Vereinigte Staaten
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Reiche Airlines fegen den Gebrauchtmarkt leer

SEATTLE - From Russia with love: im März landeten zwei Boeing 737 auf einem Flugplatz nahe Seattle, die letzten beiden Flugzeuge der kollabierten Transaero Airlines. Alle sichtbaren Hinweise auf den früheren russischen Betreiber werden entfernt, bevor die 737 Richtung Dallas Love Field abheben.

Dort wartet ein neues Leben bei Southwest Airlines auf die Flugzeuge. Der größte Günstigflieger der Welt kauft gerade den 737-700-Gebrauchtmarkt leer.

Jon Stephens ist bei Southwest Airlines für Flottentransaktionen zuständig und freut sich über jeden geglückten Re-Import wie im Fall der Transaero-Flugzeuge - mit überschaubarem Kapitaleinsatz könne Southwest so die ältesten Maschinen ihrer Flotte ersetzen. "Eine runde Sache."

Fand ausgedientes fliegendes Inventar einst den Weg aus Nordamerika in Schwellenländer, ist es heute genau andersrum. Allein Southwest sammelt weltweit gerade 83 737-700 ein, so viele wie noch nie. Auch andere US-Fluglinien nutzen ihre prall gefüllten Konten, um ihre Flotten zu verstärken.

Southwest
Southwest Boeing 737-700, © world-of-aviation.de, Bjoern Schmitt Aviation Photography

"Wer gerade überschüssiges Inventar mit Tragflächen dran hat, wird versuchen, es in die USA zu verkaufen", meint Analyst George Ferguson.

Der Preisverfall des Öls brachte Volkswirtschaften von Russland bis Brasilien in Bedrängnis, der US-Airlinebranche verhalf er vergangenes Jahr zu 19 Milliarden US-Dollar Profit.

198 gebrauchte Flugzeuge für Amerika

United Continental importiert aktuell zwei Dutzend gebrauchte Airbus A319 aus China. Delta Air Lines, ein Pionier der Schnäppchenjäger-Strategie, erwägt die Ablösung einiger 737 ihres brasilianischen Partners Gol Linhas Aeras, der seine Flotte verkleinert.

Gebrauchte Flugzeuge haben in den USA ihr Stigma verloren - Passagiere sind es gewohnt, auch in betagte Maschinen zu steigen, nachdem die vier größten US-Flugkonzerne in den 2000ern durch Insolvenzverfahren mussten und ihre Flotten in dieser Zeit nicht erneuern konnten.

Nach Daten von Ascend Flightglobal zogen die Importe in die Vereinigten Staaten 2015 um 29 Prozent auf 198 gebrauchte Flugzeuge an. Southwest Airlines, Allegiant Travel und Delta Air Lines waren die größten Einkäufer am Weltmarkt.

Weil gebrauchte Flugzeuge nicht im Dauereinsatz ausgelastet werden müssen, um ihre Kapitalkosten einzufliegen, berge die Strategie kaum Risiken, sagt George Dimitroff, Head of Valuations bei Ascend Flightglobal. "Airlines haben so eine größere Flexibilität und verbessern ihre Pünktlichkeit."

Dank geringer Treibstoffpreise werden derzeit nur wenige Flugzeuge geparkt oder gar verschrottet. Laut Ascend Flightglobal flog im laufenden Jahr nur eine A319 und keine einzige 737-700 zum Verwerter, 2015 seien noch 17 dieser Flugzeuge in ihre Einzelteile zerlegt worden. "Fliegend bringen sie mehr ein", erklärt Dimitroff.

Risiken für Airbus und Boeing

Noch fahren die großen US-Airlines ihre Neubestellungen bei Airbus und Boeing nicht zurück - schließlich herrscht auch für Neugerät gerade Käufermarkt. Der Trend zu längerer Nutzung von Gebrauchtflugzeugen macht das ohnehin volatile Geschäft für die Hersteller aber noch ein Stück unberechenbarer.

