ATTAS
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Simulationsmaschine für gehobene aeronautische Forschungszwecke

DLR ATTAS
Teil der DLR Forschungsflotte: ATTAS / VFW614, © DLR
KÖLN - Die ATTAS ist eines von 12 Forschungs - Luftfahrzeugen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). aero.de Autor Prof. Dr. Claus Schwarze hat diesen Flieger zeitlebens im Geiste mitverfolgt und ihn anlässlich des Tages der DLR am 20.09.2009 in Köln näher angeschaut. ATTAS steht als Abkürzung für: Advanced Technologies Testing Aircraft Systems und bedeutet soviel wie Test- und Simulationsmaschine für gehobene aeronautische Forschungszwecke.

Sie ist weltweit die einzige noch in Dienst stehende Maschine dieses Flugzeugmusters, welches einst der Hoffnungsträger der nach dem Krieg wieder zum Leben erwachten deutschen Luftfahrtindustrie war.

Die mit Elektronik vollgepackte VFW614 wurde 1978 in Dienst gestellt und in den Jahren 1981-1986 von DLR und MBB zu einem Forschungs-Flugzeug umgebaut. Nur 19 Flugzeuge dieses Typs wurden hergestellt, davon drei als Prototypen. Bekanntlich durften nach dem Krieg in Deutschland keine Flugzeuge gebaut werden. Erst Ende der 1960ger Jahre konnte damit begonnen werden, wieder Anschluss an die inzwischen fortgeschrittenen Neuentwicklungen auf dem internationalen Flugzeugmarkt zu suchen.

Dazu gehörte der in den Vereinigten Flugtechnischen Werken, kurz VFW-Fokker, in Lemwerder entwickelte und gebaute zweistrahlige Kurzstreckenjet VFW614, der für 40-44 Passagiere ausgelegt und für schwierige Operationsbedingungen auch in Entwicklungsländern konzipiert war.

Das Besondere dieser Maschine sind die auf die Tragflächen montierten Triebwerke, die auf sog. Trägerpylonen ruhen. Das war damals eine auch international viel diskutierte Neuerung im Flugzeugbau.

Nicht nur die ungewöhnliche Anordnung der Triebwerke, sondern auch die dadurch mögliche Verwendung eines kurzen und sehr stabilen Fahrwerks, bieten gute Voraussetzungen für robuste Start- und Landeeigenschaften auch auf unbefestigten Pisten.

Auffällige Triebwerksanbringung

Mit der neuartigen Befestigung der Triebwerke auf den Tragflächen waren durchgehende Querruder und Landeklappen möglich, welche die Flug-, Start-, und Landeeigenschaften der Maschine begünstigen.

Vor allem wollte man die Triebwerke, die übrigens keine Umkehrschub-vorrichtung besitzen, vor dem Einsaugen von aufgewirbeltem Staub und Fremdkörpern schützen. Dies ist nämlich bei der üblichen Untertragflächen-Aufhängung ein fortwährendes Problem, vor allem bei unvollständig aufgeräumten Start- und Landebahnen.

Durch die seitliche Rumpfabdeckung der Triebwerke konnte die Schallausbreitung nach außen zumindest einseitig gemindert werden. Die Tragflächenabdeckung nach unten dämpft die Schallausbreitung bodenwärts. Die VFW galt damals als leises Flugzeug. Für die Passagiere war das allerdings kein Vorteil, sie hatten unter der fehlenden Tragflächen-Schallabdeckung eher zu leiden.

Die Entwicklung der VFW614 wurde zunächst von der Deutschen Bundesrepublik gefördert, später wurde die Unterstützung aber zu Gunsten der Entwicklung des Airbus zurückgezogen. Unglücklicherweise ging eine Testmaschine durch unbeherrschbares Flattern des Höhen-Ruders verloren. Hinzu kamen damals eine Konjunkturflaute und schleppender Auftragseingang, was bei den fördernden Institutionen Rentabilitätsbedenken auslöste.

Tandem-Steuerungssystem

Außergewöhnlich dürfte auch das Steuerungssystem des zu Forschungszwecken umgerüsteten spitznasigen Flugzeugs sein. Es verfügt sowohl über eine konventionelle mechanisch-hydraulische Steuerung auf dem rechten "Sicherheitspilotensitz", wie auch über eine elektrohydraulische, digitale, sog. "Fly-by-wire" Steuerung auf dem linken "Versuchspilotensitz".

Links befindet sich zusätzlich ein funktionsfähiger Sidestick. In dem ca. vier Meter langen Nasenmast sind frontale und seitliche Strömungssensoren untergebracht.

Per Knopfdruck kann die Maschine jederzeit vom Sicherheitspiloten in die konventionelle Steuerung übernommen werden. So konnte das langwierige und aufwändig-umständliche Zulassungsverfahren für die Umrüstung auf eine ausschließliche Fly-by-wire Steuerung umgangen werden.

