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Manfred Samhaber hat in seinem langen Fliegerleben schon vieles erlebt. Der 63jährige ist einer der dienstältesten Flugkapitäne bei Austrian Airlines, fliegt seit langem die Boeing 777, deren Chefpilot er bei der früheren Lauda Air war. Sein Einsatz vom vergangenen Wochenende bedeutete aber auch für den jugendlich wirkenden Cockpit-Veteranen Neuland.
Zur Rückholung in Australien gestrandeter österreichischer Touristen wurde er kurzfristig gebeten, eine Boeing 777 von Wien nach Sydney zu fliegen. Eigentlich Routine für Samhaber, ist er doch zu Lauda- und später AUA-Zeiten fast 18 Jahre lang Australien-Strecken geflogen und war vor bald zwei Jahrzehnten sogar fast ein Jahr in Sydney stationiert.
Aber die Art und Weise, wie er vergangenen Samstag zum ersten Mal nach 13 Jahren wieder zum Fünften Kontinent aufbrach, war alles andere als Routine. "Die Zeiten sind total verrückt", sagt Samhaber in einem Interview mit aero.de.
Und genau das führte dazu, dass es erstmals in der Luftfahrtgeschichte einen Nonstop-Flug von Wien nach Sydney gab, eine auf kürzester Distanz schon 15.980 Kilometer weite Strecke. Undenkbar eine solche Ultralangstrecke jemals als kommerziellen Linienflug anzubieten.
Aber Flug OS1 - "Austrian One" - mit der Boeing 777-200ER "Spirit of Austria", Kennzeichen OE-LPD, hatte keinen kommerziellen Hintergrund. Er war vom österreichischen Außenministerium gechartert worden. Auf dem Hinweg waren gerade mal 15 Crew-Mitglieder an Bord plus ein Lademeister sowie eine Vertreterin des Wiener Außenministeriums.
Entscheidendes Kriterium bei der Flugplanung war die Einhaltung der maximalen legalen Einsatzzeit der Besatzung. "Die beträgt 18 Stunden, aber wir wurden gebeten, die Flugzeit so kurz wie möglich zu halten, um die anschließend nötige Ruhezeit nicht zu lang werden zu lassen. Wir hatten auch eine Ausnahmegenehmigung von der Austrocontrol, unserer Flugsicherung, bekommen, die uns eine noch längere Einsatzzeit erlaubt hat", erklärt Samhaber.
Außerdem nahm die AUA selbst eine Risikoanalyse vor, in der auch festgelegt wurde, wie die Besatzung die Ruhezeiten an Bord und in Sydney einhalten sollte. Die tatsächliche Flugzeit bei der Landung in Australien waren 17 Stunden und 46 Minuten.
"Unser ursprünglicher Plan war eine Flugzeit von 18 Stunden und 20 Minuten bei normaler Geschwindigkeit. Üblich ist bei der Boeing 777 eine Reisegeschwindigkeit von Mach 0,835, wir sind aber schneller geflogen, im Schnitt Mach 0,85, das macht auf der Strecke schon eine halbe Stunde weniger Flugzeit aus", so der AUA-Kapitän.
Die maximale Reisegeschwindigkeit der 777 liegt nach seinen Angaben bei Mach 0,856. An Bord waren zwei Cockpitbesatzungen, die sich die Flugzeit gleichmäßig auf Schichten von jeweils vier Stunden und fünf Minuten Dauer aufteilten.
"Ich habe von Wien bis fast Afghanistan geschlafen, dann bin ich von Afghanistan bis Bangkok geflogen, dann ist die andere Crew von Bangkok bis Bali geflogen und ab Bali bis Sydney zur Landung war ich wieder dran", berichtet Samhaber. "Wir hatten 137 Tonnen Treibstoff getankt und in Sydney waren immer noch 13,4 Tonnen an Bord, trotz der hohen Geschwindigkeit, wir hätten noch eine Stunde fliegen können."
Gespenstischer Empfang
Aufgrund der weitgehend leeren Kabine hätte man sich auch ausgiebig bewegen und den 60 Meter langen Gang abschreiten können, berichtet die Besatzung.
In Sydney selbst war der Empfang eher gespenstisch, bei der Einreise trugen alle Bediensteten vollständige Schutzkleidung, die Crew wurde direkt ins Hotel eskortiert und durfte ihre Zimmer während des knapp 24stündigen Aufenthalts quasi nicht verlassen, Essen sei vor der Tür abgestellt worden.
