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Flugzeuge, die nicht fliegen, machen jede Menge Arbeit. "Wir sind immer noch dafür zuständig, die großen Vögel flugbereit zu halten", sagt Kristof Meerten, Operations Manager Line and Light Maintenance bei Brussels Airlines.
Seit März war die komplette Flotte der belgischen Lufthansa-Tochter am Boden, erst im Juni erfolgte die allmähliche Rückkehr in den laufenden Betrieb. Damit der reibungslos gelingen konnte, kümmerten sich in der Stillstandszeit 30 Maintenance-Experten und Ingenieure in Vollzeit um die gegroundete Flotte.
Es gibt zwei Möglichkeiten, Flugzeuge temporär stillzulegen: Parken und Lagern (englisch: Storage). Was darunter zu verstehen ist, definiert jeder Flugzeughersteller etwas anders, sagt Meerten.
Wesentliche Unterschiede sind die geplante Standzeit sowie der Instandhaltungsaufwand vor, während und am Ende des Groundings und damit auch die Kosten des Stillstands.
Laut Airbus können Flugzeuge bis zu sechs Monate geparkt werden, bei einer Stilllegung von bis zu zwei Jahren handelt es sich um Lagerung. Bei Brussels Airlines waren Ende April 36 der insgesamt 48 Airbus-Flugzeuge am Flughafen Brüssel geparkt, weitere sechs gelagert (die restlichen Jets wurden noch für Rückholflüge von Touristen sowie Frachttransporte genutzt).
Möglichst wenig Arbeitskraft
"Bei der Lagerung geht es darum, das Flugzeug unter Einhaltung der vom Hersteller definierten technischen Anforderungen in einen Zustand zu versetzen, der möglichst wenig Arbeitskraft erfordert", erklärt Meerten.
Dafür muss aber zuvor ein sehr hoher Aufwand betrieben werden. Rund 300 Mannstunden sind beispielsweise nötig, um einen Airbus A330 für die Lagerung vorzubereiten.
Dagegen erfordert es nur 30 bis 60 Stunden, um ein Flugzeug in einen sicheren Parkzustand zu bringen. Dann muss wiederum mehr Zeit in die Instandhaltung während des Parkens investiert werden.
"Wenn ein Flugzeug weniger als 21 Wochen am Boden bleiben soll, dann ist Parken mit Blick auf die erforderlichen Mannstunden die bessere Alternative", sagt Meerten. Ein geparktes Flugzeug kann, wenn nötig, später immer noch gelagert werden.
Vorbereitung aufs Stehen
Zu den empfindlichsten Teilen eines Flugzeugs gehören die Triebwerke. Sie werden deshalb sowohl bei längerem Parken als auch bei der Lagerung vorne und hinten mit Abdeckungen verschlossen, um sie vor Korrosion oder nistenden Vögeln zu schützen.
Bei längerfristiger Lagerung können die Triebwerke auch vom Flügel abgenommen und separat verwahrt werden. Bei Abstellzeiträumen von mehr als drei Monaten empfiehlt es sich, auch das Fahrwerk mit einer Plane abzudecken.
Die Kabinen müssen ebenfalls auf die Stilllegung vorbereitet werden. Für die Lagerung werden die Fenster abgeklebt, damit die Einrichtung nicht durch das Sonnenlicht ausbleicht. Die Sitze werden zusätzlich mit Plastikfolien abgedeckt.
Genügend Abdeckungen und Folien für alle Flugzeuge zu bekommen, sei eine der großen Herausforderungen gewesen, so Meerten. "Manchmal lagern wir wegen der geringeren Nachfrage über den Winter ein Flugzeug. Das jetzt war eine ganz andere Dimension."
Mit Vinylband versiegelt
An gelagerten Flugzeugen werden mit Vinylband alle äußeren Öffnungen versiegelt, beispielsweise Entlüftungsventile und Anschlüsse, damit weder Staub noch Wasser oder Insekten den Weg ins Innere finden.
Pitotrohre, Öffnungen für die Messung des statischen Luftdrucks, Temperatur- und Anstellwinkelsensoren müssen mithilfe von Abdeckungen ebenfalls geschützt werden, auch bei geparkten Flugzeugen.
Flugzeuge können, müssen aber nicht voll betankt abgestellt werden. Um mikrobiologische Kontamination des Treibstoffs, beispielsweise durch Pilze, zu verhindern, wird ein spezielles Additiv in die Tanks gegeben. Die Öltanks werden wegen des aggressiven Kondenswassers mit einem Korrosionshemmer aufgefüllt.
Die akribische Präparation der Flugzeuge für längeres Stehen bedeutet nicht, dass damit alles getan wäre. In den Wartungshandbüchern der Hersteller finden sich detaillierte Angaben über Art und Intervall der Pflegemaßnahmen in solchen Fällen.
Bei geparkten Flugzeugen findet wöchentlich eine visuelle Inspektion statt. Dabei kontrollieren die Mechaniker zum Beispiel, ob die diversen Abdeckungen noch sitzen und ob es Lecks gibt. Das Flugzeug wird an den Strom angeschlossen und eingeschaltet.
Funktionstests
Alle zwei Wochen werden die Räder eine Viertelumdrehung bewegt, damit die Reifen unter dem Flugzeuggewicht nicht plattstehen. Zudem wird die Hilfsgasturbine angelassen und die Klimaanlage eingeschaltet. Auch Funktionstests der Bremsen und der Bugradsteuerung finden alle 14 Tage statt.