Zu den vielfältigen Forschungsaufgaben dieses Flugzeugs gehört u.a. die Untersuchung der berüchtigten Wirbelschleppen, einer gefährlichen Luftverwirbelung, die durch den Auftrieb an den Tragflächen entsteht. Diese Randverwirbelungen an den Tragflächenenden können für nachfolgende landende und startende Maschinen gefährlich werden, weshalb an automatischen Gegensteuerungsmaßnahmen gearbeitet wird, die zukünftig helfen können, Wirbelschleppen-Unfälle zu vermeiden.

ATTAS ist ein fliegender Simulator, der andere, real existierende oder virtuelle Flugzeuge, auch größere Maschinen, per Computer-Simulation nachahmt. Es werden neue, lärmarme Anflugverfahren erprobt. Ein ständiger Datenaustausch zwischen Flugzeug und Bodenstation erlaubt eine effiziente 4D-Kontrolle mit einer genaueren Flugführung und damit verbesserten Nutzung der Flugabschnitte. Letztlich soll mit den verbesserten Flugüberwachungsverfahren auch die Flugsicherheit erhöht werden.

Einsatzende in Sicht

Nach Auskunft eines der Piloten, Stefan Seydel, ist leider das Einsatzende des sehr robusten ATTAS abzusehen, da spezielle Ersatzteile nicht mehr ausreichend verfügbar sind. Insofern versteht sich dieser Bericht auch als Hommage an einen bedeutenden Beitrag Deutschlands zur Geschichte spezieller Flugzeugkonstruktionen.

Ein Exemplar befindet sich als Erinnerung auf dem Bremer Flughafen, je eine weitere Maschine hat ihre neue Heimat im Technikmuseum Sinsheim in Speyer und im DTM in Berlin gefunden. Außerdem ist eine weitere Maschine im Aeronauticum in Nordholz als sog. "Kanzler-Maschine" zu finden, die dort auch für Trauungen zur Verfügung steht.

Als Nachfolgemaschine gilt der von Airbus betriebene A320-232 D-ATRA mit seiner Brennstoffzellen-Erprobungstechnologie und ähnlichen Forschungsaufgaben, wie die VFW.
© Prof. Dr. Claus Schwarze | Abb.: DLR | 02.10.2009 15:22


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#0
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Beitrag vom 17.10.2021 - 20:05 Uhr
was ist, gibt es Probleme?
Beitrag vom 16.08.2021 - 10:34 Uhr
@FloCo:
Das 'bemängele' ich an dem Beitrag:
"Planungen gibt es schon etwas länger. Nur haben die keinen der jeden Nasenpopel ins aero Forum schreibt. Und das hat auch seine Gründe. Und die Ereignisse überschlagen sich aktuell etwas schneller als auch Sie und ich uns das wohl ausmalen konnten. Andererseits kann man nicht bei jedem Ereignis gleich und sofort mit Sack und Pack das Land verlassen. Man hat eine Botschaft in dem Land eingerichtet die schließlich hoheitliche Aufgaben zu erledigen hat, incl. Betreuung der sich vor Ort befindlichen deutschen Bürger.".
Weil es nicht stimmt, quasi komplett falsch ist (und mich, wie schon öfters, diskreditieren sollte).

Außenminister H.Maas und Verteidigungsministerin A.Kramp-Karrenbauer werden zu Recht kritisiert - weil sie die Lage völlig falsch eingeschätzt und entsprechend schlecht 'vorbereitet' haben. Das kann man in anderen Medien (nicht Luftfahrtforen) nachlesen, z.B. auf Spiegel.de.

Aber prinzipiell haben Sie Beide Recht, ich hätte darauf gar nicht reagieren sollen. Mein Fehler.

Tut mir leid, aber ich kann in dem von Ihnen bemängelten Kommentar keinerlei Bezug zu Ihrem Kommentar sehen. Wie soll dieser Kommentar Sie dann diskreditieren?
Der User @Otto West redet über Planungen, die Sie mit keinem Wort erwähnt haben, der User @GB allerdings schon. Wie schaffen Sie es da sich gleich wieder in die Opferrolle zu lesen, dass Sie der User hier diskreditieren will? Der Kommentar von @74 bitte 63 würde dazu taugen; auf den nehmen Sie aber keinen Bezug.

Genau genommen antworten Sie jetzt hier auf einen Kommentar, der keinen wirklichen Bezug zu dem Ihrigen hat mit einer Beleidigung... und das gerade von Ihnen, wo Sie doch immer so sehr auf den guten Umgangston achten und immer sofort nach Moderation, Sperrungen und sonstigen rufen, wenn Sie sich angegriffen fühlen...

Das ist das, was ich nicht verstehe hier...

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