Flug AF447
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Juristischer Schlussakt zu Air-France-Absturz

Flug AF447
Flug AF447, © FAB

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PARIS - Nur wenige Minuten dauert es, als am Pfingstmontag 2009 ein Air-France-Airbus auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris aus dem Reiseflug in die Tiefe sackt und 228 Menschen im Atlantik in den Tod reißt. Es folgte ein jahrelanges juristisches Tauziehen um die Aufklärung des Unglücks.

Ab Montag müssen sich die Airline und Flugzeugbauer Airbus nun in Paris vor Gericht verantworten. Der Vorwurf gegen sie: fahrlässige Tötung.

Für die Hinterbliebenen ist das Verfahren ein wichtiger Schritt bei der Suche nach den Verantwortlichen für den tödlichen Unfall. 2019 hatten Ermittlungsrichter ein beantragtes Verfahren zunächst abgewiesen.

Ein Berufungsgericht entschied dann anders und schickte Airbus und Air France auf die Anklagebank. Beide Firmen hatten Verantwortung für den Absturz zurückgewiesen.

Die Air-France-Maschine war am 1. Juni 2009 auf dem Weg von Rio in die französische Hauptstadt von den Radarschirmen verschwunden. Der Airbus vom Typ A330-200 stürzte in den Atlantik. Lange war die Ursache unklar. Erst im Mai 2011 wurden die letzten Leichen und der Flugdatenschreiber aus etwa 4.000 Metern Tiefe geborgen.

Im Prozess dürfte nun unter anderem die Frage im Raum stehen, ob die Piloten für die Extremsituation ausreichend trainiert worden waren. In einem Expertengutachten hieß es 2012, die Crew sei mit der Lage überfordert gewesen, nachdem die für die Geschwindigkeitsmessung genutzten Pitot-Sonden vereist waren. Eigentlich sei die Situation beherrschbar gewesen.

Die Daten der Flugschreiber ergaben, dass die Piloten vor allem auf Warnungen über einen Strömungsabriss an den Tragflächen falsch reagiert hatten. Dies ließ den Jet schnell an Höhe verlieren und schließlich abstürzen.

Die Überzieh-Warnung schwieg zwischendurch jedoch anders als zu erwarten, sobald eine bestimmte Geschwindigkeit unterschritten wurde - als das Flugzeug also längst nicht mehr flog, sondern nur noch durchsackte.

"Vollkommen überrascht"

"Die Verstopfung der Pitot-Sonden durch Eiskristalle im Flug war ein bekanntes Phänomen, das jedoch von der Luftfahrtgemeinschaft zum Zeitpunkt des Unfalls schlecht beherrscht wurde", hielt die französische Flugunfallbehörde BEA in ihrem Abschlussbericht (deutsche Zusammenfassung, PDF) fest.

Den kompletten Verlust der "anemometrischen Informationen" hätten die Piloten zwar erkennen und kompensieren können, aber: "Die Piloten waren vom Auftreten des Defekts im Kontext des Flugs in Reiseflughöhe vollkommen überrascht", heißt es in dem Bericht.

2019 kamen Untersuchungsrichter dann zu dem Schluss, der Unfall sei auf eine Kombination von Elementen zurückzuführen, die noch nie vorgekommen sei. Sie stellten das Verfahren ein.

Die Staatsanwaltschaft ging dagegen vor und das Berufungsgericht ordnete letztlich den Prozess gegen die Unternehmen Airbus und Air France an. Für den Opferverband "Entraide & Solidarité AF447" war allein die Entscheidung zum Prozess ein erster Sieg.

Um die Entschädigung der Hinterbliebenen wird es in dem neunwöchigen Verfahren nicht gehen. Viele der Betroffenen kamen über diese bereits vor langer Zeit mit Air France und Versicherern überein. Zwar herrscht Stillschweigen über die genauen Beträge, nach Angaben von Betroffenen ging es aber nur um absolut bescheidene Summen.

Airbus und Air France drohen im Prozess eine Geldstrafe von 225.000 Euro. Das Verfahren soll bis zum 8. Dezember laufen.
© dpa-AFX | Abb.: FAB | 07.10.2022 09:10

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Beitrag vom 09.10.2022 - 18:51 Uhr
Die Piloten wussten von der Vereisungsgefahr (Meldung der Triebwerkssteuerung).
Das Flugzeug flog ohne Autopilot stabil. Weshalb musste der PF dann etwas unternehmen?


In der 787 gibt es keine Standby Anzeige für die Steig- bzw. Sinkgeschwindigkeit.
Fallen die grossen Bildschirme aus, muss mit Autopilot gesunken oder gestiegen werden....(so die Aussage eines Piloten im Cöckpit einer 787-9 von Etihad).
Wird das auch geübt?
Beitrag vom 09.10.2022 - 12:02 Uhr
@jumpfly
Pitch/Power bzw. Attitude ist die Basis jeder IFR Ausbildung und ein Basic, egal ob C172 oder B747. Dazu reicht bereits Wendezeiger mit Libelle und Vario. Das müssen auch die AirFrance Piloten durchlaufen haben und dennoch ließen sie sich von der Elektronik täuschen. Letztlich ist es ein Mangel an Erfahrung "händischen Fliegens". Es warnte die amerikanische Luftaufsichtsbehörde FAA: Piloten verlassen sich zu stark auf die Technik, verlernen das Fliegen und sind im Notfall überfordert. Die FAA hat ja damals auch empfohlen dies in den Flugbetrieb mit aufzunehmen.

Subject: Manual Flight Operations Proficiency Safo17007
Purpose: This SAFO encourages the development of training and line-operations policies which will ensure that proficiency in manual flight operations is developed and maintained for air carrier pilots.

 https://www.faa.gov/other_visit/aviation_industry/airline_operators/airline_safety/safo/all_safos/media/2017/safo17007.pdf
Beitrag vom 07.10.2022 - 12:46 Uhr
Das Flugzeug im Reiseflug mit einer dermaßen hohen Pitch zu belasten und dabei über die maximal mögliche Flughöhe zu steigen ist nie eine gute Idee. Hier wurde simples pitch/power fliegen wie man es als PPL Schüler auf der Cessna 150 in Stunde 1 erklärt bekommt völlig über Bord geworfen und sich stupide auf eine Technik verlassen, die bei dem vorhandenen Fehler allerdings nicht verfügbar war. Ich kann mir nur schwer vorstellen wie es dazu kommen kann, dass 2 Piloten im Cockpit sitzen und es dennoch zu einer Situation kommt in welcher der PF es für sinnvoll erachtet zweistellig pitch up zu geben und der daneben sitzende Pilot nicht eingreift.


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