Ab einem gewissen Punkt könnte der Flugzeugmarkt übersättigt sein und kippen. Es mehren sich die Stimmen in der Branche, die genau dieses Szenario erwarten und den beschlossenen Hochlauf der 737- und A320-Linien von 42 auf 60 Flugzeuge bis Ende des Jahrzehnts äußerst kritisch sehen.

Eine aktuelle Studie von Goldman Sachs etwa weist auf 900 von Leasingfirmen bestellte Schmalrumpfflugzeuge hin, für die es noch keine Betreiber gebe. Diese Flugzeuge stehen innerhalb der nächsten fünf Jahre zur Auslieferung an.

"Ich sehe zwei Spieler, die jeweils 60 Schmalrumpfflugzeuge im Monat produzieren werden und denke mir, das kann nicht gut gehen", mahnt Luftfahrtberater Robert Mann.

Solche Sorgen blendet man in Seattle und Toulouse gerne aus. "Airlines, die sich gebrauchte Flugzeuge zulegen, kaufen auch unsere neuen Flugzeuge", hält Boeing Marketing-Frontmann Randy Tinseth den Bedenken entgegen. "Wir erkennen keine neuen Trends, die etwas an der künftigen Nachfrage ändern."

Für den Moment merkt Boeing tatsächlich keine Delle im Verkauf seiner 737 und rechnet sogar mit weiteren Neuaufträgen. Immerhin sind gut 700 noch aktive 737 schon älter als 25 Jahre und haben damit das Ende ihrer wirtschaftlichen Nutzungsdauer erreicht.

2018 fliegt jede zweite 737-700 für Southwest Airlines

Boeing hat 1.116 737-700 produziert - fast die Hälfte davon wird bei Southwest Airlines fliegen, wenn die Einkaufstour der Airline 2018 abebbt. Mitte 2017 wird Southwest mit der Umflottung auf die moderne 737 MAX beginnen, letztes Jahr bestellte Southwest außerdem noch 33 werksneue 737-800.

Stephens Team sah in gebrauchten 737-700 zunächst nur einen idealen Nachfolger für kleinere 717. Preise und Leasingraten seien dann aber so attraktiv gewesen, dass Southwest begann, mit Hilfe von AerCap Flugzeuge auch als Ersatz für ihre ältesten 737 Classic zu suchen, erinnert sich der Manager.

Als Transaero Ende 2015 in den Sog der Russlandkrise geriet, flog AerCap die 737-700 erst nach Irland und später in die Vereinigten Staaten. Nach ihrem Umbau werden die Flieger innen und außen wie jeder andere Jet von Southwest aussehen.

"Es gibt viele Gründe, weshalb das Ganze Sinn macht", sagt Stephens. "Als Ersatz für die 717 war das ein sehr schöner Plan und beim Brückenschlag zur 737 MAX haben wir viel Spielraum. Wir sind so sehr gut aufgestellt."

Die Nachfrage von Southwest trieb 2015 Preise und Restwerte für zehn Jahre alte 737-700 in die Höhe. Für Stephens kein Grund zur Sorge. "Wenn es sich nicht mehr rechnet, sind wir eben wieder weg - das ist unser Ass im Ärmel und die Leasing-Community weiß das, sie kennt unseren Deal."
© Bloomberg News, aero.de | Abb.: Southwest Airlines | 14.05.2016 11:12

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Beitrag vom 14.05.2016 - 19:42 Uhr
Nach außen hin müssen sie das nunmal tun, denn beide Unternehmen sind an der Börse notiert. Was wird wohl der Aktienkurs machen wenn A und B sagen, dass die Zukunft schwarz aussieht? Wer erklärt das den Shareholdern?
Beitrag vom 14.05.2016 - 18:33 Uhr
Es ist schon sehr erstaunlich mit welch positiver Einstellung sowohl Airbus als auch Boeing die weitere wirtschaftliche Entwicklung sehen.


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