Restwerte unter Druck
Älter als 7 Tage

Delta will junge Boeing 777 als Teilespender kaufen

Delta Boeing 777-200LR
Delta Boeing 777-200LR, © Boeing

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ATLANTA - Delta und Boeing streiten seit einem Monat über die realen Wiederverkaufswerte gebrauchter 777. Airlinechef Richard Anderson sieht jedenfalls ein Überangebot im Markt und den Restwert einer zehn Jahre alten 777-200 bei gerade noch zehn Millionen US-Dollar.

"Diesen Wert haben wir von Verantwortlichen bei Boeing, die uns Flugzeuge zu diesem Preis anboten", verteidigte Anderson seine Markteinschätzung vom 14. Oktober am Freitag in einem Podcast für Mitarbeiter.

Bis jetzt beschränke sich die Inventar-Blase nur auf Großraumflugzeuge, schaffe hier aber einen Käufermarkt. "Selbst wenn wir diese Flugzeuge am Ende gar nicht fliegen, können wir sie der Teile wegen kaufen", läutete Anderson die nächste Runde der Debatte ein.

Zehnjährige 777-200 als Spender von Ersatzteilen - ein Alptraumszenario in den Bilanzen der Leasingfirmen und auch für Boeing. Jeder Preisschock im Gebrauchtmarkt schlägt unweigerlich auf die Fabrikpreise durch. Aktien von Boeing waren nach Andersons Bemerkung letzten Monat um zeitweise vier Prozent eingebrochen.

"Die Restwerte der 777 halten sich im Markt sehr gut", reagierte Boeing-Chef Dennis Muilenburg im Oktober entsprechend gereizt auf das Störfeuer aus Atlanta. Die 777 sei ein "einzigartiges Flugzeug", das als 365-Sitzer zudem keinen unmittelbaren Wettbewerber habe.

Für Boeing kommt die Debatte zur Unzeit. Wegen schleppender Verkäufe wird die 777-Produktion voraussichtlich bald von 8,3 auf sieben Monatseinheiten korrigiert. Andersons neueste Äußerungen wollte man in Seattle am Freitag zunächst nicht kommentieren.

94 Prozent Wertverfall

Auch Leasingfirmen sind derzeit alles andere als gut auf Anderson zu sprechen. "Die von ihm genannten Preise existieren für normale, gut gewartete Flugzeuge im Markt schlichtweg nicht", beruhigte John Plueger, Vorstandschef der Air Lease Corporation, diesen Monat verunsicherte Investoren.

Immerhin geht es um Flugzeuge, für die Airlines und Flottenfinanzierer 2005 noch rund 170 Millionen US-Dollar pro Exemplar an Boeing überwiesen hatten. Den von Delta postulierten Wertverlust von 94 Prozent in nur zehn Jahren hatte niemand auch nur ansatzweise einkalkuliert oder kommen sehen.

Eine derart massive Wertkorrektur im Gebrauchtmarkt wäre dabei nicht nur für 777-Besitzer bitter. Mittlerweile mehren sich Stimmen, die ganz generell die Nachhaltigkeit der immer höheren Produktionszahlen bei Boeing und auch Airbus in Frage stellen.

Lieferte Boeing 2005 noch 290 Flugzeuge aus, verließen 2014 mit 723 Einheiten mehr als doppelt soviele Maschinen die Werke. Airbus ging mit 378 Auslieferungen aus dem Jahr 2005 und brachte 2014 629 Flugzeuge zu seinen Kunden - ein neuer Rekordwert.

Er teile die Sorgen mancher Beobachter vor einer Flugzeug-Schwemme durch zu hohe Produktionsraten nicht, versicherte Airbus-Chef Fabrice Brégier letzte Woche in New York. Eben erst beschloss Airbus, sich mit dem Boom-Programm A320neo ab 2019 in die luftige Höhe einer Monatsfertigung von 60 Flugzeugen zu wagen.

