Foreign Carrier Permit
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Fliegt Norse in den USA die Vergangenheit um die Ohren?

Björn Tore Larsen
Björn Tore Larsen, © Norse Atlantic Airways

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LONDON - Norse Atlantic Airways will 2022 ins Airline-Geschehen über dem Nordatlantik eingreifen. Parallelen zu Norwegian sind unverkennbar. Nur in der Personalpolitik kehrt Norse betont von alten Norwegian-Mustern ab. Hinter einem Schönwetterkurs zu Gewerkschaften steckt jede Menge Kalkül.

Norse Atlantic Airways - die früheren Norwegian-Bosse Björn Kjos und Björn Kise unternehmen zusammen mit dem norwegischen Reeder Björn Tore Larsen einen neuen Anlauf auf das Geschäftsmodell Billiglangstrecke.

Nicht alles an Norse Atlantic Airways so frisch wie der gerade aufgetragene Lack auf der ersten 787-9: Streckenideen und den Großteil der Flotte übernimmt Norse von Norwegian, deren Flugbetrieb im Zuge einer Notsanierung auf ein überschaubares Europanetz zusammengeschnurrt ist.

Einzig in der Personalstrategie von Norse-CEO und Mehrheitsgesellschafter Larsen steckt kein Körnchen Norwegian mehr.

Norse Atlantic Airways verspricht, ihr Flugpersonal direkt und zu Tarifbedingungen anzustellen. In Großbritannien hat Norse im August den Tarifrahmen mit der Transportgewerkschaft Unite abgesteckt. Vergangene Woche folgte ein Abschluss mit der britischen Pilotengewerkschaft Balpa, den Norse und Balpa an die große Glocke hängten.

Norse werde "ein großartiger Arbeitgeber", bejubelte Balpa-Verhandlungsführer Terry Brandon das Ergebnis. Der Geschäftsplan biete krisengeprüften britischen Piloten "langfristige Karrieren im transatlantischen Streckennetz".

Bei Unite hat das Norse-Team ähnliche Begeisterung ausgelöst. "Norse Atlantic Airways ist eine riesige Chance für alle einst bei Norwegian Air Resources (NAR) beschäftigten Mitarbeiter, die im Januar entlassen wurden", freute sich Unite-Gewerkschafterin Claire Simpson auf eine Norse-Basis in Gatwick.

In den USA startete Norse Atlantic Airways ebenfalls eine Charmeoffensive und hat im Juni die größte Flugbegleitergewerkschaft AFA ins Boot geholt.

Personalvertreter allenthalben sind baff. War es nicht das Norwegian-Management, das einst mit Auslandsablegern und Dienstleistern jonglierte, um Grauzonen im Arbeitsrecht zu heben? War es nicht die Larsen-Firma OSM Aviation, die Kjos als blickdichten Schirm zwischen Norwegian und ihr Flugpersonal gespannt hatte?

OSM Aviation war das zentrale Element im Bereederungsgeflecht von Norwegian. Das Fachmagazin "Flight International" bezeichnete OSM Aviation 2015 in einer Analyse als "Geheimwaffe von Norwegian". Über OSM Aviation konnte Norwegian ihren Personalbedarf exakt nach Bedarf steuern.

"Wir sind ein norwegisches Unternehmen, das unter norwegischer Flagge operiert und Crews aus Großbritannien, Norwegen und den USA einsetzt", beschwor Larsen im April für Norse Atlantic Airways einen neuen Geist und betonte: "Wir sind nicht NAI (Norwegian Air International, Red.)!"

Was der Manager verschwieg: ohne unschuldsweiße Personalstrategie - und Rückendeckung wichtigter Gewerkschaften - könnte Norse wohl gleich wieder einpacken. Norse will ab dem ersten oder zweiten Quartal 2022 zwischen Europa und den USA fliegen. Die Airline hat dafür bereits 15 Boeing 787 geleast.

Von Oslo nach Los Angeles, Fort Lauderdale und Newburgh

Bevor der Plan aufgehen kann, ist Norse auf eine US-Betriebslizenz angewiesen. Die Airline hat ein "Foreign Carrier Permit" für 2022 beantragt - Norse will dann vom Flughafen Oslo Gardermoen an die Flughäfen Los Angeles-Ontario, Fort Lauderdale und Newburgh (New York) fliegen.

Doch in den USA sitzen Vorbehalte und ein Stachel aus Norwegian-Tagen tief: Norwegian Air International (NAI) musste zwei Jahre lang auf das "Foreign Carrier Permit" warten.

Norse Boeing 787-9, © Norse Atlantic Airways
 
Erst 2016 sprach das US-Verkehrsministerium dem nach Irland verflaggten Ableger von Norwegian widerwillig Flugrechte für die USA zu - und auch nur, weil die Beamten den Antrag unter Open-Skies-Regeln letztlich nicht zurückweisen konnten. Um ein Haar hätte NAI Open Skies geprengt, strapaziert hat Norwegian das US-EU-Abkommen in jedem Fall.

Die einflussreiche US-Pilotengewerkschaft ALPA bezeichnete die Anerkennung von NAI seinerzeit als "Affront gegen den fairen Wettbewerb" - und will sich jetzt von hyggeligen Norse-Versprechen nicht blenden lassen.

"Ich bin äußerst skeptisch gegenüber den neuesten Geschäftsplänen der Norse-Spitze, die seit Jahren versucht, System und Sicherheitsvorschriften zu umgehen und die Rechte von Arbeitnehmern zu untergraben", kündigte ALPA-Präsident Joe DePete im Mai "energischen Widerstand" gegen ein Foreign Carrier Permit für Norse an.

"Frankensteins Monster"

Flugkapitän DePete brandmarkte Norse öffentlich wahlweise als "Franksteins Monster, das einen Haufen toter Teile zusammenkratzt" oder "Lockvogel".

Die Stimme der Piloten hat in Washington Gewicht. Peter DeFazio, der dem einflussreichen Verkehrsausschuss im US-Kongress vorsteht, will ebenfalls eine Brandmauer vor Norse hochziehen.

"Sofern Norse Atlantic Airways dem Billigflaggenkonzept folgt, das wir bei Norwegian und seinen verschiedenen Alter Egos erlebt haben, gebietet es das öffentliche Interesse, dass das Ministerium einen Antrag auf ein Foreign Carrier Permit zurückweist", schrieb DeFazio seinem demokratischen Parteifreund und US-Verkehrsminister Pete Buttigieg im Frühjahr.

DeFazio sieht bei Norse Atlantic Airways "alle Voraussetzungen für eine Wiederholung des Norwegian-Debakels gegeben" - und zugleich eine "Gelegenheit" für die neue US-Regierung, am Antrag von Norse Atlantic Airways ein Exempel "zum Schutz von US-Arbeitsplätzen" zu statuieren.

Norse Atlantic Airways hat nach eigenen Angaben vom August eine Betriebslizenz in Norwegen beantragt. Ein Antrag auf ein britisches AOC ist in Vorbereitung. Auf Flaggenspiele will die Airline verzichten. Im Antrag auf das Foreign Carrier Permit weist Norge auf ihre guten Beziehungen zu Gewerkschaften hin.
© aero.de | Abb.: Norwegian Air | 01.10.2021 07:13


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