Brussels Airlines reaktiviert ihre Flugzeuge, © Brussels Airlines
Die Tanks werden entwässert. Die Mitarbeiter nehmen Kraftstoffproben und testen sie auf mikrobiologische Verunreinigungen. Bevor ein Flugzeug wieder in Dienst geht, werden Hydraulikflüssigkeit und Öl im Labor untersucht.
"Damit soll einer Kontaminierung der Flüssigkeiten entgegengewirkt werden, da das die Eigenschaften und die korrekte Funktionsweise beeinflussen könnte", sagt Meerten.
Einmal im Monat werden die Triebwerke gestartet und einige Minuten im Leerlauf betrieben. Das dient der Funktionsüberprüfung, hilft aber auch, um vorhandene Feuchtigkeit zu verdampfen und die Lager von der ungleichen Druckverteilung zu entlasten.
Weiterhin reguläre Wartung
Nicht zuletzt findet bei geparkten Flugzeugen weiterhin die reguläre Wartung statt – entweder während oder gesammelt am Ende der Standzeit. Airbus passt allerdings derzeit seine Wartungsempfehlungen an die Sondersituation an.
Dazu gehören längere Intervalle für reguläre Wartungsaufgaben und eine Reduzierung der wöchentlichen Bodenchecks auf einen zweiwöchigen Rhythmus. "Noch nie in der Geschichte mussten Fluggesellschaften so viele Flugzeuge so schnell grounden", so Gilles de Cevins, Head of Maintenance Programmes and Services bei Airbus. Das erfordere außergewöhnliche Maßnahmen, um die Betreiber pragmatisch unterstützen zu können.
Gelagerte Flugzeuge werden nicht so umsorgt wie ihre geparkten Kollegen. Die Zahl der periodischen Funktionstests ist deutlich abgespeckt. "Ein gelagertes Flugzeug benötigt keine regelmäßigen Triebwerksläufe, gelegentlich wird die APU gestartet", sagt Meerten.
Dann wird auch die Klimaanlage eingeschaltet. Hydraulik- und Treibstoffsystem werden ebenfalls regelmäßig gecheckt. Auch die Reifen sowie die Flugsteuerung (zum Beispiel Landeklappen und Vorflügel) werden immer wieder bewegt.
Damit die Kabine trotz aller Abdichtungen trocken bleibt und sich auf Sitzen und im Teppich kein Schimmel bildet, werden Luftentfeuchter aufgestellt.
Das Wetter im Blick
Die Wartungsmitarbeiter müssen in der aktuellen Situation übrigens auch das Wetter im Blick haben, denn die meisten Flugzeuge stehen draußen. Dabei ist es in Mitteleuropa nach Angaben von Meerten nicht einmal so sehr die Luftfeuchtigkeit, die Flugzeugen zu schaffen macht – sondern der Wind.
Die A319 – Brussels besitzt 22 davon – verträgt Windgeschwindigkeiten von höchstens 35 Knoten (etwa 65 km/h). "Bei mehr kann sie anfangen zu springen", sagt der Wartungschef. Flugzeuge werden deshalb möglichst in Windrichtung abgestellt.
Zudem wird darauf geachtet, dass die Flügelfläche so klein wie möglich ist, dass also Landeklappen und Vorflügel eingefahren sind. Ein Flugzeug kann laut Meerten auch mit mehr Treibstoff oder zusätzlichen Gewichten im Frachtraum stabilisiert werden. Wenn entsprechende Vorrichtungen im Boden vorhanden sind, kann das Flugzeug auch fest verankert werden. Fitmachen fürs Fliegen
Weil geparkte Flugzeuge intensiv betreut werden, können sie bei Bedarf auch wieder zügig in Dienst gestellt werden. Rund 20 Mannstunden seien dafür nötig, schätzt Meerten.
Um dagegen ein gelagertes Flugzeug wieder in einen flugfähigen Zustand zu versetzen, bedürfe es hingegen rund 120 Arbeitsstunden. Neben der Entfernung sämtlicher Abdeckungen und Versiegelungen müssten zahlreiche Bauteile geschmiert und gefettet werden. Zudem seien viele Inspektionen und Tests nötig. Das Flugzeug wird aufgebockt und das Fahrwerk wird testweise ein- und ausgefahren.
Regelmäßige Werkstattflüge nicht vorgeschrieben
Regelmäßige Werkstattflüge sind laut Meerten übrigens weder beim Parken noch bei der Lagerung vorgeschrieben, zumindest nicht für Airbus-Flugzeuge. In manchen Fällen, wenn beispielsweise die Triebwerke für die Lagerung abgenommen worden waren, sind sie aber vor der Wiederaufnahme des kommerziellen Dienstes Pflicht.
Weltweiter Schlafmodus
Die Corona-Krise hat die Fluggesellschaften hart getroffen. Anfang Mai waren nach Angaben des Luftfahrtdaten-Dienstleisters Cirium immer noch 61 Prozent aller Passagierjets stillgelegt. Das entspreche weltweit 16.100 Flugzeugen , die an mehr als 800 Airports auf der ganzen Welt geparkt oder gelagert werden.
Zu den Abstellplätzen mit der höchsten Zahl an inaktiven Flugzeugen gehörten demnach die US-Flugzeugfriedhöfe Roswell (New Mexico), Victorville (Kalifornien) und Pinal Airpark (Arizona), der Indira Gandhi International Airport in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi, der neue Flughafen der türkischen Metropole Istanbul, der Flughafen Johannesburg, der Hong Kong International Airport sowie der Flughafen Madrid-Barajas in Spanien. Allmählich beginnt sich der Verkehr aber zaghaft zu erholen – zumindest in Europa und Ostasien.
© FLUG REVUE - Ulrike Ebner | Abb.: Brussels Airlines | 19.07.2020 08:34
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