Lufthansa-Einstieg bei ITA
Älter als 7 Tage

"Natürlich ist der italienische Markt hochlukrativ"

Carsten Spohr
Carsten Spohr, © Lufthansa

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FRANKFURT - Die Lufthansa nimmt mit einem Partner Kurs auf das langgehegte Ziel Italien. Gemeinsam mit der großen Container- und Kreuzfahrtreederei MSC aus Genf strebt Europas umsatzstärkster Luftverkehrskonzern die mehrheitliche Übernahme der Alitalia-Nachfolgerin ITA Airways an - kein Kleinprojekt.

Gesprochen werden muss vor allem mit dem italienischen Staat, der die ITA vollständig besitzt. Für die Übernahme-Verhandlungen haben sich MSC und Lufthansa eine Frist von 90 Arbeitstagen ausbedungen. Die Reederei MSC will laut ITA-Verwaltungsratspräsident Alfredo Altavilla die Mehrheit übernehmen.

Dass die kürzlich vom Staat gerettete Lufthansa erwägt, mit eigenem Kapital einzusteigen, wie der MDax-Konzern am Dienstag erklärte, ist eine Kehrtwende.

Auch nach Rückzahlung der deutschen Staatshilfen hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr betont, man suche nur eine "kommerzielle Partnerschaft". Die Details sollen anhand der exakten ITA-Unternehmensdaten in den kommenden Wochen ausgehandelt werden. Klar ist, dass der italienische Staat als Minderheitsgesellschafter an Bord bleiben will.

Die seit Oktober 2021 am Himmel aktive ITA ist nach mehreren Pleiten und milliardenschweren Stützungen der Vorgängerin Alitalia ordentlich herausgeputzt worden. Nur noch 2800 von einstmals 11.000 durchaus streikfreudigen Beschäftigten sind noch an Bord, die Airbus-Flotte von derzeit 52 Flugzeugen soll trotz Corona-Flaute umfassend erneuert und auf 105 Jets erweitert werden.

Die ITA wäre dann größer als die bislang größte Lufthansa-Tochter Swiss. Der Sanierer Altavilla sagte dem "Handelsblatt", dass es bereits ein großer Erfolg sei, in so wenigen Monaten das Interesse eines "großen Unternehmens wie der Lufthansa und einer großen Gruppe wie MSC geweckt zu haben."

Sollte es zu einer Übernahme kommen, werden die neuen Eigner darauf bestehen, die ITA in die von Lufthansa dominierte Star Alliance zu integrieren und Umsteiger auf die eigenen Drehkreuze wie Frankfurt, München oder Zürich zu lenken. Bislang sind die Italiener im SkyTeam von Air France-KLM vertreten.

Italien ist schon lange ein Sehnsuchtsland der Lufthansa, immer mal wieder wurden bei der Alitalia Kooperationen und Teilübernahmen angestrebt. Der Markt südlich der Alpen gehört zu den umsatzstärksten in Europa mit einem starken Touristengeschäft und engen Bindungen nach Nordamerika.

Bereits Spohrs Vorvorgänger Wolfgang Mayrhuber hatte 2009 versucht, die neu gegründete "Lufthansa Italia" gegen die damals gerade privatisierte Alitalia zu etablieren. Nach hohen Verlusten verblieb 2011 nur noch die Lufthansa-Tochter Air Dolomiti in Italien, wo inzwischen Ryanair und Wizz Air das Geschehen dominieren.

"Natürlich ist der italienische Markt hochlukrativ. Und da Italien niemals auf seine eigene Airline verzichten wird, ist die Übernahme ein richtiger Schritt", sagt Gerald Wissel von der Luftfahrt-Beratungsgesellschaft Airborne. Er warnt aber zugleich vor alten und neuen Problemen.

Der Einfluss der italienischen Gewerkschaften müsse dauerhaft begrenzt und das ausufernde Drehkreuz-System des Lufthansa-Konzerns neu sortiert werden. "Man sollte Rom mit Wien, München und Brüssel gemeinsam betrachten."

Für die Verantwortlichen in Rom scheint die Offerte der Lufthansa und der MSC-Reederei mit ihren italienischen Wurzeln sehr verlockend zu sein. Die industrielle Logik der Offerte sei "sehr überzeugend" und "äußerst interessant", verteilte Altavilla schon einmal reichlich Vorschusslorbeeren.