Für den Rückflug wurden dann insgesamt 292 Passgiere, darunter auch andere EU-Bürger, zunächst von Samhaber und seinen Kollegen nach Penang in Malaysia geflogen. Dort übernahm eine frische Crew, Samhaber und Kollegen flogen als Passagiere zurück nach Wien.
"Wir sind stolz Teil dieser großartigen Rückholaktion zu sein", sagt Manfred Samhaber. "Vielleicht besteht hier auch für uns ein höheres Ansteckungsrisiko als wenn man längere Zeit in der Wohnung verbringt", ist sich der 63jährige bewusst, "aber vom Unternehmen her wurden alle nötigen Vorkehrungen getroffen - inklusive der Pflicht zum Tragen von Gesichtsmasken am Boden und in der Kabine."
Lufthansa-Flug nach Auckland
Lufthansa-Kapitän Holger Feldberg hatte diese Sorge weniger, als er am vergangenen Wochenende ebenfalls sehr viel weiter entfernt unterwegs war als üblich: Er steuerte eine Boeing 747 auf dem zweiten Streckenabschnitt von Tokio nach Auckland in Neuseeland, um Touristen abzuholen. "Ich persönlich habe mir keine großen Sorgen um meine Gesundheit gemacht, weil die Zahl der Infizierten in Neuseeland zu der Zeit bei nur 350 Fällen lag", sagt Feldberg.
Es musste alles improvisiert werden, was schon damit begann dass der 56jährige Ausbildungspilot Flugunterlagen für Auckland von Emirates bekam, sich auf Flugkarten aus Papier verließ und Teile der Flugvorbereitung über sein privates Jeppesen-Navigationsprogramm abwickelte.I
Improvisation war auch vor Ort nötig, da Lufthansa sonst Auckland nicht anfliegt: fer Check-in der Passagiere erfolgte von Hand, nicht am Computer, und Feldberg persönlich war drei Stunden zusammen mit einem Mitarbeiter der deutschen Botschaft dabei um zu entscheiden, welche Härtefälle unter den Passagieren auf verbleibenden Plätzen noch mitgenommen wurden.
Feldberg sorgte dafür, dass sogar die sogenannten Jumpseats in der Kabine, wo sonst Flugbegleiter sitzen, mit Passagieren belegt wurden, am Ende waren mit der Besatzung 406 Menschen an Bord beim Rückflug via Tokio nach Frankfurt.
"Es war eine Genugtuung, Gäste zu fliegen, die das wertschätzen und wo man ein Gefühl hat, nicht einfach Leute oder Güter zu befördern, sondern etwas Gutes getan zu haben", sagt Feldberg. "Das war eine tolle Erfahrung, zu sehen wie das ist, wenn alle an einem Strang ziehen und das Gefühl haben, gemeinsam etwas Gutes zu tun."
© aero.de, Andreas Spaeth | Abb.: Lufthansa, Austrian Airlines | 04.04.2020 08:31
Kommentare (11) Zur Startseite
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Ausserdem sind sie nach dem Umlauf auch ein schönes Erinnerungsstück an einen Rettungsflug für die Wand.
Das muss jeder Pilot für sich entscheiden, ob er sich "nur" mit Basics vorbereitet oder ggf. additive Infos abruft und verwendet.
Ich nehme an dass mal wieder der "Ironie" Hinweis vergessen wurde.
Nein, ich meine das dieses Mal Ernst ;-)
Flugvorbereitung kann mit den vom AG zur Verfügung gestellten Mitteln legal durchgeführt werden.
Ich persönlich kenne nur wenige, die nicht auch zusätzliche Quellen (Wetterradar APPs oder ähnliches) nutzen. Das ist sowohl zum Nutzen der Firma, als auch zur Erhöhung der Sicherheit nicht zu verurteilen, solange es sich bei Flugsicherheits relevante Entscheidungen nicht ausschließlich darauf bezieht...
Plus die Firmen leisten sich meistens auch nur die Software die Need-To-Have ist. Aber es gibt eben auch ein Haufen Programme/Software die Nice to have sind und das Gesamtbild (z.B. der Wetterlage) verbessern.