Interview mit Nico Buchholz
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"Mindestens hundert A380 werden am Boden bleiben"

Lufthansa Airbus A380
Lufthansa Airbus A380, © Lufthansa

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HAMBURG - "Keine sehr lange Zukunft": die Tage der A380 bei Lufthansa und weltweit sind gezählt, meint Nico Buchholz. Der frühere Lufthansa-Manager und Flotteneinkäufer erklärt im Interview mit aero.de, warum große Vierstrahler bereits vor der Krise einen schweren Stand in den Flotten hatten.

Der Hamburger Nico Buchholz war bis 2015 mehr als ein Jahrzehnt oberster Flotteneinkäufer im Lufthansa-Konzern, vorher viele Jahre im Airbus-Produktmarketing, danach bei Bombardier und Delta Air Lines tätig. Derzeit arbeitet der 59jährige als Berater.

In seine Amtszeit bei Lufthansa fällt die Beschaffung der A380. Buchholz war es auch, der gemeinsam mit dem legendären Joe Sutter bei Boeing die Spezifikationen für die 747-8 absteckte, für die Lufthansa größter Kunde war. Andreas Spaeth befragte ihn für aero.de zur schwierigen Zukunft der Riesenflugzeuge.

aero.de: Waren Sie überrascht vom schnellen Ende vieler Riesen in der aktuellen Krise?

Nico Buchholz: Überrascht nicht, aber aus Passagiersicht ist es schade, denn es sind beides schöne Flugzeuge. Aber aus wirtschaftlicher Sicht war schon vor rund zehn Jahren absehbar, dass große, effiziente Zweistrahler die Stückkosten der Riesen erreichen oder sogar günstiger sein würden. Zusätzlich sind die Boeing 787 und die A350 gerade in Krisen flexibler einsetzbar.

Sie haben aber vor weniger als zehn Jahren für Lufthansa noch weitere A380 bestellt. War das weise?

Die Großbestellungen für großes Fluggerät gingen vor zehn Jahren radikal zurück. Von 2011 bis zum Frühjahr 2013 bestellte Lufthansa nochmals vier weitere A380 und es gab darüber hinaus noch offene Bestellungen für A380 und 747-8. Allerdings hat Lufthansa im Herbst 2013 ihre Verpflichtung zur A380 um drei Flugzeuge reduziert, von vorher 17 auf die jetzt bestehenden 14.

Das war der erste Schritt der damals von meinem Team und mir vorgeschlagen wurde. Bei der 747-8 haben wir ungefähr die gleichen Stückkosten wie bei der A380 gesehen, aber mit gut hundert Sitzen weniger Risiko bei den Tripkosten, das hat dieses Flugzeug durchaus attraktiv gemacht.

Nico Buchholz
Nico Buchholz, © Andreas Spaeth

Aber auch dort war bereits sichtbar: es wird wohl keine weitere Bestellung der A380 mehr möglich sein. Auch die 747-8-Bestellung konnten wir von 20 um ein Flugzeug auf 19 reduzieren, weil wir damals erkannten, dass es in Zukunft vielleicht besseres Fluggerät gibt. Aber als Lufthansa 2001 ihre ersten zehn A380 bestellt hat, war nicht absehbar, dass die 787, A350 und 777X so schnell kommen würden.

Denn für diese Flugzeuge fehlte innovative Triebwerkstechnologie. Aus dem gleichen Grund war auch die 747-8 noch nicht absehbar, weil für dieses Flugzeug ebenfalls keine neue Triebwerkstechnologie vorhanden war. Die Stückkosten einer A380 waren damals rund 14 Prozent besser als bei einer 747-400.

Gab es also Zeiten, in denen der Betrieb der A380 bei Lufthansa einen positiven Effekt hatte?

Ja, Lufthansa hatte diverse Strecken, auf denen die A380 wirtschaftlich Sinn gemacht hat - etwa auf Langstrecken nach Fernost. Die Lufthansa und viele andere haben sich bei ihren Berechnungen immer auf die Logik konzentriert, Flughäfen von Mega-Cities wie Tokio-Narita anzufliegen.

