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Frankfurter Nachtflugverbot bringt vorläufige Ruhe und gefährdet Jobs

Lufthansa am Flughafen Frankfurt
Lufthansa am Flughafen Frankfurt, © world-of-aviation.de, Bjoern Schmitt Aviation Photography

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FRANKFURT - Der Frachtabfertiger Andreas Eckhardt weiß, wofür er demonstriert: "Ich bin hier, weil wir gerne weiter arbeiten wollen, das wird dünn ohne Nachtflüge", sagt der 38-Jährige und ruft: "Die Fracht braucht die Nacht". Den Slogan teilt er mit seinem Chef Karl Ulrich Garnadt und dem Lufthansa-Vorstandsvorsitzenden Christoph Franz. Vergeblich haben sie sich gegen das kurzfristig vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) verhängte absolute Nachtflugverbot gewehrt.

Das Verbot zwingt die Lufthansa, den Flugplan in den Zeiten zwischen 23.00 und 05.00 Uhr kostenträchtig umzustricken.

Ganz anders sehen die über lange Jahre von Misserfolgen gebeutelten Ausbaugegner die Entscheidung des Kasseler Gerichts: "Wir werten das schon als Erfolg, aber Euphorie kommt bei uns nicht auf", sagt Helmut Hahn vom Bündnis der Bürgerinitiativen. Das Nachtflugverbot gilt nur vorläufig bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig, das die Sache im März mündlich verhandeln will. "Die eigentliche Entscheidung steht noch aus. Wir hoffen auf eine Zahl der Nachtflüge nahe Null."

Am Montagabend (31. Oktober) wird wegen des Richterspruchs erstmals eine mit 90 Tonnen Fracht beladene McDonell Douglas MD 11 in wenigen Minuten von Frankfurt nach Köln/Bonn "hüpfen", um dort auf ihren Start am frühen Dienstag um 02.15 Uhr Richtung Peking zu warten. Erst zu diesem Zeitpunkt sind die Überflugrechte in Russland und die langfristig abgesprochenen Slots am Flughafen der chinesischen Hauptstadt gesichert.

"Wir brauchen dafür eine Extra-Crew, weil anders die Ruhezeiten nicht einzuhalten sind", schildert LH-Cargo-Sprecher Michael Göntgens zusätzliche Probleme des umständlichen Mini-Flugs. Die extra angeheuerten Piloten müssen in Köln übernachten oder nach Frankfurt zurückgefahren werden.

Verzwickte Umlaufprobleme ergeben sich ebenso aus dem um wenige Stunden in den Morgen verschobenen Start des Lufthansa-Frachters nach Nairobi. Die Crew erreicht nicht mehr ihre sonst übliche Tour, die bislang nach einer Ruhepause einen Flug nach Kapstadt und zurück nach Nairobi vorsah, bevor es dann wieder nach Frankfurt ging. "Die Umläufe sind hin, wir müssen zusätzliche Crews bereitstellen", sagt Göntgens. Zwei China-Flüge hat LH Cargo sogar komplett gestrichen.

Ab Januar soll zudem in Frankfurt eingesammelte Fracht per Lastwagen nach Köln gefahren werden, wo in der Nacht eine Maschine zum "Nachtsprung" nach New York abhebt. Die Zeitverschiebung hilft, dass die transportierten Waren zur günstigen Tageszeit am frühen Morgen in den USA eintreffen.

Lufthansa-Chef Franz schimpft über die Millionen Liter Diesel und Kerosin, die nun unnötigerweise verbrannt werden müssten, um das Frachtgeschäft am Leben zu erhalten. Die Gewinneinbußen summierten sich auf zweistellige Millionenbeträge. Ähnlich äußert sich die Chefin von Nightexpress, nach der Lufthansa zweitwichtigster Frachtcarrier in Frankfurt. Ohne Sonderflüge in der Nacht verliere man nicht nur Umsatz und Kunden, sondern auch den "guten Ruf als Notfall-Logistiker", kritisiert Yvonne Boag.

Die wirtschaftlichen Folgen sind laut Lufthansa Cargo noch zu einem guten Teil unbekannt. "Wir beobachten, wie unser geringeres und mit einem größeren Aufwand bereitgestelltes Angebot von den Kunden genutzt wird", sagt Sprecher Göntgens. Entlassungen oder auch nur Kurzarbeit seien nach bisherigem Stand nicht geplant, da bislang das Flugverbot nur vorläufig gilt. Sollte es auf Dauer kommen, erwartet Betriebsratschef Ralf Müller die Streichung von 1.000 der bislang 2.700 Cargo-Jobs bei der Lufthansa in Frankfurt.

Letztlich stünde das gesamte Betriebsmodell zur Disposition, denn Lufthansa nutzt bislang die Frachträume der Passagiermaschinen gleichermaßen zum Transport der Güter wie die 18 reinen Frachter. Für das notwendige Umladen wird aber zwingend ein zentrales Ladezentrum benötigt, das bislang in Frankfurt steht.

Die Ausbaugegner halten die dauernden Hinweise von Luftverkehrswirtschaft und Politik für unzulässigen Druck auf die Leipziger Bundesrichter. "Auch die lesen Zeitung. Für mich stellen Fraport und Lufthansa die Unabhängigkeit des Gerichts in Frage", sagt BI-Sprecher Hahn. Für die Bürgerinitiativen sind die von der Landesregierung zugelassenen, und nun vom Gericht vorläufig gestoppten 17 Nachtflüge nur der "Fuß in der Tür". Bislang sei der umfangreiche Nachtflugbetrieb in Frankfurt wesentlich auf der Grundlage von Ausnahmegenehmigungen abgewickelt worden. "Solche Ausnahmen kämen dann auch wieder auf dem Weg zu einem 24-Stunden-Betrieb."
© Christian Ebner und Stephanie Kirchner, dpa | Abb.: world-of-aviation.de, Bjoern Schmitt Aviation Photography | 27.10.2011 07:36

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Beitrag vom 28.10.2011 - 18:08 Uhr
"Wer daran einen Zweifel hegt darf durchaus als populistisch und radikal bezeichnet werden."

Was für ein Quatsch. Wer daran Zweifel hegt hat höchstens wenig Vertrauen in die Richtiger. Als radikal oder populistisch sollte man eher jemanden bezeichnen, der dazu aufruft ein solches Misstrauen zu diffamieren.
Beitrag vom 27.10.2011 - 11:21 Uhr
...das war vorherzusehen! Dass Lufthansa Cargo auf Grund dieser richterlichen Entscheidung Mitarbeiterentlassungen in Erwägung zieht. Ein börsennotiertes Unternehmen kann es sich nicht leisten, Mitarbeiter zu weiter zu beschäftigen, wenn es für diese keine Arbeit mehr gibt.

fast schon profilneurotisch ist hingegen die Aussage von Herrn Hahn (BI_Sprecher) zu betrachten, der hier das öffentlich geäußerte und berechtigte Unverständnis, über das Gerichtsurteil, von FRAPORT und Lufthansa, als unzulässigen Druck auf die Leipziger Bundesrichter bezeichnet.
Man wird mit Sicherheit davon ausgehen können, dass die Bundesrichter ein Urteil fällen werden, welches sie auf einer gesetzlichen Grundlage verargumentieren und vor allem auch vertreten können.

Wer daran einen Zweifel hegt darf durchaus als populistisch und radikal bezeichnet werden.


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