden, bevor die An-12 ohne Fracht nach Vigo weiterflog. In Spanien jedoch habe die Besatzung während des vierstündigen Aufenthalts bis zum Weiterflug den Airport nicht verlassen - und demzufolge auch keine Ruhezeit genossen.

"Die wahrscheinlichste Unfallursache war das Versagen der Besatzung, den Flug unter Instrumentenbedingungen durchzuführen, was wahrscheinlich auf körperliche Übermüdung zurückzuführen war und zu einem unbewussten Sinken des Flugzeugs unter den Gleitpfad und zum Aufprall auf den Boden führte", so die NBAAI.

Zu schwer

Allerdings stellten die Unfallermittler bei ihrer Untersuchung noch ein weiteres Problem fest, das zwar nicht unmittelbar ursächlich für den Unfall war, die Entscheidungsmöglichkeiten der Besatzung jedoch drastisch einschränkte.

Demnach verließ die UR-CAH den Flughafen Vigo mit mindestens 5,4 Tonnen Übergewicht: "Unter Berücksichtigung der vom Flughafen Vigo erhaltenen Informationen über das Gewicht der kommerziellen Fracht, der Frachtdokumente, der Menge des getankten Treibstoffs und der Informationen aus der Kommunikation der Cockpitbesatzung" ergebe sich, "dass das Startgewicht des Flugzeugs beim Abflug 66.400 kg betragen könnte."

Das maximal zulässige Startgewicht der An-12 liegt bei nur 61 Tonnen. Aufgrund fehlender Unterlagen sei es rückblickend allerdings unmöglich, das Gewicht und den Schwerpunkt der Unglücksmaschine exakt zu ermitteln.

Zu wenig Reserven

Die NBAAI analysierte ferner, "dass die Leistung des Flugzeugs bis zum Steigflug über 6.600 Meter darauf schließen lässt, dass das Flugzeug überladen war. Das Flugzeug erreichte 96 Minuten nach dem Start die Ausgangsflugfläche FL240 und stieg weitere 86 Minuten später auf die Reiseflugfläche FL250."

Aufgrund des hohen Fluggewichts nahm auch der Treibstoffverbrauch der An-12 zu. Die Ermittler gehen davon aus, dass die UR-CAH im Endanflug auf Lwiw nur noch etwa 650 Kilogramm Treibstoff an Bord hatte. Eine Umleitung zum Ausweichflughafen Kiew-Boryspil sei mit derlei geringen Spritreserven auf jeden Fall unmöglich gewesen, so das Fazit der NBAAI.

Ein solches Ausweichen jedoch hätte der Crew vielleicht das Leben retten können: In Kiew gab es am Morgen des 4. Oktober 2019 keinen Nebel. Die Sicht war klar.
© FLUG REVUE - Patrick Zwerger | Abb.: NBAAI | 16.10.2021 01:02


Kommentare (0) Zur Startseite
#17732
Warning: mysql_fetch_array() expects parameter 1 to be resource, boolean given in /homepages/18/d506720601/htdocs/_aero_de/pages/news_details.php on line 2793
Beitrag vom 17.10.2021 - 20:05 Uhr
was ist, gibt es Probleme?
Beitrag vom 16.08.2021 - 10:34 Uhr
@FloCo:
Das 'bemängele' ich an dem Beitrag:
"Planungen gibt es schon etwas länger. Nur haben die keinen der jeden Nasenpopel ins aero Forum schreibt. Und das hat auch seine Gründe. Und die Ereignisse überschlagen sich aktuell etwas schneller als auch Sie und ich uns das wohl ausmalen konnten. Andererseits kann man nicht bei jedem Ereignis gleich und sofort mit Sack und Pack das Land verlassen. Man hat eine Botschaft in dem Land eingerichtet die schließlich hoheitliche Aufgaben zu erledigen hat, incl. Betreuung der sich vor Ort befindlichen deutschen Bürger.".
Weil es nicht stimmt, quasi komplett falsch ist (und mich, wie schon öfters, diskreditieren sollte).

Außenminister H.Maas und Verteidigungsministerin A.Kramp-Karrenbauer werden zu Recht kritisiert - weil sie die Lage völlig falsch eingeschätzt und entsprechend schlecht 'vorbereitet' haben. Das kann man in anderen Medien (nicht Luftfahrtforen) nachlesen, z.B. auf Spiegel.de.

Aber prinzipiell haben Sie Beide Recht, ich hätte darauf gar nicht reagieren sollen. Mein Fehler.

Tut mir leid, aber ich kann in dem von Ihnen bemängelten Kommentar keinerlei Bezug zu Ihrem Kommentar sehen. Wie soll dieser Kommentar Sie dann diskreditieren?
Der User @Otto West redet über Planungen, die Sie mit keinem Wort erwähnt haben, der User @GB allerdings schon. Wie schaffen Sie es da sich gleich wieder in die Opferrolle zu lesen, dass Sie der User hier diskreditieren will? Der Kommentar von @74 bitte 63 würde dazu taugen; auf den nehmen Sie aber keinen Bezug.

Genau genommen antworten Sie jetzt hier auf einen Kommentar, der keinen wirklichen Bezug zu dem Ihrigen hat mit einer Beleidigung... und das gerade von Ihnen, wo Sie doch immer so sehr auf den guten Umgangston achten und immer sofort nach Moderation, Sperrungen und sonstigen rufen, wenn Sie sich angegriffen fühlen...

Das ist das, was ich nicht verstehe hier...

Stellenmarkt

Schlagzeilen

aero.uk

schiene.de

Meistgelesene Artikel

Community

Thema: Pilotenausbildung

FLUGREVUE 04/2024

Shop

Es gibt neue
Nachrichten bei aero.de

Startseite neu laden