Plötzlich wurde jedoch der Stadtflughafen Tokio-Haneda auch für internationalen Verkehr geöffnet und man konnte mehr auf Frequenz setzen und den Kunden mehr Flüge bieten. Viele Gesellschaften setzten nun wieder kleineres Gerät ein. Auch in Peking und Shanghai ergaben sich mit neuen oder erweiterten Flughäfen mehr Möglichkeiten.

Beide Pekinger Flughäfen haben so viel Kapazität wie alle deutschen Flughäfen zusammen, und es gibt jetzt auch viel mehr chinesische Flughäfen als früher, die man aus Europa anfliegen kann. Frühere Slot-Restriktionen sind also in vielen Gegenden entfallen. Damit bleiben nur sehr wenige Flughäfen wie London-Heathrow , wo die A380 Sinn macht.

Slot-Restriktionen sind also für viele Gesellschaften schon länger kein Grund mehr gewesen, die A380 zu kaufen.

Die A380 wurde also für ganz andere Bedingungen konzipiert...

Ja, die gesamte Entwicklung und die wesentlichen Bestellungen für die A380 liefen bereits vor 2000 oder kurz danach. In der Entwicklungszeit der A380 war die Technologie einfach noch nicht so weit, vor allem nicht bei der Zuverlässigkeit und Schubstärke der Triebwerke. Da war die A380 damals die richtige Entwicklung, um so viele Menschen wirtschaftlich, bequem und umweltfreundlich auf große Distanzen zu transportieren.

Bis sie allerdings 2007 erstmals verspätet ausgeliefert wurde hatte die Entwicklung der großen Zweistrahler schon begonnen. Da war schon zu ahnen, dass es durchaus Konkurrenten geben könnte, aber keiner hat sie zu dem Zeitpunkt wirklich sehr ernst genommen. Mein Team und ich haben seit 2010 begonnen, auf kleineres Fluggerät mit niedrigeren Stückkosten zu setzen.

Bei der 787 und der A350 war die Triebwerkstechnologie bereits weiter als bei den A380-Motoren, die eigentlich das Beste am Markt sein sollten.

Der Anfang vom Ende für die Riesen?

Die neuen Triebwerkstechnologien für die 787 und A350 waren neben der verbesserten Aerodynamik ein entscheidender Grund, warum die A380 und die 747-8 heute auf dem absteigenden Ast sind.

Lufthansa Airbus A380 und Boeing 747-8
Lufthansa Airbus A380 und Boeing 747-8, © Lufthansa

Airbus und Boeing haben große Stückzahlen an 787 und A350 in den Markt gedrückt und das Wachstum der Passagierströme suchte sich durch die kleineren Typen 787 und A350 einen Weg an den großen Mega-Hubs vorbei direkt in die Fläche. In der Konsequenz wurden A380 und 747-8 Passagiere weggenommen.

Die A380 hat auch eine sehr große Tragfläche, die schon für Weiterentwicklungen geplant war und deshalb auch recht schwer ist. Leider - oder glücklicherweise - hat diese Weiterentwicklung nie stattgefunden.

Trotzdem wollte Lufthansa noch vor wenigen Jahren viel mehr A380 bestellen, bis zu weit über 20 insgesamt hätten es werden können.


Es ging immer nach der Devise: Größer ist besser und der Markt wächst. Das war auch in den Rentabilitätsrechnungen so hinterlegt. Das wurde aber durch neue effiziente Twins mehr oder weniger aufgehoben, nicht nur bei der 787/A350, sondern auch bei der A220 für die Single Aisle-Flugzeuge.

Aber das in der Buchungssteuerung zu berücksichtigen und richtige Schlüsse zu ziehen erforderte eine Lernphase. Dafür benötigte man neue Bewertungsalgorithmen, die gab es damals noch nicht.

Hatte Lufthansa vor der Corona-Krise mit 14 A380 und 19 Boeing 747-8 schon zu viele Riesen?

