Das fliegende Lazarett der Luftwaffe
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Der Airbus A310-304 MRT MedEvac

Medevac
Airbus A310-304 MRT MedEvac , © Prof. Dr. Claus Schwarze, Köln
KÖLN - Die Bundeswehr verfügt über eine weltweite Rettungskette zur Versorgung und Evakuierung verletzter oder kranker Soldaten. In dieser Kette ist der Airbus A310-304 MRT (Multi Role Transporter) das wichtigste Transportflugzeug für Mittel- und Langstrecken.

Es handelt sich um einen Airbus A310 mit einem großen seitlichen Ladetor, der durch Umrüstung für verschiedene Aufgaben genutzt werden kann. Die "Otto Lilienthal", Luftwaffenkennung 10 24, steht in der MedEvac-Version (Medical Evacuation) in 24-Stunden-Einsatzbereitschaft in Köln. Die Maschine kann nach Einrüstung mit Medikamenten und den notwendigen technischen Vorbereitungen innerhalb von 4 bis 6 Stunden startklar sein.

aero.de Autor, Prof. Dr. Claus Schwarze, bekam kürzlich die Genehmigung, diesen in der Welt einzigartigen Flieger im Hangar des Fliegerhorsts Köln-Wahn zu besichtigen.

Die Rettungskette der Bundeswehr

Die Versorgung kranker oder im Einsatz verletzter Soldaten wird durch die sogenannte Rettungskette sichergestellt. Sie reicht von der Selbst- und Kameradenhilfe oder rettungsmedizinischer Primärmaßnahmen durch einen beweglichen Arzttrupp direkt vor Ort über die Versorgung in Rettungsstationen, Rettungszentren und Einsatzlazaretten über den Rücktransport bis hin zur abschließenden klinischen Behandlung und Rehabilitation in Deutschland. Hierbei greift ein Glied in das nächste.

Am Beispiel Nord-Afghanistan stellt sich eine Rettungskette wie folgt dar: Nach Selbst- oder Kameradenhilfe bzw. rettungsmedizinischer Sanitäterhilfe vor Ort erfolgt der Transport in ein Rettungszentrum, wo die notfallmäßige Diagnostik und Therapie erfolgt. Hier ist die medizinisch Akutversorgung möglich. Dafür stehen Chirurgen und Anästhesisten sowie Ärzte verschiedener Fachrichtungen bereit.

Ein Rettungszentrum besteht aus Containern und optional nutzbaren Zelten.Es verfügt über eine Bettenstation und wird in seiner Größe und Ausstattung an die Erfordernisse des Einsatzgebietes angepasst. Sofern medizinisch erforderlich, erfolgt eine Verlegung aus den Rettungszentren in Kunduz oder Feyzabad. Den Transport übernehmen intensivmedizinisch ausgestattete CH 53 Rettungshubschrauber oder MedEvac Transall-Maschinen der Luftwaffe in das Einsatz-Lazarett in Mazar-e Sharif.

Das mit einem Krankenhaus vergleichbare deutsche Einsatz-Lazarett Mazar-e Sharif verfügt über erweiterte chirurgische und intensiv- medizinische Einrichtungen zur stationären und/oder ambulanten Behandlung, sowie erweiterte Möglichkeiten zur fachärztlichen Diagnostik und Therapie. Wenn erforderlich, wird hier der direkte Rücktransport von schwer Verwundeten bzw. Verletzten oder kranken Soldaten nach Deutschland vorbereitet.

Vom Einsatz-Lazarett in die Heimat


Der Weitertransport zurück in die Heimat wird durch von der Luftwaffe betriebene A310 MedEvac-Flugzeuge durchgeführt. Mit einer C160 Transall MedEvac geht es zunächst von Mazar- e Sharif zum Strategischen Lufttransportstützpunkt (Strat L Stpt) in Termez in Usbekistan. Dort erfolgt in der Regel die unmittelbare Übergabe der Patienten an den MedEvac Airbus der Flugbereitschaft BMVg.

Der Strateg. Luftstützpunkt unterhält eine Sanitätseinrichtung, in der bei Bedarf auch eine Intensivstation betrieben werden kann.

Krankenhaus und Rehabilitation

Für die letzte Behandlungsstufe stehen in erster Linie die vier Bundeswehrkrankenhäuser (Koblenz, Ulm, Berlin und Hamburg) zur Verfügung. Bei Bedarf wird auf zivile Krankenhäuser und Rehablilitationseinrichtungen zurückgegriffen. Nach Rücktransport der Patienten aus dem Einsatzland in die Heimat erfolgt in diesen Einrichtungen die notwendige, weitergehende bzw. abschließende Behandlung.

Die Kenntnis der Rettungskette ist Voraussetzung für das Verständnis des strategischen Verletzten- und Krankenlufttransport und die Bedeutung des A310 MedEvac. 

Medevac
Kabine des Airbus A310-303 MRT MedEvac "Otto Lilienthal", © Prof. Dr. Claus Schwarze, Köln



Der A310-MedEvac ist ein fliegendes Hospital mit 44 Betten, davon sind 6 Intensiv-Pflegebetten, die sog. Patiententransporteinheiten (PTE). 16 weitere Betten sind für die Intermediate Care zur verstärkten medizinischen Überwachung ausgestattet und in nochmals 22 Betten können weitere Patienten aufgenommen werden. Die Opfer werden mit Hubwagen durch das Ladetor in das Flugzeug gehoben.