Reedereien entdecken die Luftfahrt

Neben rund drei Millionen MSC-Kreuzfahrtpassagieren als potenziellen Kunden sehe er auch Möglichkeiten im Frachtbereich: "Cargo ist heute der Sektor, in dem die höchsten Gewinnspannen erzielt werden."

Die Branchenriesen in der Schifffahrt liefern sich mit prall gefüllten Kassen einen Wettstreit um Übernahmeziele. Die sehr expansive, 1970 vom Italiener Gianluigi Aponte gegründete Mediterranean Shipping Company (MSC) hat gerade nach Jahrzehnten den Konkurrenten Maersk vom ersten Platz bei der angebotenen Frachtkapazität verdrängt.

Aponte gehörte schon 2008 zu einem Aktionärskonsortium zur Rettung der Alitalia, stieg aber bald aus dem von Silvio Berlusconi geschmiedeten Bündnis aus.

"Ihre Ziele sind vielfältig und zeigen die Ambitionen, mehr Einfluss auf die globalen Lieferketten zu gewinnen", schreiben die Analysten der Unternehmensberatung PwC in einer aktuellen Studie über die Mega-Reedereien.

Neben Investitionen ins Kerngeschäft Schifffahrt sowie in Hafenterminals kauften Reedereien verstärkt auch "Spediteure, um direkten Zugang zu den Verladern zu erhalten". Auch Airlines passen da nicht schlecht, wie es die französische CMA CGM vormacht.
© aero.de | Abb.: Lufthansa | 26.01.2022 07:10

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Beitrag vom 26.01.2022 - 12:43 Uhr
Bin dann sehr gespannt was er dann sagen wird nachdem man 90 Tage die Zahlen angeschaut hat. Es ist ja kein Geheimnis das der ITA Vorgänger Alitalia nie Gewinne gemacht hat (aus SZ: „2019 waren es 1150196 Euro Verlust am Tag“). Und das in einem so attraktiven Markt und vor der Pandemie. Ich kann es nicht mehr hören mit dem attraktiven Markt. Amazon verdient auch in Deutschland gutes Geld, während Horten, Kaufhof, etc vor die Hunde gingen.
Da haben Sie doch die Erklärung warum das bei Amazon klappt. Ein Produkt, welches der Markt will und dessen Erstellungspreise niedriger als die Erlöse.
Da gab es bei Alitalia eine Menge, was die Erstellungspreise in die Höhe getrieben hat. Die Erlöse waren nicht das Problem. Teures und unproduktives Personal, unrentable Strecken, die aus politischen Gründen geflogen werden mussten, viele Übernachtungen der Crews für den inneritalienischen Verkehr, anstatt eigene Basen einzurichten usw. usw. Wenn man das in den Griff bekommt, dann sollte das klappen können. Diesen Ballast hat ITA schon mal nicht mehr. Aber ja, man darf gespannt sein.
Der rentabelste Teil der LH ist Swiss, die aus einem Mini Markt fliegt.
Gleiches Thema. Teurer verkaufen als man produziert.

Dieser Beitrag wurde am 26.01.2022 14:41 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 26.01.2022 - 12:20 Uhr
Ich kann es nicht mehr hören mit dem attraktiven Markt. Amazon verdient auch in Deutschland gutes Geld, während Horten, Kaufhof, etc vor die Hunde gingen. Der rentabelste Teil der LH ist Swiss, die aus einem Mini Markt fliegt.

Ich denke, da muss man zw. Kurz-/Mittelstrecke und Langstrecke differenzieren. Ersteres haben die Billigflieger okkupiert, aber auf der Langstrecke ist die Konkurrenz kleiner.

Nachdem LH kaum auf der Kurzstrecke wird konkurrieren wollen, dürfte Sphor deshalb die Langstrecke meinen.

Ansonsten Frage zum letzten Absatz:
Neben Investitionen ins Kerngeschäft Schifffahrt sowie in Hafenterminals kauften Reedereien verstärkt auch "Spediteure, um direkten Zugang zu den Verladern zu erhalten". Auch Airlines passen da nicht schlecht, wie es die französische CMA CGM vormacht.

Wenn etwas verladen werden soll, könnte ITA dann doch auch ein paar reine Frachtflieger bestellen, oder?
Beitrag vom 26.01.2022 - 11:34 Uhr
Ansonsten ist der Markt - wie von ZH Flyers erwähnt - wohl kaum "lukrativ"


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