Defiant X
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War es das für Sikorskys Super-Hubschrauber?

Sikorsky-Boeing Defiant X
Sikorsky-Boeing Defiant X, © Boeing

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STRATFORD - Für manche überraschend, für andere nur logisch: Bell hat sich beim Milliardenauftrag der US Army durchgesetzt und sticht mit dem Kipprotorflugzeug V-280 Valor den Konkurrenten Sikorsky und dessen Defiant X nach Punkten aus. Doch ans Aufgeben denken die Verlierer noch nicht.

Der Hubschrauber, der bei der US Army die Nachfolge der Black Hawk antreten wird, ist gar kein Hubschrauber. Der Sieg im milliardenschweren FLRAA-Duell geht an Bell und den Tiltrotor V-280 Valor.

Konkurrent Sikorsky, angetreten mit dem futuristischen Flugschrauber Defiant X, blickt in die Röhre. Über die Gründe für die Entscheidung schweigt sich die Army aus, Details lassen sich aus den offiziellen Verlautbarungen nicht entnehmen.

Klar ist allenfalls, dass das Kipprotor-Konzept, mit dem die Valor fliegt, in Gestalt der V-22 Osprey bereits praktisch erprobt ist und dabei erkannte Schwachstellen beim Design der V-280 Berücksichtigung fanden. Der Entwurf der Defiant X mit Koaxialrotor und Druckpropeller ist dagegen noch nicht ausgereift.

Obwohl technisch vielversprechend, blieb das Defiant X-Programm im Zeitplan stets hinter der Konkurrenz zurück und konnte auch die Geschwindigkeit der Valor nicht ganz erreichen. Neue Triebwerke von Honeywell, die diese Scharte hätten auswetzen sollen, stehen noch nicht zur Verfügung.

Der Wartungsaufwand für die komplexe Antriebsform dürfte in der Praxis ebenfalls höher sein als bei der V-280.

"Wir sind alle schockiert"

Im US-Bundesstaat Connecticut, der Heimat von Sikorsky und zahlreichen Zulieferfirmen, zeigen sich Politiker und Manager trotzdem schwer enttäuscht. Ein Schock sei die Entscheidung "für viele kleinere Unternehmen in Connecticut", schrieb das regionale Portal CT Mirror und zitierte beispielhaft den Chef des Unternehmens HABCO Industries, Brian Montanari, mit den Worten: "Für alle Zulieferer, die Komponenten für dieses Fluggerät bauen, ist das ein schwerer Schlag."

Chris DiPentima, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Connecticut Business and Industry Associaction, gestand ebenfalls: "Wir sind im Moment alle ein bisschen schockiert, wir durchlaufen wahrscheinlich die sieben Stufen der Trauer." Auch Politiker aus der Region reagierten mit Enttäuschung und Unverständnis.

Bell V280 Valor
Bell V280 Valor, © Bell
 
Senator Richard Blumenthal sagte: "Ich bin gespannt auf die Gründe der Armee, Sikorsky nicht auszuwählen, und ich werde die Armee bitten, zu zeigen, dass Sikorsky eine vollständige, faire und offene Gelegenheit hatte, diesen Auftrag zu gewinnen."

Bei Sikorsky selbst will man die Flinte noch nicht ganz ins Korn werfen. Fast trotzig mutete die Erklärung an, mit denen die Lockheed Martin-Tochter und Partner Boeing auf die Niederlage gegen Bell reagierten: Man sei nach wie vor überzeugt, dass die Defiant X genau die Art von Fluggerät sei, das die US-Armee benötige, um ihre komplexen Missionen heute und in Zukunft zu erfüllen.

Ob das "Team Defaint X" gegen die Entscheidung Protest einlegt, ließen die Projektpartner in ihrem Statement vorerst offen: "Wir werden unsere nächsten Schritte nach Prüfung des Feedbacks der Armee bewerten."

Protestieren oder nicht?

Tatsächlich hätten Sikorsky und Boeing die Möglichkeit, formal beim US-Rechnungshof zu protestieren. Auf ähnliche Weise hatte sich 2008 bereits Boeing den Tankerauftrag KC-X im zweiten Anlauf gesichert, nachdem der eingereichte Entwurf KC-46A zunächst gegen die von Airbus und Northrop Grumman ins Feld geführte KC-45A (A330 MRTT) den Kürzeren gezogen hatte.

Der Rechnungshof hatte dem Boeing-Protest seinerzeit stattgegeben und empfohlen, das Verfahren neu zu starten. Drei Jahre später wurde die KC-46A schließlich zum Sieger gekürt.

Ob es im Falle des FLRAA-Wettbewerbs auch auf eine solche Dramaturgie hinausliefe, ist schwer zu sagen - eben weil die Gründe für die nun getroffene Entscheidung nicht offiziell bekannt sind. Ein Protest wiederum würde das ganze Programm zunächst für 100 Tage komplett auf Eis legen. Während dieser Spanne hätte der Rechnungshof Zeit, die Argumente des Teams Defiant X zu prüfen.

Bleibt die Frage, ob es wirklich so weit kommt. Denn Lockheed Martin, seit 2015 Mutterkonzern von Sikorsky und damit in letzter Konsequenz Herr über die Entscheidungen der Tochter aus Connecticut, sitzt nicht nur bei der Defiant X im Boot, sondern fungiert auch bei der V-280 als Juniorpartner von Bell. Für den Konzern selbst dürfte die Niederlage des Sikorsky-Kandidaten also verschmerzbar sein.
© FLUG REVUE - Patrick Zwerger | Abb.: Boeing | 11.12.2022 08:16


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