Heikle Ausweichroute
Älter als 7 Tage
Airlines fliegen wieder öfter über Afghanistan
FRANKFURT - Der Luftraum über Russland ist tabu, in Nahost schwelen Konflikte - Asienflüge sind für europäische Airlines ein Spießroutenlauf. Fluggesellschaften weichen bei der Streckenplanung inzwischen verstärkt nach Afghanistan aus. Das ist seit 2023 erlaubt - und weiter nicht ohne Restrisiko.
"Viel Glück mit den Taliban": Flüge über Afghanistan verlieren spätestens bei einer Notlandung schnell ihren Reiz, merkte der Piloten-Informationsdienst "OpsGroup" 2023 an.
Zuvor hatten die US-Luftfahrtaufsicht FAA und die zuständige EU-Behörde EASA Flüge durch die FIR Kabul und über übrigem afghanischen Gebiet wieder grundsätzlich erlaubt. Airlines machten von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch - bis jetzt.
Wie die Nachrichtenagentur
"Reuters" berichtet, routen Flugkonzerne Linien nach Fernost aktuell häufiger durch afghanischen Luftraum. Lufthansa nutzt das Nadelöhr zwischen dem seit 2022 gesperrten russischen Luftraum und den Krisenregionen in Nahost nach Angaben eines Sprechers seit Anfang Juli.
Laut Flugplandaten sind inzwischen auch British Airways, Air France-KLM und Singapore Airlines inzwischen wieder in afghanischen Luftraum anzutreffen, ebenso die deutsche Frachtairline Aerologic.
Die FAA hatte die Regeln für Afghanistan-Überflüge im Juli 2023 gelockert - in FL320 und höher ist US-Fluggesellschaften die Nutzung afghanischen Luftraums erlaubt.Zuvor durften kommerzielle Airlines per P500/G500 nur einen schmalen Ausläufer im Osten des Landes - kurz - schneiden. Die europäische Luftfahrtbehörde EASA hegt ebenfalls seit 2023 keine Einwände gegen Überflüge in FL320, hat einen
Warnhinweis für Afghanistan erst kürzlich aber bis 31. Januar 2025 verlängert.
Keine FlugsicherungUnterhalb von FL320 besteht laut EASA weiter ein "hohes Risiko" für Flugzeuge durch "Raketenbeschuss" oder "Mörserangriffe" durch "extremistische nichtstaatliche Gruppen", hält die Behörde fest. "Darüber hinaus besteht ein Sicherheitsrisiko für die Luftfahrt, da landesweit keine oder nur eingeschränkte Kapazität in der Flugsicherung besteht."
© aero.de | Abb.: OpenStreetMap | 24.08.2024 08:12
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Beitrag vom 24.08.2024 - 12:14 Uhr
In einem Land, dessen Regime von Troglodyten sich um internationales Recht nicht schert, und das die Gestrandeten ganz selbstverständlich seinen menschenverachtenden Gesetzen unterwerfen wird. Und dann wird z.B. Passagier muckster wegen des Souvenir-Schnäpschens in seinem Koffer dafür ausgepeitscht, dass er illegal Alkohol "importiert" hat.
Alleinreisende Frauen, unverheiratete Paare, Homosexuelle und bestimmte religiöse Minderheiten (z.B. Schiiten) wären ernsthaft in Gefahr, würden sie den Taliban in die Hände fallen.
Das ist aber auch nur ein Denken in Vorurteilen. Zunächst mal wie im Beitrag vor mir schon beschrieben - selbst bei einem Notfall würde man nach den geltenden Reserven für bspw. Überwasser-Flüge zunächst auch einen sicheren Ausweichflughafen wählen. Sollte das gar nicht möglich sein (analog zu einer Wasserung im offenen Meer), würde man sicher mit Kabul oder Kandahar die Landebahnen nutzen. Da dort bisweilen auch andere AIrlines mit modernem westlichen Gerät bspw. aus der Türkei oder den arabischen Emiraten einfliegen, kann von einer gewissen Infrastruktur ausgegangen werden, die für den Notfall geeignet wäre.
Gestrandete Passagiere - siehe Diskussionen bei den Air India Flüge über Russland - reisen in der Regel nicht in das Land ein. Das will sich das Land meist gar nicht mit beschäftigen, die Reisenden wollen das in aller Regel auch nicht. Es wird eine Ersatzmaschine geschickt und alles ist "fein". Die Taliban Regierung entspricht nicht unseren Wertvorstellungen, aber sie haben auch ein Interesse an internationaler Hilfe - insbesondere bei der Versorgung ihrer Kranken und mit Grundnahrungsmittel. Hierzu drücken sie sehr gerne (solange es keiner öffentlich merkt) ein Auge zu. Es gibt unzählige Reportagen, aber auch Social Media Beiträge von Privatpersonen, sogar allein-reisende Frauen, die den Alltag besser darstellen, als die undifferenzierte barbarische Darstellung, die es sicherlich in einigen Regionen anzutreffen gibt.
