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Wenn Ende Mai noch nicht hinreichend sicher sei, dass die Boeing-Maschinen vom Typ 737 Max wieder abheben können, müsse Tui die Leasingverträge für Ersatzflugzeuge für den Rest des Sommers verlängern, teilte der Konzern am Mittwoch in Hannover mit. Auch die Buchungen für die wichtigste Reisezeit des Jahres schwächeln. Tui-Chef Fritz Joussen sieht seinen Konzern dennoch als Gewinner.
Am Finanzmarkt wurden die Nachrichten positiv aufgenommen. Im frühen Handel legte der Kurs der Tui-Aktie um fast drei Prozent zu. Im Vergleich zu Mai 2018 hat sich der Börsenwert des Unternehmens allerdings auf rund 5,6 Milliarden Euro mehr als halbiert - auch weil der Vorstand sein Gewinnziel seit Anfang 2018 zweimal zusammenstreichen musste.
Falls Tui im Sommer tatsächlich mit so vielen Ersatzmaschinen fliegen muss, kostet das den Konzern nach bisherigen Berechnungen rund 300 Millionen Euro. Der operative Gewinn (bereinigtes Ebita) dürfte im laufenden Geschäftsjahr (Ende September) dadurch um bis zu 26 Prozent einbrechen.
Diese Prognose hatte Joussen bereits Ende März genannt, aber für den Fall einer früheren Startfreigabe einen Rückgang um nur 17 Prozent in Aussicht gestellt. Im vergangenen Geschäftsjahr hatte Tui einen operativen Gewinn von knapp 1,2 Milliarden Euro erzielt.
Um den Einbruch zu begrenzen, müsste Tui die betroffenen Jets spätestens Mitte Juli wieder einsetzen können. Die Zeit für eine Entscheidung wird knapp. Das "Wall Street Journal" hatte zuletzt berichtet, dass die Maschinen voraussichtlich nicht vor Mitte August starten dürften. Damit stünden sie für große Teile des Ferienverkehrs nicht zur Verfügung.
Tui hat 15 Flugzeuge der Reihe und sollte für den Sommer acht weitere bekommen. Diese sollten teilweise auch bei der deutschen Tochter Tuifly eingesetzt werden. Tui sprach bereits Ende März mit Boeing darüber, inwieweit der US-Konzern ihm den Schaden erstattet.
Die US-Luftfahrtbehörde FAA ist gerade dabei, eine von Boeing verbesserte Software für das Flugsteuerungssystem MCAS zu zertifizieren. Die Software gilt als mögliche Ursache der Abstürze zweier Maschinen der indonesischen Fluglinie Lion Air und der äthiopischen Gesellschaft Ethiopian Airlines, bei denen insgesamt 346 Menschen starben.
Die FAA hatte bereits Anfang Mai mitgeteilt, dass der Zertifizierungsprozess einige Monate in Anspruch nehmen kann. Derzeit gilt weltweit ein Flugverbot für die Maschinen des Typs.
Im Winterhalbjahr bis Ende März trieb das Boeing-Desaster den Tui-Konzern bereits tiefer in die roten Zahlen. Der saisontypische Nettoverlust stieg um mehr als ein Fünftel auf 341 Millionen Euro. Allerdings hatte der Verkauf mehrerer Hotels der Riu-Kette dem Konzern ein Jahr zuvor einen Sondergewinn beschert. Der Konzernumsatz zog nun um knapp 2 Prozent auf fast 6,7 Milliarden Euro an.
Vorstandschef Joussen sieht den Reiseriesen trotz der Probleme sowie der jüngsten Pleiten und Übernahmen im Luftfahrtgeschäft gut gerüstet: "Aus der derzeitigen Konsolidierung der Branche in Europa wird Tui stärker, effizienter und profitabler hervorgehen."
Der Tui-Rivale Thomas Cook (Neckermann Reisen) kämpft mit Problemen und hat seine Fluggesellschaften samt dem deutschen Ferienflieger Condor zum Verkauf gestellt. An der Airline ist auch die deutsche Lufthansa interessiert, zu der Condor bereits früher einmal gehört hatte.
Unterdessen läuft das Sommergeschäft bei Tui nicht so gut an. Die Buchungen lägen derzeit drei Prozent niedriger als im Vorjahr, die Preise ein Prozent höher, hieß es. Zugleich lägen die Gewinnspannen für den Veranstalter niedriger als noch 2018. Im Winterhalbjahr bekam Tui Überkapazitäten vor allem bei Reisen auf die Kanaren zu spüren, was auf Umsatz und Ergebnis drückte. Die Buchungslage für die Türkei und andere Ziele im östlichen Mittelmeer sei hingegen positiv, hieß es. Dies werde sich aber erst in den Ergebnissen für das Sommerhalbjahr widerspiegeln.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: TUIfly | 15.05.2019 08:15
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Bei der Konkurrenz ist der Abverkauf der Airline Sparte bei Thomas Cook vor diesem Hintergrund ein kluger Schachzug, denn im kommenden Jahr wird man als Veranstalter Sitze günstiger einkaufen können als sie selbst zu produzieren. Nach dreißig Jahren in dem Business ist es nicht das erste Mal das es so kommt. Diesmal nur viel größer und mit all den negativen Auswirkungen für Arbeitsplätze hier und dort. Auch die Diskussion um das Klima und ihre Auswirkungen auf das Reiseverhalten sind da noch nicht mal eingepreist, geschweige denn wie es bei Boeing weitergeht. Als Vorreiter im vorauseilenden Gehorsam wird gerade Deutschland wieder stark am eigenen Ast sägen auf dem man sitzt, was unser Aviationbranche erheblich zusetzen wird und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Dieser Beitrag wurde am 15.05.2019 09:59 Uhr bearbeitet.