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Weitere 400 Millionen Euro und sechs Monate Aufschub für Alitalia: in ihrer Regelmäßigkeit wäre diese Nachricht inzwischen eine Randnotiz. Wäre, wenn es nicht die europäischen Wettbewerbshüter und Wettbewerber gäbe, die schon lange ein Auge auf die lebensverlängernden Maßnahmen für die italienische Airline haben.
Längst liegen in Brüssel Beschwerden gegen die wiederholten Staatshilfen vor, die sich allein seit 2017 und den neuen Kredit eingerechnet auf inzwischen 1,3 Milliarden Euro summieren. Unterzeichner: Ryanair, die International Airlines Group IAG, Adria Airways (mittlerweile selbst bankrott), Lufthansa.
Zwar ist es den Sonderverwaltern in den vergangenen zwei Jahren gelungen, die Produktivität und den Umsatz der Airline zu steigern. Sie haben rentable Märkte wie Brasilien ausgebaut - und nicht zuletzt Kostenfallen wie überteuerte Leasingverträge aufgedeckt und geschlossen.
Den großen Wurf, eine wirkliche Umstrukturierung, haben sie bisher aber nicht gelandet. Kein Wunder, denn sie mussten ihre Schritte austarieren zwischen populistischen Forderungen wechselnder Regierungen, dem Clinch zwischen dem Staat und dem ehemals vielversprechenden Rettungspartner Atlantia, den Verhandlungen mit starken Gewerkschaften und nicht zuletzt der öffentlichen Meinung.
Denn nach wie vor stehen gut 11.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die Belegschaft hat für den 13. Dezember einen Streik angekündigt.
Offiziell habe die italienische Regierung die Europäische Kommission noch nicht über den neuen Kredit informiert, heißt es in italienischen Medien. Infrastrukturministerin Paola de Micheli gibt sich jedoch zuversichtlich, dass die Kommission kompromissbereit ist, "damit wir eine Lösung für die Probleme der Italiener finden und uns innerhalb der europäischen Regeln bewegen."
Mehr Entscheidungsgewalt für Sonderverwalter
Garantieren möchte die Regierung das europäische Wohlwollen offenbar, indem sie den Sonderverwaltern oder einem übergeordenten Sonderverwalter - diese Entscheidung steht noch aus – eine größere Gestaltungskraft zugesteht.
Diese würde die Entscheidung über unliebsame Maßnahmen wie Entlassungen und eine Verkleinerung der Flotte einschließen. Am Ende einer solchen Umstrukturierung könnte eine Alitalia stehen, die so aussieht, wie Lufthansa sie sich gewünscht hat.
Delta scheint nach Lesart der italienischen Medien politisch und von Seiten Atlantias nicht mehr gewünscht. Bei einer Verstaatlichung, die nach dem Ausscheiden Atlantias ebenfalls im Gespräch war, stellt sich ebenfalls die Frage, was Brüssel dazu sagen würde.
Inzwischen scheint sich auch in Italien die Geduld mit der Airline dem Ende zuzuneigen. "Ich wünsche Alitalia alles Gute", zitiert der "Corriere della Sera" den Verwalter des Betreibers der Mailänder Flughäfen Armando Brunini. "Aber entweder soll sie funktionieren oder anderen den Platz überlassen." Der Platz, das sind in Bruninis Fall zwei Drittel der Slots.
Eine Entscheidung zwischen beiden Optionen könnte es bereits vor Ablauf der neuen Frist geben. Sie könnte in Brüssel fallen.
© aero.de | Abb.: Alitalia | 04.12.2019 11:12
Kommentare (3) Zur Startseite
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Insofern relativieren sich m.E. die Hoffnungen gewisser Interessengruppen auf eine A-la-Carte-Lösung zu ihren Gunsten noch deutlicher.
Im Übrigen benüht mir der Artikel auffällig häufig den Konjunktiv. Sicht- und spürbar v.a. im letzten Satz, der so klingt, als wünschte sich boa eine Intervention «Brüssels» zulasten Italiens (und zugunsten jener Externer, die diesen Markt zu kontrollieren wünschen). Aber ich fürchte, diese Hoffnung boas und anderer dürfte sich nicht erfüllen. Schon rein politisch nicht, da externe Einmischungsversuche in dieser heiklen Sache die ohnehin fragile M5S-PD-Regierungskoalition arg in Bedrängnis bringen könnte, indem sie dem rechten Lager um Salvinis Lega in die Hände spielen würde. Kein Wunder, hat sich «Brüssel» zum neuen Darlehen an Alitalia bislang nicht geäussert…
Wesentlich wahrscheinlicher erscheint mir vor diesem Hintergrund die Option einer Verstaatlichung zu sein; Wirtschaftsentwicklungsminister Patuanelli steht positiv dazu und meint, das dürfe absolut «kein Tabu» sein…