In ureigener Sache
Älter als 7 Tage

4U-9525 und die deutschen Medien

ERLANGEN - Die deutsche Medienlandschaft baut gerade systematisch alle Hemmschwellen ab! Aufgrund der (mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffenden) Anschuldigung eines Staatsanwalts tastet man sich zuerst über Vornamen + Initiale an die Identifizierung des F/O heran.

Dann legt man letzte Hemmung ab und verwendet den Klarnamen ("hey, Bild.de macht es ja schließlich auch”). Die halbärschigen Verrenkungen, mit denen der SPIEGEL diesen Übergang rechtfertigt, sind übrigens besonders schön.

Dann brechen alle Dämme – Haus und Namensschild der Eltern (!!) werden gezeigt, es wird in vertraulichen Krankenakten gekramt und beiläufig im Liveticker per Breaking News darüber berichtet, dass "400 bis 600 Leichenteile geborgen wurden” - klar, der morbide Permanent-Gänsehautschauer der Leserschaft lässt sich ja nur aufrechterhalten, wenn man die Infodosis behutsam aber kontinuierlich anhebt!

Dann bekommt der ein oder andere Journalist vielleicht irgendwann doch ein latent schlechtes Gewissen. Aber man kann sich ja selbst bzw. den Kollegen die Berufsabsolution erteilen – indem man allen, die den Klarnamen nicht in ihrer Berichterstattung verwenden, die Überlegung nahelegt, ihren Presseausweis zurückzugeben (so aktuell meedia.de - immerhin Deutschlands größter Mediennachrichtendienst)!

Selbst im öffentlichen-rechtlichen Fernsehen jagt ein "Experte" den nächsten, die mit ernster Miene vorgetragenen Einschätzungen natürlich immer flexibel an die aktuelle Gesamtnachrichtenlage angepasst. Das ZDF entschuldigt sich immerhin noch dafür, gestern im Eifer des Gefechts glatt mal das falsche Profilbild verpixelt zu haben.

BILD.de schießt den Vogel ab und zerrt einen Capt. von Germanwings in den Seitenaufmacher ("Ich flog mit dem Amok-Piloten" - natürlich als Bezahl-Inhalt, man muss ja neben der durch explodierende Aufrufzahlen eh steigenden Werbeknete noch Extrageld an der Tragödie verdienen). Von der Unternehmenskommunikation der LH/4U war dieses Interview nicht autorisiert (wir haben nachgefragt).

Kein Vorwurf an den Kapitän übrigens - der wurde heute wahrscheinlich einfach von ein paar cleveren Reportern ins Interview überrumpelt, nachdem er den Tag mit einer wirklich tollen Geste an die Passagiere begann (und sich so völlig unbeabsichtigt und unvorbereitet ins Visier der Medienmeute manövrierte).

Selbstverständlich ist mittlerweile auch raus, wie viel Soforthilfe Lufthansa an die Angehörigen überweist. Was geht das irgendwen an? Welches legitime Informationsinteresse wird mit solcher Sensationseskalation befriedigt?

Crews, Angehörige und Freunde trauern um 150 Menschen! Auch um den F/O trauern in diesem Moment Menschen!


Sicher, wir sind auch schon das ein oder andere mal über das Ziel hinausgeschossen (und haben dafür zu Recht ordentlich Rüffel von unseren Lesern bekommen), aber was gerade passiert geht gar nicht. Vor allem weil sich schon ganz bald die alte Medienweisheit bewahrheiten wird: "Nächste Woche: Neue Sau, anderes Dorf!"

Dennis Dahlenburg
aero.de
© aero.de | Abb.: Germanwings | 27.03.2015 22:03

Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich bei aero.de registrieren oder einloggen.

Beitrag vom 15.04.2015 - 16:12 Uhr
@swift1212,

bei dringenden Tatverdacht wird schon mal der Verdächtigte beim Namen genannt....
In D ist die Presse manchmal zurückhaltend - in anderen Ländern sieht das ganz anders aus!

Der BEA und die BFU werden sicherlich Deine letzte Frage nicht beantworten wollen und auch können, weil die Antwort6 eine Bewertung darstellen würde!
Diese Frage könnte nur A. L. beantworten. M. E. hat er sie durch seine Tat beantwortet.
Seine mögliche Begründung wird uns möglicherweise verschlossen bleiben.