Die Anzahl war vielleicht etwas grenzwertig, zu viel würde ich nicht sagen. Wenn sie bei der A380 vielleicht bei zehn und bei der 747-8 bei 15 gelandet wären hätte es wohl auch gereicht. Man muss das natürlich immer in der Gesamtkonstellation der Flotte sehen, die ja auch noch mehr als zwanzig 747-400 und 24 A340-600 umfasste.

Wie geht es mit den Riesen jetzt weiter, vor allem bei Lufthansa?

Genau kann ich das als Ehemaliger schwer sagen. Sechs A380 werden von Airbus zurückgekauft, acht verbleiben in der Flotte und sollten ab München fliegen. Jüngste Aussagen der Lufthansa bringen andere Varianten ins Spiel.

Nach meiner Meinung macht eine Gesamtteilflotte von sieben bis acht A380 keinen Sinn, das ist eine zu kleine Teilflotte. Sie ist ein tolles, aber auch ein komplexes Flugzeug. So wie im Moment der Markt eingebrochen ist haben diese Flugzeuge einen stark reduzierten Restwert.

Leider, gerade aus Sicht der Passagiere, glaube ich, dass absehbar ist, dass die A380 bei Lufthansa keine sehr lange Zukunft mehr haben wird.

Was wird mittelfristig aus den 242 bisher insgesamt ausgelieferten A380?

Es gibt kaum einen Gebrauchtmarkt für die A380, nur Hi Fly hat ein Flugzeug. Der Markt für mögliche Frachter-Umrüstungen ist schwierig, weil es operationell nicht einfach ist, auf dem Oberdeck Fracht zu laden.

Ein paar Geschäftsmodelle, die vielleicht A380 gebrauchen könnten, würden mir vielleicht einfallen, aber nicht für 200 Stück, vielleicht für 50.

Wenn heute rund 200 A380 am Boden stehen gehe ich davon aus dass wohl mehr als hundert auch stehen bleiben werden. Aber selbst deren Ausschlachtung für Ersatzteile und Triebwerke ist begrenzt, denn A380-Teile kann man dominant nur in A380 einbauen, und die sind kaum gefragt.

Wie steht die 747-8 heute im Vergleich zur A380 da?


Beide stehen kosten- und umweltseitig schlechter da als die neuen großen Twins. Die 747-8 hat zwar die günstigeren Tripkosten und sehr ähnliche Stückkosten und wird daher wohl länger fliegen als die A380.

Aber die 747-8 ist deutlich größer als die kleineren Langstreckenflugzeuge 787 und A350 und die neue effizientere 777-9.

Deswegen wird absehbar auch die 747-8 keine große Zukunft mehr haben und nicht das biblische Alter von 30 oder 35 Jahren erreichen wie viele 747-200 und -400. Auf die Vierstrahler bezogen werden am längsten die Passagierversionen der 747-8 bei Lufthansa und die A380 bei Emirates fliegen.

Im Jahr 2030 müssen Sie sich wahrscheinlich zwischen diesen beiden Airlines entscheiden, wenn sie vierstrahlig fliegen wollen.
© Andreas Spaeth für aero.de | Abb.: Lufthansa | 15.08.2020 00:14

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Beitrag vom 16.09.2020 - 22:44 Uhr
Bestimmt. Am Meeresgrund als Übungsobjekt für Taucher. So wie alte Panzer, Eisenbahnwaggons usw.
Beitrag vom 16.09.2020 - 22:42 Uhr
... hier wurde aus der Not eine Idee geboren.
Vor 20 Jahren wurde nur mit 747 von NRT-HNL geflogen nun fliegen hier 3 A-380 der All Nippon Airlines die man ja bekanntlich abnehmen musste nachdem Skymark dies nicht mehr konnte und ANA 3 der 5 bestellten A-380 uebernahm. 2 A-380 der Bestellung von SKYMARK gingen an keinen Geringeren als an EMIRATES.
Vielleicht findet sich auch in Zukunft ein Markt fuer diesen tollen Flieger?!

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Beitrag vom 16.09.2020 - 22:34 Uhr
Hatten wir schon mal das Thema. Wurde recht plausibel erklärt.


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