Auf dem langen Weg zur Zulassung
Älter als 7 Tage  

Bombardier CSeries im Flugtest

MIRABEL - Rund 3,4 Milliarden Dollar investiert der kanadische Flugzeugbauer in seine neue Flugzeugfamilie. Mittlerweile fliegen drei Prototypen der Bombardier CSeries. Dennoch hat das Programm mit Verspätungen zu kämpfen. Allein der Erstflug verzögerte sich mehrfach. Die FLUG REVUE blickt auf das Ereignis zurück.

Tag und teilweise Nacht haben die Angehörigen von Bombardier auf den Erstflug der CSeries hingearbeitet. Nach mehreren Verspätungen war es am 16. September 2013 so weit: Um 9.55 Uhr Ortszeit hob der erste Prototyp der CS100 von der Startbahn 06 in Mirabel bei Montreal unter dem Jubel von rund 3000 Firmenmitgliedern und geladenen Gästen zum Jungfernflug ab.

Bombardier CSeries FTV1
Bombardier CSeries FTV1, © Bombardier Aerospace

Zur Feier des Tages gab Programmchef Robert Dewar anschließend seinem Team frei, um sich auszuruhen – aber nur einen Tag, denn die nächste Herausforderung wartet schon. "Wir haben ein großes Jahr mit Flugtests vor uns", sagte Bombardier-Präsident Pierre Beaudoin unmittelbar nach dem Erstflug.

Schließlich will Bombardier die Zulassung seines bislang größten Flugzeugs in nur zwölf Monaten schaffen. Einen genauen Termin nannte Dewar nicht. "Heute liegt unser Fokus auf dem Erstflug. Wir bewerten die ganzen Daten und betrachten das Flugtestprogramm. Das wird einige Monate dauern. Sobald wir den Umfang erfassen und sehen, was noch zu tun ist, können wir das Datum der Indienststellung nennen." Das Zulassungsprogramm ist auf 2.400 Flugstunden angelegt.

Ursprünglich sollte der Erstflug schon Ende 2012 stattfinden. Probleme mit Zulieferern, ein größerer Bedarf an Systemtests und zuletzt schlechtes Wetter mit Regen und Wind hatten für Verspätungen gesorgt. Entsprechend groß war die Erleichterung, als das Flight Test Vehicle 1 (FTV) nach zweieinhalb Stunden um 12.25 Uhr Ortszeit wieder auf der Piste in Mirabel aufsetzte.

Die CS100 mit der Seriennummer 50001 und der Kennung C-FBCS hatte in einem Testgebiet rund 50 Kilometer nördlich von Mirabel mehrere 50 bis 100 Kilometer lange Schleifen gedreht. Die Besatzung, Flugkapitän Charles Ellis, Erster Offizier Andris Litavniks und Flugtestingenieur Andreas Hartono, wollte aufgrund der besseren Telemetrieübertragung und Kommunikation mit den Ingenieuren nahe am Heimatflughafen bleiben.

Die CSeries erreichte bei ihrem ersten Einsatz eine Flughöhe von 3.810 Metern und eine Geschwindigkeit von 426 km/h.

Positives Fazit der Testpiloten

Mit dem Verlauf waren die Ingenieure sehr zufrieden. "Wir hatten den Flug mit einer Zeit von einer bis maximal zweieinhalb Stunden angesetzt. Wir konnten die volle Spanne ausnutzen. Es war ein extrem erfolgreicher Erstflug", erklärte Robert Dewar. "Aus Sicherheitsgründen bewegten wir uns im mittleren Flugbereich. Wir fuhren das Fahrwerk ein, was bei einem Erstflug nicht üblich ist. Aber wir waren mit den Systemen zufrieden und testeten auch mehrere Klappen- und Vorflügelstellungen. Die Ergebnisse sehen gut aus", meinte der Programmchef.

Bombardier CSeries FTV1
Erstflug der Bombardier CSeries FTV1, © Bombardier Aerospace

Der Meinung ist auch Testpilot Chuck Ellis. Kaum aus dem Cockpit gekommen, war sein erster Kommentar: "Es lief genau wie in der Simulation ab. Sie flog sehr gut. Wir hatten nur ein kleines Problem. Ansonsten haben wir alles entsprechend der Testbeschreibung erfüllt. Ein sehr schönes Flugzeug, ich bin wirklich sehr zufrieden mit ihm!"

Der erwähnte Fehler lag in einer Warnmeldung eines Subsystems, die den Flug laut Ellis kaum beeinflusst hat. Dem Erstflug waren zahlreiche Windkanalversuche, Simulationen und Komponententests vorausgegangen. Während der Premiere befand sich die neue Fly-by-Wire-Flugsteuerung in einer Art Fehlermodus, der die Eingriffe der Software aus Sicherheitsgründen stark einschränkte.