Ausrüstung des MedEvac


Beeindruckend ist die Ausstattung des Rettungsflugzeugs mit den allerneuesten Geräten zur intensivmedizinischen Betreuung und Behandlung. Die Kranken bzw. Verwundeten werden liegend und angeschnallt transportiert. Alle medizinischen Geräte an der PTE sind mit Schnellverschlüssen in Schienen verankert.

Die Verletzten werden von der sog. Medical Crew, bestehend aus Fachärzten, Fachpflegern, Rettungsassistenten und -sanitätern des Zentralen Sanitätsdienstes betreut. Die Medical Crew besteht aus bis zu 25 Personen. Darunter befinden sich auch immer ein Fliegerarzt und ein Medizintechniker der Luftwaffe. Die übrigen Ärzte und Spezialisten werden bedarfsweise aus dem ganzen Bundesgebiet zusammengestellt.

Jedes Intensivbett ist mit einem tragbaren und einem stationären Beatmungsgerät, mit einer Infusionspumpe, einem Multifunktionsmonitor, einer Dreifachspritzen- und einer Absaugpumpe ausgestattet. Sauerstoff- und Druckluftbehälter sind in Schubladen der PTE untergebracht. Die Sauerstoffflaschen sind mit einer zentralen Entlastungsleitung gesichert.

Die an Bord mitgeführten Medikamente und Spritzen reichen für eine Versorgung von mindestens 24 Stunden. Instrumente und Spritzen sindin den oberen Schubladen der PTE und der Headracks untergebracht. Die Arzneimittel werden in Trolleys mitgeführt.

Zudem sind zwei tragbare Blutgasanalysegeräte, ein 12-Kanal-Elektrokardiograf, zwei flexible Bronchoskope, ein Ultraschall-Unter-suchungsgerät, vier Defibrillatoren und sechs Wärmesysteme für Patienten vorhanden.

An Bord gibt es außerdem zwei große Monitore, von denen aus sich alle Patienten zentral überwachen lassen. Sie sind im hinteren Teil des Flugzeugs, links und rechts vor der ersten Sitzreihe aufgestellt. Bei Ausfall des Bordnetzes ist die Energieversorgungder medizinischen Geräte für vier Stunden durch Akkumulatoren sichergestellt.

Außergewöhnliche Wandlungsfähigkeit

Die Luftwaffe verfügt über vier Airbusse A310-304 MRT, die je nach Ausstattung des vorherigen Einsatzes, in 3 bis 5 Tagen umgerüstet werden können. Bei Bedarf können alle vier MRTs mit Hilfe von MedEvac-Rüstsätzen zu fliegenden Intensivstationen umgebaut werden.

In der Pax-Version können bis zu 214 Passagiere, wie in einem Linienflugzeug, mitgenommen werden. Die Cargo-Version kann neben der Fracht bis zu 57 Personen aufnehmen. Außerdem ist sogar eine Umrüstung zu Tankflugzeugen möglich.

Die Einsätze des MedEvac sind nicht nur auf rein militärische Aufgaben beschränkt, auch im zivilen Bereich sind Dienstleistungen möglich. So wurden z.B. in 2004 auf Ersuchen der TUI 33 schwerstverletzte Urlauber nach einem Busunglück in Mexiko von Puebla nach Köln heimgeholt und viele weitere Einsätze auch innerhalb Deutschlands geflogen.

Nach der Tsunami-Flutkatastrophe in 2004 wurden drei Rettungsflüge mit zusammen 130 Verletzten durchgeführt, darunter Belgier, Briten, Malteser, Schweden und Schweizer. Die Reihe der Rettungsflüge beginnt mit dem 7. und 8.11.2000, als insgesamt 50 verletzte palästinensische Kinder aus Gaza-Stadt ausgeflogen werden. Beachtliche Fürsorgeleistung Deutschlands

Soldaten und Bürger genießen mit dem hervorragend ausgestatteten und einmaligen MedEvac Rettungssystem im Ernstfall eine beachtliche Hilfe, deren Notwendigkeit unbestritten ist. Schließlich sind mit der Vorhaltung eines solchen Notfallsystems nicht unerhebliche Kosten verbunden, die hoffentlich niemals vom Rotstiftkürzungen betroffen sein werden.

Der Autor dankt den Dienststellen der Luftwaffe und ihren Mitarbeitern für die aufgeschlossene Bereitschaft, diesen Bericht zu unterstützen.
© Prof. Dr. Claus Schwarze, Köln | Abb.: Prof. Dr. Claus Schwarze, Köln | 21.01.2010 10:57

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Beitrag vom 24.03.2013 - 23:36 Uhr
"Airbus A310-304 MRT MedEvac"

Das ist ein A310-304 MRTT, der bei Bedarf innerhalb von fünf Tagen zum MRT zurück gerüstet werden kann.

Dieser Beitrag wurde am 24.03.2013 23:46 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 24.03.2013 - 20:03 Uhr
"aero.de Autor, Prof. Dr. Claus Schwarze, bekam kürzlich die Genehmigung, diesen in der Welt einzigartigen Flieger im Hangar des Fliegerhorsts Köln-Wahn zu besichtigen.

Der Autor dankt den Dienststellen der Luftwaffe und ihren Mitarbeitern für die aufgeschlossene Bereitschaft, diesen Bericht zu unterstützen."

Vielen Dank auch meinerseits!

Herr Claus Schwarze, Dr. Prof. für Kieferorthopädie und aero.de Autor in Köln, würden sie für einen ihrer nächsten Berichte vielleicht mit einigen Beziehungen gestattet bekommen einen Airbus A400M zu besichtigen?

Der ist auch für bestimmte Einsätzte zur Hife bei medizinischen Notfällen konzipiert.


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