Inklusive der Spirit-Schulden werde der Rückkauf mit 8,3 Milliarden Dollar (rund 7,7 Mrd Euro) bewertet, teilte der Boeing am Montag in Arlington im US-Bundesstaat Virginia mit. Der Boeing-Konkurrent Airbus will im Rahmen des Deals auch einige Werke übernehmen.
Schon länger wird kritisiert, die Abspaltung der einstigen Boeing-Sparte habe es schwer gemacht, die Qualitäts-Standards einzuhalten. Wenige Stunden zuvor hatte der Finanzdienst Bloomberg über Details des Geschäfts berichtet.
Bei Spirit wird unter anderem der Rumpf von Maschinen des Typs Boeing 737 gebaut. Das 2005 von Boeing abgespaltene Unternehmen produzierte nach späteren Zukäufen auch Teile von Tragflächen und Rumpf-Fragmente für Airbus. Dafür musste eine Lösung gefunden werden, bevor Boeing sich Spirit wieder einverleiben konnte.
Airbus teilt nun mit, dass drei Spirit-Werke an den europäischen Konzern gehen werden. Konkret handelt es sich um die Standorte Kinston (North Carolina) und St. Nazaire, die Rumpfsektionen für das A350-Programm produzieren, und das Spirit-Werk im irischen Belfast, in dem A220-Tragflächen entstehen.
Anders als Boeing zahlt Airbus dafür keinen Kaufpreis - sondern bekommt von Spirit 559 Millionen Dollar als eine Art Mitgift dazu.
Die Abspaltung der Sparte von Boeing war seinerzeit dem Trend gefolgt, Konzerne zu verschlanken und durch Verlagerung von Aktivitäten an Zulieferer Geld zu sparen. Mit der Zeit setzte sich jedoch allgemein die Sicht durch, dass die Trennung von Spirit zu Qualitätsproblemen und einem Kontrollverlust durch Boeing führte.
In den vergangenen Jahren gab es wiederholt Ärger. In einem Fall etwa wurde festgestellt, dass bei Spirit Löcher im Rumpf mehrerer Maschinen falsch gebohrt wurden.
Alaska-Zwischenfall war letzter Tropfen
Spirit spielte auch eine Rolle bei dem dramatischen Zwischenfall im Januar, bei dem ein Rumpf-Teil einer so gut wie neuen Boeing 737 MAX 9 von Alaska Airlines im Steigflug herausbrach. Der Rumpf war bei Spirit produziert und zu Boeing geliefert worden. Dort wurde das Fragment für Nacharbeiten herausgenommen.
Boeing konnte keine Unterlagen dazu finden - aber die Unfallermittlungsbehörde NTSB geht davon aus, dass die Maschine ohne zwei Befestigungsbolzen an dem Rumpf-Teil an die Fluggesellschaft ausgeliefert wurde.
Nach dem Alaska-Zwischenfall geriet Boeing unter verstärkten Druck, die Qualitätskontrollen zu verbessern. Eine der Maßnahmen dabei war, mehr Prüfer zu Spirit zu schicken, damit eventuelle Fehler direkt dort und nicht erst nach der Lieferung ins Boeing-Werk behoben werden. Im März gab Boeing dann auch bekannt, dass über den Kauf von Spirit verhandelt werde.
Boeing-Chef Dave Calhoun betont, der Deal sei im Interesse der Flugpassagiere, der Flugzeugbauer, der Airlines "und des Landes insgesamt". Auch einige Spirit-Aktivitäten im Verteidigungsbereich gehen zu Boeing über.
Medien: Boeing droht Anklage der US-Regierung
Das Beinahe-Unglück mit der Alaska-Maschine könnte laut Medienberichten noch schwerwiegende Konsequenzen für Boeing haben. Unter anderem die "New York Times" und Bloomberg berichteten, dass das US-Justizministerium dem Flugzeugbauer offiziell Betrug vorwerfen wolle.
