Zwischen Krise und Rekorden
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Flugzeugbau zum Jahresende an der Schwelle der Erholung

Enders
Thumbs up: Airbus Vorstandschef Tom Enders, © Airbus S.A.S., Archiv

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HAMBURG - Stets unter Vorbehalt gaben die Spitzen der weltweit größten Flugzeugbauer Airbus und Boeing im ablaufenden Jahr ihre Prognosen zur kurzfristigen Marktentwicklung ab. "Wir fahren auf Sicht" lautete ein oft zitierter, bewusst subjektiver Kommentar, mit welchem EADS Vorstandschef Louis Gallois im Frühjahr nicht nur die eigene Unternehmenssituation beschrieb, sondern sie stellvertretend für die gesamte Luftfahrt einfasste.

Objektiver werden die Konzernbilanzen 2009 die Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise auf das Geschäft der Flugzeugbauer wiederspiegeln, letztlich aber auch nur ein unscharfes Bild des Krisenjahres zeichnen.

"Wir haben das klare Ziel, 2009 mit schwarzen Zahlen abzuschließen", erklärte Airbus Vorstandschef Tom Enders im Oktober. Tatsächlich steuert Airbus im Krisenjahr auf einen Auslieferungsrekord zu und wird die im Jahr 2008 gesetzte Bestmarke von 483 Flugzeugübergaben voraussichtlich übertreffen können.

Mit 430 ausgelieferten Verkehrsflugzeugen bis Ende November strebt auch Wettbewerber Boeing einem sehr robusten Fertigungsergebnis entgegen.

Dass die Flugzeugbauer 2009 Aufträge in dieser Stückzahl in Auslieferungen ummünzen konnten ist allerdings auch auf massive staatliche Absatzhilfen in Form von Exportkreditgarantien zurückzuführen.

Im ausgehenden Jahr stritten die Vereinigten Staaten und die Europäische Kommission vor der Welthandelsorganisation argumentationsreich um die Zulässigkeit von Entwicklungsbeihilfen an die Luftfahrtkonzerne. Zeitgleich wurden dies- und jenseits des Atlantik Milliardenpakete zur Absatzfinanzierung im Flugzeugbau bereitgestellt. Angesichts ausgetrockneter Finanzierungsmärkte eine ebenso erforderliche wie wirksame Maßnahme.

Staatliche Absatzhilfen retteten das Jahr

Dass die staatlichen Exportkreditversicherer das Geschäft der Flugzeugbauer 2009 entscheidend stabilisiert haben, lässt sich an den Zahlen der U.S. Export-Import Bank (Ex-Im) ablesen. Bis Ende des Fiskaljahres am 30. September hatte die Ex-Im ein Rekordvolumen von 21,0 Milliarden US Dollar an Exportfinanzierungshilfen zur Verfügung gestellt. Allein 8,6 Milliarden US Dollar entfielen hiervon auf die Finanzierung von Verkehrsflugzeugen.

"Wir schätzen, dass bis Jahresende etwa 25 Prozent des gesamten Finanzierungsvolumens auf Exportkredite entfallen wird", erklärte ein Boeing-Sprecher hierzu im November gegenüber unserer Redaktion.

Rekordproduktion und Krise sind damit durchaus vereinbar. Die Monate November und Dezember zeigen erstmals aber auch in den Auftragsbüchern wieder einen klaren Belebungstrend. Mit Großaufträgen von United Airlines, Malaysia Airlines, LAN Airlines und China Eastern Airlines steuert Airbus auf sein Ziel zu, 2009 mit rund 300 Neubestellungen brutto abzuschließen. 

Auch Seattle meldet mit Erhalt von 46 neuen Aufträgen in der Vorweihnachtswoche - darunter elf im Programm 787 von einem ungenannten Kunden - zum Jahresende einen positiven Absatztrend. Gebucht bis 22. Dezember weist Boeing den Eingang von 259 Aufträgen brutto aus, muss diesen jedoch um 118 Abbestellungen korrigieren.

Das Ergebnis von 141 Nettoaufträgen wäre für Boeing damit das schlechteste seit 1994. Diesen nicht allein durch die Krise, sondern auch die Verzögerungen bei der 787 bedingten Rückfall muss Airbus nicht fürchten. Für 2010 stellen sich gleichwohl beide Konzerne auf ein turbulentes Marktumfeld ein.

Airbus fürchtet Überkapazitäten

Die Absatzpreise ziehen zwar wieder an, dennoch fürchtet insbesondere Airbus Überkapazitäten in der Produktion. Es sei offen, wie lange das Unternehmen das "Hin- und Herschieben von Auslieferungsterminen" durch die Fluggesellschaften noch ohne Änderungen in der Fertigung durchhalten wird, erklärte Airbus Marktingdirketor John Leahy im November. Seit Monaten betrieben die Flugzeugbauer ein "aktives Managen des Auftragsbuches".

Im Programm A320 spielt Toulouse Szenarien zur Absenkung der Fertigung von gegenwärtig 34 Einheiten im Monat auf 32, 30 und sogar 28 Flugzeuge durch. Mit den Gewerkschaften wurden vorsorglich Vereinbarungen getroffen, die Produktion 2010 flexibel umzustellen.

Boeing will seine Single-Aisle Produktion 2010 stabil bei 31 Einheiten im Monat halten, fährt aber die Fertigung in den Großraumprogrammen zurück beziehungsweise langsamer als zunächst geplant hoch.

Die weiterhin angespannte finanzielle Lage vieler Fluggesellschaften, die unklare Situation um den größten Leasinganbieter ILFC und die Dubaikrise stellen nachwirkende Unsicherheitsfaktoren dar. Die für 2010 sowohl in Toulouse als auch in Seattle ausgegebene Losung heißt allerdings nicht mehr Umgang mit der Krise, sondern Konsolidierung für künftiges Wachstum.

Zumindest das "Fahren auf Sicht" wird im kommenden Jahr damit wieder einer langfristigeren Planung weichen.

© aero.de | Abb.: AIrbus S.A.S. | 29.12.2009 11:59


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