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Ruhiger Chefwechsel bei Lufthansa in turbulenten Zeiten

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Christoph Franz, © Lufthansa AG

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FRANKFURT - In turbulenten Zeiten wechselt Europas größte Fluggesellschaft, die Deutsche Lufthansa AG, ihren Vorstandschef. Zum Jahreswechsel übernimmt der 50 Jahre alte bisherige Vize Christoph Franz das Konzernsteuer vom ausscheidenden Wolfgang Mayrhuber (63), der die Kranichlinie in sieben Jahren zu einem international wachsenden und weitgehend profitablen Airline-Verbund umgebaut hat und als Chefaufseher zu Infineon wechseln wird.

Die aktuellen Unbillen des Wetters oder der politische Ärger um den deutschen Alleingang zur Luftverkehrsabgabe sind für den neuen Konzernchef aber die kleineren Sorgen im Vergleich zur Konkurrenz mit europäischen Billigfliegern und kapitalstarken Netzwerkanbietern aus dem Nahen Osten.

Die äußeren Umstände der Industrie stehen derzeit nicht so günstig für einen weiteren Aufstieg der Lufthansa. Weltweit hat der Luftverkehr zwar die Finanz- und Wirtschaftskrise hinter sich gelassen und zuletzt ein rasantes Wachstum angetreten. Nach einer aktuellen Schätzung der internationalen Luftfahrtorganisation IATA haben die Airlines in diesem Jahr 15 Milliarden US-Dollar (11,4 Mrd Euro) verdient.

Im nächsten Jahr sollen es wegen des stark angestiegenen Ölpreises allerdings nur noch rund neun Milliarden Dollar (6,8 Mrd Euro) werden. Zusätzliches Problem für die Europäer: Das Wachstum findet vor allem in Asien statt.

Natürlich setzt auch die Lufthansa auf die vielgefragten Strecken etwa nach Schanghai, Tokio und Peking. Nicht umsonst werden hier die ersten Groß-Flugzeuge vom Typ Airbus A380 geflogen, die mehr Platz zu günstigeren Kosten bieten. Allein an diesem Detail wird die harte Konkurrenz etwa zu Dubais Gesellschaft "Emirates" deutlich: Die Araber haben bereits 15 Riesenvögel in ihrem Besitz und 75 weitere bestellt.

Zum Vergleich: Die Lufthansa plant bis 2015 die Anschaffung von 15 A380, vier sind bereits in der Luft. Allerdings wird Lufthansa ihre Langstreckenflotte bis 2015 auch mit 20 neuen Boeing 747-8 ausstatten.

Wie ein Staubsauger locken die Scheich-Airlines - neben Emirates noch Etihad und Qatar Airways - die Umsteiger über ihre geografisch günstig gelegenen Wüsten-Hubs, während die Lufthansa im engen Europa um jede zusätzliche Piste an ihrem engen System München-Frankfurt- Düsseldorf heftig ringen muss. Dass sich schiere Größe auszahlen kann, belegt eine Studie der Unternehmensberatung Athur D. Little, der zufolge Emirates mit einem Kostenvorteil von bis zu 30 Prozent arbeitet, der sich auch aus niedrigeren Gebühren und Löhnen erklärt.

Strategie zwischen Wettbewerb, Zukäufen und Interkont

In Europa stellt sich die Lufthansa inzwischen der einstmals belächelten Billig-Konkurrenz: Die Gegner heißen Air Berlin, Ryanair und Easyjet. Die umstrittene Luftverkehrsabgabe scheint zumindest eher das Billigmodell zu erschweren, denn Ryanair hat bereits etliche Verbindungen von und nach Deutschland gestrichen. Die Lufthansa peilt hingegen neue Fracht- und Passagierrekorde an, peilt für 2010 einen operativen Gewinn von mehr als 800 Millionen Euro an und zahlt wieder eine Dividende. Im Börsenbarometer Dax lief die Aktie übers Jahr mit einem Plus von 41 Prozent deutlich besser als der Index.

Auch das Übernahmekarussell angeschlagener Airlines in Europa dürfte sich weiterdrehen. Die unter Mayrhuber übernommenen Austrian Airlines, British Midland und Brussels Airlines fliegen langsam aus den roten Zahlen und um die Dauer-Kandidaten SAS aus Skandinavien und LOT aus Polen ranken sich immer wieder neue Gerüchte. Eine Entscheidung über SAS könnte - glaubt man Konzernkreisen - bereits im ersten Halbjahr 2011 fallen.

In Südamerika lockt ein Einstieg bei der sich aus TAM und LAN Airlines formierenden LATAM, der auch aus strategischem Interesse des Lufthansa-Bündnisses Star Alliance in Franz` Blickfeld rücken könnte.

Ebenso könnte Franz die weitere Verzweigung des Konzernverbunds zunächst aber aussetzen, um sich auf die Stärkung der Kernmarke zu konzentrieren, die er als Passage-Vorstand zuletzt bereits leitete. Der Interkontverkehr verspricht Lufthansa trotz zunehmender Konkurrenz aus Nahost beste Geschäftsaussichten.

Von Swiss zu Climb 2011

Viel Arbeit also für den häufig als nüchtern und entschlossen beschriebenen Franz, der sich bislang vor allem als Kostendrücker profiliert hat. Er machte aus der maroden Swiss den stabilsten Gewinnbringer des Konzerns und verlangte mit dem ambitionierten Sparprogramm "Climb 2011" auch den alteingesessenen Lufthanseaten bereits einiges ab.

Im Vorstand ist der frühere Bahn-Manager, der aber bei der Lufthansa angefangen hatte, seit Juni 2009, sein Wechsel auf den Chefposten wurde von langer Hand vorbereitet. Dass ihm die über Jahrzehnte gewachsene Lufthansa-Bürokratie weitere Ansatzpunkte für Sparprogramme bietet, gilt als sicher. Franz zur Seite steht das neue Vorstandsmitglied Carsten Spohr (44), der bisher die Frachttochter Cargo geleitet hat und bereits als der nächste Lufthansa-Chef gehandelt wird.
© dpa, aero.de | Abb.: Deutsche Lufthansa AG | 28.12.2010 10:20


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