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Blue Air will endlich Gewinne einfliegen

Blue Air Boeing 737-300
Blue Air Boeing 737-300, © Rares Mandu
BUKAREST - Die größte rumänische Airline ist notorisch unprofitabel, jetzt sollen ein Veteran von Lufthansa und Anteilseigner Zeitfracht ihr aus den roten Zahlen helfen. aero.de hat mit dem neuen Vertriebsvorstand Carsten Schaeffer über die Strategie für Blue Air gesprochen.

Rumänien ist ein schwieriger Luftfahrtmarkt, aber einer der wächst, weil die Durchschnittseinkommen massiv steigen. Es ist das zweitärmste Land in der EU und liegt nach IATA-Angaben mit zehn Millionen abgeflogener Passagiere (2017) in der Gemeinschaft beim Verkehrsaufkommen auf Rang 23.

Aber die IATA betont auch, dass sich zwischen 2013 und 2018 die Konnektivität des Landes durch den Luftverkehr um 76 Prozent erhöht hat, wobei sie den Begriff nicht näher definiert.

Klarer Marktführer im Verkehr von und nach Rumänien ist der ungarische Billigflieger Wizz Air, vom Passagiervolumen größer als beide rumänischen Gesellschaften zusammen, führend dabei ist der private Billigflieger Blue Air, noch vor der Staatslinie Tarom.

Blue Air wurde 2004 gegründet von einem Geschäftsmann, der Ende 2017 für die Veruntreuung öffentlicher Gelder zu mehr als sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Derzeit kontrollieren zwei rumänische Investoren die Gesellschaft, einer davon ist selbst Pilot.

Beide rumänischen Airlines sind seit jeher unprofitabel, "und zwei Airlines sind für einen kleinen Markt relativ viel", sagt Carsten Schaeffer, seit April Chief Commercial Officer bei Blue Air, in einem exklusiven Interview mit aero.de.

Der deutsche Luftfahrtveteran fing 1983 bei der Lufthansa an, in den letzten Monaten der Firmengeschichte arbeitete er bei Air Berlin. Deren damaliger Chef Thomas Winkelmann steht jetzt in Diensten des Berliner Logistikers Zeitfracht, der die deutschen Gesellschaften LGW und WDL übernommen hatte um damit nach eigenen Angaben der größte Wet-Lease-Anbieter in Deutschland zu werden.

Seit Februar hält Zeitfracht auch zehn Prozent an Blue Air. Das sei ein "strategisches Investment", teilt die Firma gegenüber aero.de mit. In diesem Kontext ist die Tätigkeit von Carsten Schaeffer in Bukarest zu sehen. "Mein Fokus ist es, eine profitable rumänische Fluggesellschaft mitzugestalten", so der CCO.

Tatsache ist, dass Blue Air stark wächst, 2018 beförderte die Gesellschaft mit ihren heute 24 Flugzeugen über 5,5 Millionen Passagiere und damit mehr als Tarom. Das Passagieraufkommen stieg dabei ebenso um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr wie der Umsatz, der auf 460 Millionen Euro kletterte.

Blue fliegt ausschließlich Boeing 737, alle Baureihen von der -300 über die -400 und -500 bis zur 737-800, die mit 15 Jets den größten Anteil ausmacht. Dabei gehört die Flotte mit einem Durchschnittsalter von über 21 Jahren zu den ältesten in Europa, eine 737-300 bringt es sogar auf 30 Jahre.

"Zum Winterflugplan 2019/2020 werden wir noch maximal zwei Flugzeugtypen betreiben, die 737-800 und die 737 MAX 8, bei der wir davon ausgehen, dass sie bis dahin wieder fliegen wird", sagt Carsten Schaeffer.

Blue Air wollte vor dem Grounding zwölf 737 MAX 8 leasen, die ersten zwei sollten in diesem Sommer eintreffen. Nach aero.de-Informationen hatten Berater stark von der MAX abgeraten.

"Die ist für Blue Air unsinnig, die Leasingraten sind zu teuer und auf dem Streckennetz lassen sich ihre Vorteile nicht ausspielen, eine reine 737-800-Flotte wäre sinnvoll", so ein Insider, der ungenannt bleiben möchte, gegenüber aero.de.