Dieser Beitrag wurde am 15.04.2015 16:12 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 15.04.2015 - 13:27 Uhr

„…Sicher, wir sind auch schon das ein oder andere mal über das Ziel hinausgeschossen (und haben dafür zu Recht ordentlich Rüffel von unseren Lesern bekommen), aber was gerade passiert geht gar nicht. Vor allem weil sich schon ganz bald die alte Medienweisheit bewahrheiten wird: "Nächste Woche: Neue Sau, anderes Dorf!"
Dennis Dahlenburg“
.
.
Auf die Medien kann man sich verlassen und dann erkennt man doch wohl auch das Spielchen, dass hier stattfindet.
.
.
Wenn ein Staatsanwalt und die französischen Behörden so offen vorpreschen und Aussagen als Fakten schon sicher vortragen, wo noch so viele andere Punkte vollkommen offen und ungeklärt sind, dann müssen einfach die Alarmglocken angehen, dass hier etwas sehr zierorientiert abgewickelt werden soll.
.
Bevor hier wieder irgendetwas in Richtung Verschwörungstheorie, unverbesserlich oder ungläubig äußern möchte folgt hier mal ein kleiner Auszug über die Arbeitsweise eines deutschen OLGs.
.
Hier vom OLG Frankfurt:
„... ich habe Ihre beiden Fax-Schreiben vom XX und XX erhalten. Da Sie am Verfahren nicht beteiligt sind und der Inhalt Ihrer Schreiben keine neuen notwendigen Informationen für dieses Verfahren enthält, sondern die derzeit versuchten Wege... …eher behindert, habe ich Ihre Schreiben in einen von der Akte gesonderten Umschlag genommen und werde sie den übrigen Verfahrensbeteiligten nicht zuleiten…“

So arbeiten die Gerichte auch und so wurden Verfahrensmanipulationen bewusst ignoriert, es wurde niemand gewarnt oder informiert, damit das Gericht zielorientiert weiterarbeiten konnte – gegen die realen Fakten und Rechte! – Was nicht gepasst hat, wurde in Akten richterlich einfach passend gemacht, damit noch eine Entscheidung getroffen werden konnte, die man wissentlich gar nicht mehr treffen durfte!!!
.
- Das hat nichts mit Verschwörungstheorien zu tun, sondern mit Erfahrungen und dem Verlust einer gewissen Naivität.
Uns wundert einfach gar nichts mehr und wir prüfen einfach alles! – und ganz besonders, wenn man so schnell und zielorientiert handelt wie ein Staatsanwalt in Marseilles.
.
.
Traurig ist, dass 4U-9525 nicht der erste Vorfall mit vielen Toten ist, sondern in diese Rubrik andere Vorfälle wie KAL007, der Crash von Überlingen, die vier Flugzeuge von 9/11, Helios Air etc. fallen: - Die Crew funktionierte nicht oder jemand machte Fehler, die Passagiere waren in einem intakten Flugzeug und am Boden musste man zusehen, wie sie in den Tod gingen.
.
Aber so wird sich auch nicht viel ändern wird, wenn es so einfach ist mit den Medien, Gerichten, Staatsanwälten und Ermittlern umzugehen. Die bekommen ihre Knochen zugeworfen und dann geht die Show wieder weiter wie gehabt.
.
.
Vielleicht fangen ja jetzt die Fachleute mal langsam an die Karten auf den Tisch zu legen und sich mal um die lebenden Personen an Bord zu kümmern, dass die eine Chance habe nicht unbedingt sterben zu müssen.
.
.
Hoffen wir mal, dass die BAE und die BFU eine ganz einfache Frage wirklich korrekt und umfassend beantworten dürfen:
.
War es denn wirklich nötig dass diese 150 Menschen noch sterben mussten?
Beitrag vom 05.04.2015 - 10:08 Uhr
Wahrscheinlich hat er das Ganze noch nicht bis ins kleinste Detail durchgeplant, deswegen hat er ja recherchiert. Möglicherweise wurde das Vorhaben leider auch durch die Tatsache, daß er auf einmal alleine im Cockpit war, getriggert. Mit 4000 fpm zu sinken, war ja einzige Parallele. Ohne VCR und FDR hätte es zumindest für Zweifel gereicht (siehe Verschwörungstheorien aller Art).

@Höhenflieger: Danke für die Info über FDR Daten und MODS. Wusste ich so noch nicht!


Stellenmarkt

Schlagzeilen

aero.uk

schiene.de

Meistgelesene Artikel

Community

Thema: Pilotenausbildung

FLUGREVUE 03/2024

Shop

Es gibt neue
Nachrichten bei aero.de

Startseite neu laden