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Ohne vertrauliches und sanktionsfreies Reporting keine sichere Luftfahrt - das ist der eingängige Grundgedanke der "Just Culture".
Bei Austrian Airlines wurde das fliegerische Beichtgeheimnis offenbar mehrfach krass verletzt, Berichte durchgestochen. Das legt ein internes Memo des "Betriebsrat Bord" nahe. Das Dokument liegt aero.de vor.
"Leider sind wir in letzter Zeit wiederholt auf Fälle aufmerksam geworden, die Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertraulichkeit des internen Safety-Reporting-Systems aufwerfen", stellt der Betriebsrat Bord hierin fest. "In mindestens einem Fall wurde ein vertraulicher Report sogar für disziplinäre Maßnahmen herangezogen."
Vertrauliche Berichte, schlussfolgert das Memo, seien "offensichtlich in den falschen Händen". Der Betriebsrat wittert einen Verstoß gegen "gesetzlich geregelte Prozesse" und "Missbrauch" vertraulicher Reports "durch den Flugbetrieb". "Das Vertrauen in unser Safety- und Just-Culture-System (...) schwindet damit ein für alle Mal."
Austrian Airlines: "Safetyrelevanz"
Austrian Airlines räumt den Vorgang ein, sah sich im konkreten Fall unter gegebener Informationslage aber unter Handlungsdruck.
"Wir können bestätigen, dass es in einem Fall der jüngeren Vergangenheit zu disziplinarischen Konsequenzen aufgrund der Inhalte vertraulicher Reports gekommen ist", sagte eine Austrian-Sprecherin aero.de. "Konkret wurde im betreffenden Fall eine Vielzahl an Vorkommnissen über einen längeren Zeitraum gemeldet. Der Inhalt dieser Reports hatte eine entsprechende Safetyrelevanz. Vor der Verwendung der Reports wurde die Zustimmung der reportenden Personen eingeholt."
Flight-Safety-Fragen belasten aktuell auch in einer anderen Lufthansa-Airline das Betriebsklima: Piloten kreiden Lufthansa Cargo Alleingänge bei Sicherheitsthemen an - und spannen die Aufsichtsbehörde ein. Das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) soll klären, ob die Lufthansa-Frachttochter Regeln überdehnt hat.
Die Personalvertretung Cockpit hat im September zwölf konkrete Beschwerdepunkte zur Prüfung nach Braunschweig übermittelt, aero.de berichtete.
Unter anderem seien Verfahrensvorgaben bei einem GPS-Ausfall weder von Boeing "autorisiert" noch vom LBA genehmigt. Änderungen an Betriebsverfahren, etwa die Einführung eines verbrauchsoptimierten Steigflugprofils, habe Lufthansa Cargo "ohne umfassende Abstimmung" der Abteilungen erlassen.
Lufthansa Cargo hat den Vorgang gegenüber aero.de bestätigt. "Lufthansa Cargo ist diesbezüglich mit dem Luftfahrt-Bundesamt im Austausch", sagte eine Sprecherin im September. "Zu einzelnen Punkten nehmen wir aktuell nicht detailliert Stellung."
Nun gibt es eine weitere Entwicklung: Der Safety Manager verlässt Lufthansa Cargo - augenscheinlich im Zerwürfnis. Der Pilot stand mehr als zehn Jahre an der Spitze der Safety-Abteilung.
"Der Umgang mit sicherheitsrelevanten Themen hat sich sich offenkundig in den letzten eineinhalb Jahren leider deutlich verändert", kritisiert der Safety Manager in einer Abschieds-E-Mail an Cockpitkollegen, die aero.de ebenfalls vorliegt.
"Störend, sperrig, destruktiv"
Kritische Nachfragen der Safety-Abteilung würden als "störend, sperrig oder gar destruktiv" wahrgenommen, heißt es in der E-Mail weiter. Und: Ihm sei "seit geraumer Zeit immer wieder nahegelegt" worden, die Funktion als Safety & Compliance Monitoring Manager niederzulegen.
Die E-Mail nennt einen Kipppunkt: Gegenüber dem LBA werde das "Single-Point-of-Contact-Prinzip", ein "Grundpfeiler" der Sicherheitsorganisation, umgangen. Die "Unabhängigkeit der Safety-Funktion" sei so "massiv beschädigt". Lufthansa Cargo lehnte eine Stellungnahme auf Anfrage ab.
© aero.de | Abb.: Austrian Airlines | 30.10.2025 06:30







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