Derzeit profitiert Blue Air aber vom MAX-Grounding, zwei 737-800 fliegen zur Zeit im Wet Lease bei LOT und sollen anschließend bei Norwegian ebenfalls den MAX-Ausfall überbrücken helfen. Eine weitere 737 von Blue Air inklusive Besatzung setzt Condor derzeit ab Stuttgart ein.

"Sollte die MAX nicht flugtauglich sein im Winter werden wir nur mit 737-800 fliegen", erklärt Carsten Schaeffer, dann mit zusätzlich geleasten Flugzeugen.

Das Hauptproblem bei Blue Air ist, dass es auch intern keine verlässlichen Zahlen gibt und dass sie vermutlich noch nie wirklich Geld verdient hat. "Blue Air ist ohne Eigenkapital viel zu schnell gewachsen", berichtet der Insider, "ohne neues Eigenkapital (...) ist die Firma nicht überlebensfähig."

Derzeit werden erneut Kapitalgeber gesucht, Ausgang ungewiss. Bis dato hatte Blue Air vor allem auf Pump gelebt. "Blue Air hatte aber irgendwann ein Problem damit, die nötigen Sicherheiten zu hinterlegen, weil sie nirgends mehr eine Kreditlinie bekamen, da ist Zeitfracht eingesprungen und hat die Zahlungsabsicherung übernommen", so der Insider.

Jetzt muss Blue Air Geld verdienen, "und das ganzjährig, auch im Winter", betont Carsten Schaeffer. Unklar bleibt die Rolle von Zeitfracht. Rumänische Medien berichten, die Firma wolle die Mehrheit übernehmen – "dazu fehlen Zeitfracht die finanziellen Mittel", erklärt der Insider, im Gegenteil, Zeitfracht wolle aussteigen.

Offiziell erklärt Zeitfracht, man wolle Blue Air zu "nachhaltigem positivem Wachstum" führen. "Gerüchte - weder über einen Verkauf noch über einen Kauf weiterer Anteile - kommentieren wir grundsätzlich nicht", so die Aussage gegenüber aero.de.

Vereinfachung der Strukturen

Schwarze Zahlen sollen vor allem durch eine Verminderung der Komplexität gelingen. Die Gesellschaft betreibt weiterhin vier Basen in Rumänien, eine in Larnaka auf Zypern und eine in Turin mit jeweils zwei stationierten Flugzeugen, während Liverpool geschlossen wurde.

Blue Air hatte zuvor zeitweise Flüge von Bukarest via Hamburg nach Liverpool angeboten. Die Gesellschaft fliegt in Deutschland ab Bukarest neben der Hansestadt auch Köln/Bonn, Stuttgart und München an, keine dieser Strecken wird täglich bedient.

Blue Air zielt vor allem auf rumänische Passagiere, neben Urlaubern generieren die zahlreichen Rumänen Verkehr, die im europäischen Ausland leben. Dabei ist Deutschland nach Italien, Spanien und Großbritannien der viertgrößte Markt.

Problem ist, dass es nahezu keine Geschäftsreisenden gibt und daher großer Preisdruck und hohe Saisonalität herrschen. Carsten Schaeffer will sich deshalb auf reinen Punkt-zu-Punkt-Verkehr konzentrieren und nicht wie bisher noch Umsteigeverbindungen anbieten, gleichzeitig sollen die Einkünfte aus Zusatzleistungen an Bord erhöht werden, für die bisher die nötige Datenverarbeitung fehlte.

Während Wizz Air bereits 40 Prozent ihres Umsatzes mit solchen Extras erwirtschaftet, waren es bei Blue Air bisher gerade zehn Prozent. "Wichtig sind vor allem Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit", weiß Carsten Schaeffer, "wir halten unsere Zusagen ein und müssen das auch stärker kommunizieren und gegen das Image von Rumänien anarbeiten."
© Andreas Spaeth | Abb.: Blue Air, Rares Mandu | 20.05.2019 11:49


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