E-4B-Nachfolger
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Gebrauchte Jumbos für den Weltuntergang

Boeing E-4B
Boeing E-4B, © US Air Force

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WASHINGTON - Die Boeing E-4B ist ein fliegender Kommandostand, gebaut für den nuklearen Showdown. Als Kind der 70er fliegt die Spezialversion der 747 auf ihren 50. Geburtstag zu. Doch die Suche nach Ersatz ist kompliziert: Boeing nimmt für neue 747-8 inzwischen keine Orders mehr entgegen.

Sie trat ihren Dienst an, als Gerald Ford Präsident der Vereinigten Staaten war - und Deutschland zum zweiten Mal Fußballweltmeister wurde. Ihren Erstflug feierte die Boeing E-4 sogar noch ein Jahr früher, am 13. Juni 1973. Vier Exemplare der auch "Nightwatch" genannten Variante der 747-200B hatte die US Air Force bestellt.

Ihre Profession: der Weltuntergang. Bei einem Atomkrieg oder schweren Naturkatastrophen sollte die E-4 der Garant dafür sein, dass die Befehlskette der US-Armee am Boden und in der Luft so lange wie möglich weiterläuft. Als fliegender Kommandoposten wurde der Spezial-Jumbo dafür geschaffen, einen nuklearen Angriff zu überstehen.

Heute, fast 50 Jahre nachdem die erste "Nightwatch" erstmals in die Luft stieg, sind die vier alternden Vierstrahler - in den 80ern allesamt auf den Standard E-4B aufgerüstet - noch immer im Geschäft.

Zwar mussten sie, zum Glück für uns alle, bisher nicht zu ihrer wahren Bestimmung antreten. Allerdings dienen die sogenannten "Doomsday Planes" fernab aller Weltuntergangsszenarien unter anderem dem US-Verteidigungsminister bei internationalen Reisen als Verkehrsmittel.

Teuer und wartungsintensiv

In dieser Rolle zählt die E-4B zu den teuersten Flugzeugen überhaupt: Bis zu 160.000 Dollar kostet der Betrieb der "Nightwatch" den US-Steuerzahler - pro Flugstunde. Dazu kommen die Unterhaltskosten: Allein für das Geschäftsjahr 2023 hat die US Air Force ein Budget von beeindruckenden 196 Millionen US-Dollar für die Wartung der vier Spezial-Jumbos veranschlagt. Tendenz steigend.

Die Zahlen können es nicht verleugnen: Die E-4B sind einfach alt. Die 747-200, auf der das "Doomsday Plane" basiert, ist im zivilen Bereich bis auf wenige Ausnahmen längst vom Himmel verschwunden - und auch im Inneren des fliegenden Kommandopostens regiert trotz wiederholter Upgrades großteils noch die Computer- und Kommunikationstechnik der 80er-Jahre.

Im Pentagon und auch anderswo in den USA mehren sich deshalb seit Längerem die Stimmen, die alle vier Exemplare am liebsten direkt ins Museum schicken würden. Immerhin war die Ausmusterung der "Nightwatch" nach Ende des Kalten Krieges bereits mehrfach avisiert.

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine dürfte die Notwendigkeit des Programms nun wieder stärker ins Bewusstsein rücken. Tatsächlich soll noch in diesem Jahr die formale Suche für einen Nachfolger angestoßen werden. 203 Millionen US-Dollar sind dafür vorgesehen.

Doch ganz so einfach ist das nicht, denn es gibt ein Problem: Der logische Erbe, die Boeing 747-8I, wird zwar noch gebaut - allerdings nur noch bis Ende des Jahres. Ganze drei Exemplare der modernsten Jumbo Jet-Version werden im Boeing-Werk Everett noch aus der Halle rollen - allesamt Frachter, und allesamt längst an Cargo-Carrier Atlas Air versprochen.

Die letzte 747-8 ist bereits in Arbeit, bei den Zulieferern gehen nach und nach die Lichter aus. Eine Wiederaufnahme der Produktion ist wohl ausgeschlossen.

Es muss ein Vierstrahler sein

Gleichzeitig kann nur abermals ein Vierstrahler in die Fußstapfen der "Nightwatch" treten, wie etwa Colonel Brian Golden betont.

Der Kommandeur der 595. Kommando- und Kontrollgruppe auf der Offutt Air Force Base in Nebraska, der die vier E-4B zugeordnet sind, unterstrich im Gespräch mit dem Magazin "Aviation Week", dass "die Fähigkeiten der aktuellen Flotte ein entscheidendes Kriterium gezeigt haben, das auch das Folgeflugzeug benötigt: vier Triebwerke".

Da eine ältere 747-400 oder gar ein Airbus A380 für die "Doomsday"-Rolle nicht infrage kommen dürften, muss sich die US-Luftwaffe wohl oder übel auf dem Gebrauchtmarkt nach geeigneten 747-8 umsehen.

Der ist allerdings dünn gesät, denn schließlich besitzt das Flugzeug schon von Haus aus Seltenheitswert: Nur 155 Bestellungen für die 747-8 erhielt Boeing überhaupt. Davon entfielen 107 auf den Frachter 747-8F und magere 48 auf die Passagierversion 747-8I.

Die Air Force selbst rechnet wohl nicht zuletzt deshalb frühestens 2027 mit der Verfügbarkeit eines "Nightwatch"-Nachfolgers. Allzu viel Zeit sollte man jedoch nicht ins Land ziehen lassen: Angeblich reicht die Lebensdauer der E-4B-Zellen noch für einen Weiterbetrieb bis maximal 2033. Und bis dahin dürfte der Wartungsaufwand weiter zunehmen.
© FLUG REVUE - Patrick Zwerger | Abb.: US Air Force | 08.06.2022 10:37

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Beitrag vom 10.06.2022 - 09:27 Uhr
Da es ja Vierstrahler sein müssen und die (Sprit-)Kosten offenbar keine Rolle spielen wären junge A380 doch eine mögliche Alternative zu den 747-8. Ausgereift und gut verfügbar.
Ach so, die Amerikaner haben ja ihren Nationalstolz und müssen amerikanisches Gerät fliegen....

Ich glaub Airbus würde nur ungern die Konstruktionsunterlagen an die USA geben. Industriespionage wäre das Resultat.

War das nicht auch einer der Gründe, warum man letztendlich aus der neuen AirForce One Ausschreibung ausgestiegen ist? Weil man diese ganzen Daten des a380 nicht an die USA geben wollte?
Beitrag vom 09.06.2022 - 15:10 Uhr
Da es ja Vierstrahler sein müssen und die (Sprit-)Kosten offenbar keine Rolle spielen wären junge A380 doch eine mögliche Alternative zu den 747-8. Ausgereift und gut verfügbar.
Ach so, die Amerikaner haben ja ihren Nationalstolz und müssen amerikanisches Gerät fliegen....

Ich glaub Airbus würde nur ungern die Konstruktionsunterlagen an die USA geben. Industriespionage wäre das Resultat.
Beitrag vom 09.06.2022 - 12:13 Uhr
Bei Flugzeugen für den Weltuntergang spielen Herkunft und Spritkosten wohl eher eine untergeordnete Rolle.


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