Bundesverwaltungsgericht
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Dauerhaftes Nachtflugverbot am Flughafen Frankfurt

Flughafen Frankfurt
Flughafen Frankfurt, © world-of-aviation.de, Bjoern Schmitt Aviation Photography

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LEIPZIG - Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt/Main soll ein dauerhaftes Nachtflugverbot zum Schutz der Anwohner gelten. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig kippte am Mittwoch die vom Land Hessen genehmigte Regelung, wonach zwischen 23.00 und 5.00 Uhr im Schnitt 17 Starts und Landungen erlaubt sein sollten. Hessen muss nun den Planfeststellungsbeschluss, die Genehmigung für den Flughafenausbau, nachbessern.

Bürgerinitiativen im Rhein-Main-Gebiet reagierten erfreut. Die deutsche Luftverkehrswirtschaft befürchtet massive Nachteile im internationalen Konkurrenzkampf.

Die Aktie der Lufthansa reagierte mit einem Kursrutsch auf die Nachrichten. Zuletzt lag das Papier mit 4,08 Prozent im Minus bei 10,12 Euro und war damit zweitschwächster Wert im Dax . Die Titel des Flughafenbetreibers Fraport verloren mit dem MDax 2,01 Prozent auf 47,035 Euro.

Kaum Spielraum


Schon der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel hatte die vorgesehene Nachtflugregelung in Frankfurt beanstandet, weil sie Anwohnern nicht genügend Schutz vor Lärm biete. Zu Recht, urteilten nun die Leipziger Bundesrichter. Das gelte schon allein deshalb, weil die Betroffenen zu der geänderten Regelung für die sechs Stunden von 23.00 bis 5.00 Uhr - der sogenannten Mediationsnacht - nicht angehört worden seien. Im Vermittlungsverfahren (Mediation) vor der Baugenehmigung war ein nächtliches Flugverbot vereinbart worden, die hessische Regierung hatte später dennoch Ausnahmen davon erlaubt.

Die Richter sagten nicht, dass es in dieser Zeit überhaupt keine Flüge geben dürfe. Der Gestaltungsspielraum sei aber "auf annähernd Null" eingeschränkt. "Der planerische Spielraum des beklagten Landes bei der Neuregelung des Flugbetriebes in der Mediationsnacht ist dementsprechend gering." Ausnahmen sind etwa für Expressfrachtflüge denkbar - unter strengen Voraussetzungen und genauen Begründungen.

Nacht darf nicht zum Tag werden

Für die Stunden vor und nach der Mediationsnacht - also von 22.00 bis 23.00 Uhr und 5.00 und 6.00 Uhr - begrenzten die Richter die Zahl der Flüge auf zusammen 133. Bisher waren 150 zugelassen. Gleichzeitig betonte der Senatsvorsitzende Rüdiger Rubel, in diesen Stunden dürfe es keine Verkehrsspitzen wie am Tag geben. Es müsse sichergestellt werden, "dass die Nacht nicht zum Tag werden darf".

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier will das Nachtflugverbot nun umsetzen. "Es wird keine geplanten Nachtflüge geben", sagte der CDU-Politiker in Wiesbaden. Die vom Land eingelegte Revision habe nun Rechtssicherheit gebracht, auch für die Nachtrandstunden. Derzeit gilt ein vorläufiges Nachtflugverbot, das der VGH zur Inbetriebnahme einer neuen Landebahn im vergangenen Oktober verhängt hatte.

Mit dem Leipziger Urteil hat ein jahrelanger Rechtsstreit um den Frankfurter Flughafen ein vorläufiges Ende genommen. Ende 2007 hatte das Land den Bau der vierten Landebahn und den damit verbundenen Ausbau genehmigt. Die Bundesrichter erklärten in ihren Urteil den Flughafenausbau nun insgesamt für zulässig.

Der Widerstand gegen das Großprojekt war im Rhein-Main-Gebiet zuletzt stark gewachsen. Zu dem Urteil sagte die Sprecherin des Bündnisses der Bürgerinitiativen, Ingrid Kopp, "etwas Anderes hätte unseren Glauben an den Rechtsstaat erschüttert." Nicht alle sind aber zufrieden. "Die Nacht ist nach wie vor um Fünf rum. Deshalb werden wir den Kampf weiterführen", sagte Musterkläger Adolf Herrlein.