Beitrag vom 24.08.2024 - 11:05 Uhr
Wenn man den afghanischen Luftraum meidet, hat man ja meist viel Zeit um über Sinn und Unsinn der Ausweichroute zu philosophieren und das durfte ich schon häufiger mal tun. Ich sehe die vom Vorredner* genannten Gefahren ebenfalls, frage mich allerdings, ob diese nicht über Wasser ebenfalls bestehen. Bei einer Notwasserung etwa wäre das Leben eines unverheirateten, homosexuellen Paares wahrscheinlich noch mehr in Gefahr, als in Kabul. Gleichzeitig ist man selbst im worst case in 45 Minuten in Islamabad oder Mary (I know, auch keine grandiosen Orte). Und das, wo die meisten Flieger, die Afghanistan crossen, Widebodys sein dürften, die meist ETOPS180+ zertifiziert sind eigentlich niemals _sofort_ runter müssen, es sei denn, sie brennen lichterloh.
Aber die Argumente bleiben nach meiner Ansicht valide, und letztlich werden wirtschaftliche gegen Sicherheitsaspekte abgewogen. Allerdings, auch das wird beim NAT crossing gemacht, denn auch da gäbe es Blue Spruce Routes.
*gemeint ist muckster
Dieser Beitrag wurde am 24.08.2024 11:06 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 24.08.2024 - 10:55 Uhr
Beschuss in FL 320? Welche nicht staatliche Gruppe hat diese Fähigkeit? Die Russen können das, ohne Zweifel. Aber solche Waffensysteme hat nicht jeder.
Ich kann es nur vermuten, doch ich persönlich kann mir schon vorstellen, dass da genügend Waffen seit Jahrzehnten herumschwirren, von denen niemand mehr so genau weiß, wer nun wann Kontrolle über welche Systeme erlangt hat. Oder man kann es vielleicht auch einfach nur nicht ausschließen.
In Afghanistan mischen auch stets andere Länder mit, auch von dort können (und werden höchstwahrscheinlich weiterhin) Finanzhilfe und Waffen an diverse Gruppierungen geliefert.
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Alleinreisende Frauen, unverheiratete Paare, Homosexuelle und bestimmte religiöse Minderheiten (z.B. Schiiten) wären ernsthaft in Gefahr, würden sie den Taliban in die Hände fallen.
Das ist aber auch nur ein Denken in Vorurteilen. Zunächst mal wie im Beitrag vor mir schon beschrieben - selbst bei einem Notfall würde man nach den geltenden Reserven für bspw. Überwasser-Flüge zunächst auch einen sicheren Ausweichflughafen wählen. Sollte das gar nicht möglich sein (analog zu einer Wasserung im offenen Meer), würde man sicher mit Kabul oder Kandahar die Landebahnen nutzen. Da dort bisweilen auch andere AIrlines mit modernem westlichen Gerät bspw. aus der Türkei oder den arabischen Emiraten einfliegen, kann von einer gewissen Infrastruktur ausgegangen werden, die für den Notfall geeignet wäre.
Gestrandete Passagiere - siehe Diskussionen bei den Air India Flüge über Russland - reisen in der Regel nicht in das Land ein. Das will sich das Land meist gar nicht mit beschäftigen, die Reisenden wollen das in aller Regel auch nicht. Es wird eine Ersatzmaschine geschickt und alles ist "fein". Die Taliban Regierung entspricht nicht unseren Wertvorstellungen, aber sie haben auch ein Interesse an internationaler Hilfe - insbesondere bei der Versorgung ihrer Kranken und mit Grundnahrungsmittel. Hierzu drücken sie sehr gerne (solange es keiner öffentlich merkt) ein Auge zu. Es gibt unzählige Reportagen, aber auch Social Media Beiträge von Privatpersonen, sogar allein-reisende Frauen, die den Alltag besser darstellen, als die undifferenzierte barbarische Darstellung, die es sicherlich in einigen Regionen anzutreffen gibt.
Aber die Argumente bleiben nach meiner Ansicht valide, und letztlich werden wirtschaftliche gegen Sicherheitsaspekte abgewogen. Allerdings, auch das wird beim NAT crossing gemacht, denn auch da gäbe es Blue Spruce Routes.
*gemeint ist muckster
Dieser Beitrag wurde am 24.08.2024 11:06 Uhr bearbeitet.
Ich kann es nur vermuten, doch ich persönlich kann mir schon vorstellen, dass da genügend Waffen seit Jahrzehnten herumschwirren, von denen niemand mehr so genau weiß, wer nun wann Kontrolle über welche Systeme erlangt hat. Oder man kann es vielleicht auch einfach nur nicht ausschließen.
In Afghanistan mischen auch stets andere Länder mit, auch von dort können (und werden höchstwahrscheinlich weiterhin) Finanzhilfe und Waffen an diverse Gruppierungen geliefert.