Unverkaufte 777-Produktion belastet Restwerte

Die große Frage ist, ob Anderson mit seiner Prognose am Ende Recht behält. JPMorgan-Analyst Jamie Baker bezifferte den durchschnittlichen Wiederverkaufswert einer zehn Jahre alten 777-200 im Oktober auf 43 Millionen US-Dollar. Viel mehr als Delta, aber auch viel weniger als die 56 Millionen US-Dollar, mit denen Boeing entsprechendes Gerät noch bewertet sehen möchte.

"Richard Anderson liegt richtig", schlugen sich die meist treffsicheren Kollegen von "Leeham News" jetzt auf die Seite des Delta-Chefs. Die hohe Verfügbarkeit später 777-300ER stelle die bisherigen Bewertungsmodelle auf den Kopf. So würden Airlines für zehn Jahre alte 777-300ER aktuell Leasingraten von nur noch 325.000 US-Dollar pro Monat bieten.
© Bloomberg News | Abb.: Delta | 23.11.2015 06:48

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Beitrag vom 23.11.2015 - 15:52 Uhr
Allein im Airfax sind gerade 36 Boeing 777 "available". Natürlich drückt die expansive Produktion da auf die Preise. EK hat ihre gar nicht mal so alten 777-200 lieber gleich an Verwerter verkauft, "haben" will die sowieso keiner mehr.

Bei der A320 (und 737) sehe ich ein ganz großes Risiko: Sobald hier die Restwerte von jungem Gerät (unter zehn Jahre) absacken, werden viele Kunden nachrechnen, ob sich Neo und Max noch lohnen und man doch nicht lieber junge Gebrauchte einsammelt. Gerade dann, wenn das Öl billig bleibt.


EK hat die 777-200 nur geleast, EK hat die Jets an den Leasinggeber zurückgegeben und dieser hat sie dann zum Verwerter geschickt. Für eine -200 (nicht ER) findet man auch sogut wie keine Käufer/Leasingnehmer mehr.
Beitrag vom 23.11.2015 - 15:29 Uhr
Allein im Airfax sind gerade 36 Boeing 777 "available". Natürlich drückt die expansive Produktion da auf die Preise. EK hat ihre gar nicht mal so alten 777-200 lieber gleich an Verwerter verkauft, "haben" will die sowieso keiner mehr.

Bei der A320 (und 737) sehe ich ein ganz großes Risiko: Sobald hier die Restwerte von jungem Gerät (unter zehn Jahre) absacken, werden viele Kunden nachrechnen, ob sich Neo und Max noch lohnen und man doch nicht lieber junge Gebrauchte einsammelt. Gerade dann, wenn das Öl billig bleibt.

Ich stimme ihnen im ersten Absatz zu, im Zweiten moechte ich ihnen wiedersprechen:
Denn gerade diese Politik ist bei A & B das verteidigen des Duopols.

Eine Comac, eine CS, ein MRJ wird es schwer haben, wenn massenhaft billige A319/A320 bzw. B737-700/800 auf den Markt kommen und konkurrieren.

Nachdem A320neo und B737max weit ausverkauft sind, werden billige gebrauchte den Markt nach unten abfedern.
Als Airline habe ich dann die Wahl: Eine neue CS300 oder eine Comac vs. eine gebrauchte A319 - B737-700.
Die Wahl wird oft zu letzterem Fallen, weil billig, Ersatzteile verfuegbar, Kommunalitaet, Crews vorhanden.
Beitrag vom 23.11.2015 - 14:24 Uhr
Allein im Airfax sind gerade 36 Boeing 777 "available". Natürlich drückt die expansive Produktion da auf die Preise. EK hat ihre gar nicht mal so alten 777-200 lieber gleich an Verwerter verkauft, "haben" will die sowieso keiner mehr.

Bei der A320 (und 737) sehe ich ein ganz großes Risiko: Sobald hier die Restwerte von jungem Gerät (unter zehn Jahre) absacken, werden viele Kunden nachrechnen, ob sich Neo und Max noch lohnen und man doch nicht lieber junge Gebrauchte einsammelt. Gerade dann, wenn das Öl billig bleibt.


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