Lufthansa spricht von "schwerem Schlag" - Fraport lobt Urteil


Die Luftfahrtbranche kritisierte das Urteil scharf. Damit verschlechterten sich die Entwicklungsmöglichkeiten Frankfurts im Vergleich zu wichtigen Konkurrenten in Europa und Nahost. "In Amsterdam, Paris, London oder Dubai gibt es solche Beschränkungen nicht", sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, Klaus-Peter Siegloch. Die Lufthansa wertete die Entscheidung als schweren Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland. Sie will den "Bedarf für ausgewählte nächtliche Flüge" nun beim ergänzenden Planfeststellungsverfahren erneut verdeutlichen.

Der Flughafenbetreiber Fraport hingegen begrüßte das Urteil. "Das ist eine gute Entscheidung für den Luftverkehrsstandort Frankfurt und ein positives Signal für die wirtschaftliche Zukunft Hessens", sagte Fraport-Chef Stefan Schulte. Einschränkungen in der sogenannten Mediationsnacht von 23.00 bis 5.00 Uhr müssten nun akzeptiert werden, auch wenn dies vor allem für das Luftfrachtgeschäft schwierig und ärgerlich sei.

Bund sieht kein generelles Nachtflugverbot in Deutschland

Der Bund sieht auch nach dem Urteil keinen Handlungsbedarf für ein generelles Nachtflugverbot in Deutschland. Die Länderregelungen nach den regionalen Gegebenheiten hätten sich bewährt, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. Es gelte aber, mit Beteiligung der Bürger bestmögliche Lösungen zu finden, die Wirtschaftlichkeit und Lärmschutz vereinen. "Beides sind zwei Seiten derselben Medaille."

Laut Institut der Deutschen Wirtschaft Köln wird in Frankfurt bislang gut die Hälfte des deutschen Luftfrachtverkehrs abgewickelt. "Zukünftig muss ein Teil der Fracht neue Wege finden." Der rund 115 Kilometer von Frankfurt entfernte Hunsrück-Flughafen Hahn bot sich als Alternative an. Man habe freie Kapazitäten am Tag und nachts.

Im Herbst hatte das Bundesverwaltungsgericht ein Nachtflugurteil für den künftigen Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg gesprochen. Dort sind zwischen 22.00 Uhr und Mitternacht sowie zwischen 5.00 und 6.00 Uhr durchschnittlich 77 Starts und Landungen erlaubt, maximal 103. Von 0.00 Uhr bis 5.00 Uhr gilt ein weitgehendes Nachtflugverbot.
© dpa | 04.04.2012 06:28

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Beitrag vom 09.04.2012 - 13:23 Uhr

"Später dann"? Die 18 ist schon lange in Betrieb, und das sogar nur eingeschränkt. Wer da in den letzten 28 Jahren nichtsahnend hingezogen ist, und sich dann über Fluglärm wundert, der hat irgendwo auch selbst schuld.

Welche Wohngebiete sind denn so nach Entstehung der 18 im Abflugbereich derselben entstanden?
Beitrag vom 08.04.2012 - 18:58 Uhr
Das "irgendwo" würde ich streichen.
Das mag natürlich ein Rechtsanwalt anders sehen. Denn nur so könnte er sich bereichern.
Das hängt wohl auch vom jeweiligen Gericht ab, ob entsprechende Klage überhaupt angenommen werden.

Beitrag vom 08.04.2012 - 17:28 Uhr
Na, es ist doch wohl ein Unterschied, ob man sich eine Wohnung in FFM an der Seehofstraße sucht, oder in Bütteldorn ein Häuschen fern ab der Stadt kauft (und dann später die Abflugschneise auf das Haus gedrückt bekommt).

"Später dann"? Die 18 ist schon lange in Betrieb, und das sogar nur eingeschränkt. Wer da in den letzten 28 Jahren nichtsahnend hingezogen ist, und sich dann über Fluglärm wundert, der hat irgendwo auch selbst schuld.


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