"Wir wollten das Verhalten des Flugzeugs sehen und nicht die Computer, die mit ihm interagieren. Mit dieser Einschränkung flog es sehr gut. Das Beste, was man über ein Flugzeug zu diesem Zeitpunkt sagen kann, ist, dass es genau wie erwartet flog."

Die Gäste zeigten sich besonders vom niedrigen Geräuschpegel der beiden PW1524G-Getriebefans von Pratt & Whitney begeistert. "Ich konnte sie kaum hören, sie waren so leise", sagte Air-Baltic-Chef Martin Gauss. "Es ist fantastisch, die CSeries fliegen zu sehen, und besonders sie zu hören", meinte Trygve Gjertsen von Braathens Aviation. "Sie ist sehr vielversprechend. Ich denke, sie wird eine Umweltrevolution!" Die Gesellschaft fliegt den stark lärmlimitierten Stadtflughafen Stockholm-Bromma an.

Erstflug CSeries Crew
Crew Erstflug CSeries FTV1 am 16.9.2013, © Bombardier Aerospace

Ähnliche Pläne hat Robert Deluce. Der Präsident von Porter Airlines will die CSeries vom Stadtflughafen Torontos einsetzen: "Sie ist sicher ein Flugzeug für ein urbanes Umfeld. Als sie startete, konnte man sie kaum hören. Sie war sehr leise, ganz klar ein Flüsterjet." Die CS100 war sogar so leise, dass einige Gäste in Mirabel den Start glatt verpassten: "Wir sind etwas früher gestartet. Ich glaube, das war das erste Mal, dass wir in dem Programm zu früh dran waren", lachte ein ziemlich entspannter Robert Dewar bei der Pressekonferenz.

Die Kunden haben hohe Erwartungen

Neben den Lärmwerten steht bei den Kunden der niedrige Treibstoffverbrauch im Mittelpunkt. Er soll 16 Prozent weniger als bei aktuellen Mustern betragen. "Die CSeries ist gut angepasst für den europäischen Markt. Sie ist leise, sie ist treibstoffeffizient. Sie ist alles, was wir angestrebt haben. Daher haben wir uns für den Programmstart entschieden", sagte Nico Buchholz, der Leiter des Flottenmanagements des Lufthansa-Konzerns.

Die Firmengruppe hatte 2008 als erste Airline den Jet gekauft. Genauere Werte für den Verbrauch erwartet CSeries-Programmchef Dewar für die Mitte der Flugerprobung.

Für die Zulassungskampagne der CS100 stehen fünf Flugzeuge zur Verfügung. Die erste Maschine ist für die Erweiterung des Flugbereichs und die Erforschung der allgemeinen Flugeigenschaften gedacht. FTV 2 konzentriert sich auf die hydraulischen und elektrischen Systeme, während FTV 3 für die Erprobung der Avionik vorgesehen ist. FTV 4 und 5 führen dann weitere Funktions- und Zuverlässigkeitsversuche durch.

Bombardier CS100
Die dritte Bombardier CS100 bei ihrem Erstflug, © Bombardier

Alle fünf CS100 befinden sich in der Fertigung. Sie entstehen in ehemals für die CRJ-Reihe genutzten Einrichtungen. Ende des nächsten Sommers will Dewar die derzeit in Mirabel entstehende Endmontagehalle in Betrieb nehmen. Neben den fünf Flugzeugen für die Flugtests arbeitet man bereits an dem erste Serienexemplar der CS100 und dem ersten von zwei CS300-Prototypen. Termine für die Erstflüge wollte Dewar nicht nennen.

Die Ergebnisse der Flugerprobung sind wichtig für die weiteren Verkaufsaktivitäten. Noch ist Mike Arcamone, der Präsident von Bombardier Commercial Aircraft, zuversichtlich, das selbst gesteckte Ziel von 300 verkauften Flugzeugen bei der Indienststellung in einem Jahr zu erreichen. "Natürlich liegt der Enthusiasmus der Kunden darin, das Flugzeug fliegen zu sehen. Es ist ein sehr wettbewerbsfähiges Produkt und sogar noch wettbewerbsfähiger als alle mit neuen Triebwerken nachgerüsteten Flugzeuge der Konkurrenz."
© FLUG REVUE Ausgabe 11/2013 | Abb.: Bombardier | 18.04.2014 09:11

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Beitrag vom 20.04.2014 - 22:33 Uhr
Die Probleme zeigen einmal mehr: kopieren heisst nicht gleich verstehen...
Beitrag vom 19.04.2014 - 00:44 Uhr
Ein wirklich schönes Flugzeug mit einem tollen Flugbild. Sie wird sicher eine wirkliche Konkurenz zur 737 oder der 320 darstellen.


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