Der Konzern musste damals unter anderem eine Strafe von 243,6 Millionen Dollar zahlen und ein Compliance- und Ethik-Programm umsetzen. Das Justizministerium kam bereits im Mai zu dem Schluss, dass Boeing gegen Auflagen des Deals verstoßen habe.
Boeing habe einige Tage Zeit, zwischen einem Schuldeingeständnis und einem Prozess zu entscheiden, hieß es in den Medienberichten. Räumt Boeing die Schuld ein, müsse der Konzern noch einmal 243,6 Millionen Dollar zahlen und einen Aufseher akzeptieren, schrieb etwa Bloomberg.
Bei Abstürzen zweier Maschinen des Typs 737 MAX 8 im Oktober 2018 und März 2019 waren 346 Menschen ums Leben gekommen. Ein Auslöser der Unglücke war Ermittlungen zufolge eine Software der Flugzeuge, die Piloten unterstützen sollte, aber stärker als von ihnen erwartet in die Steuerung eingriff. Boeing geriet in die Kritik, weil Mitarbeiter des Flugzeugbauers bei der Zertifizierung des Typs durch US-Behörden spezielle Schulungen für die Software für unnötig erklärt hatte.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: Boeing | 01.07.2024 06:44
Kommentare (19) Zur Startseite
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mit eigener Flugzeugindustrie, wenn man brauchte ja Immer noch Ingenieure mit Aviation-Knowhow:
Rußland...
Auslagern von Entwicklungsleistungen ist nicht die Ursache - MCAS und Alaska-Tür waren kein Entwicklerproblem - das machen andere aus allen Branchen ja auch, man schaue bloß auf Indien, und auch die Produktion von Airbussen ist nicht auf Europa beschränkt. Und selbstverständlich ist dezentrale Fertigung auch unter hohem Qualitätsanspruch realisierbar, siehe Airbus. Es liegt also an was anderem.
Allgemein ist Outsourcing in der Entwicklung Alltagszeugs und muss kein Problem darstellen, wenn man es gut macht. Aber Boeing hat das maximal schlecht gemacht. Der knallharte Shareholder-Value-Mindset, der hinter dem ganzem Outsourcing bei Boeing gestanden hatte, war maßgeblich ursächlich für die schlechte Umsetzung des Outsourcings, für das Sparen in der Qualitätskontrolle, für die Abkürzung der Zertifizierungskohtrolle usw., für letztlich die gesamte Erosion der Qualitätskultur, also alles was am Ende zu MCAS und der Alaska-Tür, due Battetie-Runaways, den falschen Bohrungen am Druckschott, den Müll in der Kabine, etc… geführt hat.
Eine haarsträubende These. Nur weil ein einzelnes Unternehmen (Boeing) falsche Entscheidungen trifft sollen deshalb die Regierungen die Verantwortung für alles übernehmen. Als wenn Regierungen sich weltweit auf wirtschaftlichem Gebiet schon als vorausschauend erwiesen hätten.
Das möchte ich gerne mal unterstreichen. Boeing ist mit der Führungsphilosophie seiner GF der letzten Jahrzehnte gewiss nicht alleine, aber es gibt such genügend Gegenbeispiele, wo vorausschauend in Abwägung vieler Interessen gut geführt wird.
Das Boeing lange zu viel an die Aktionäre und zu wenig an die Qualitätssicherung dachte ist jetzt allgemein bekannt. Das Boeing mal ganz anders dastand und B787 von den aktuellen Fertigungsmängeln abgesehen doch ein guter Entwurf ist sollte man aber auch mal anerkennen. Abschreiben sollte man Boeing deshalb noch lange nicht wenn sie jetzt die Kurve kriegen.
Anerkennung erteilt…Auch die B777X wird ein gutes Flugzeug werden. Aber „die Kurve kriegen“ ist jetzt für Boeing eine größere Hetausforderung als damals die 747 zu entwickeln, den das Mindset muss sich ändern, und zwar auf allen Ebenen.
"Die Verbotspartei mit den meisten Verboten: CSU."