Flugzeugfinanzierung
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Handlungsbedarf bei Exportkrediten

Boeing 737
Boeing 737-Auslieferungen in Everett, © The Boeing Company

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NEW YORK - Es ist ein seltener Schulterschluss zwischen Airbus und Boeing: Die Konzerne, die einander sonst gegenseitig unlautere Inanspruchnahme staatlicher Subventionsmittel vorwerfen, bilden jetzt eine gemeinsame Front gegen Bombardier.

Die neue CSeries des kanadischen Flugzeugbauers dringt in das bislang allein zwischen Toulouse und Seattle aufgeteilte Marktsegment der A320 und 737 vor - mit Unterstützung der Regierung in Ottawa.

Single-Aisles mit 100 bis 130 Sitzen versprechen Fluggesellschaften ein sehr wirtschaftliches Verhältnis von Betriebskosten und Erlösen. Im vergangenen Jahr wurde die Deutsche Lufthansa Erstkunde der CSeries und bestellte 30 CS100 bei Optionen auf weitere 30 Einheiten.

Die ersten 20 CS100 sollen zwischen 2014 und 2016 die Avro-Flotte der Lufthansa-Konzernairline Swiss ablösen. Kurz nach Lufthansa vergab die irische Leasinggesellschaft LCI Aviation einen Auftrag über drei CS100 und 17 Einheiten der größeren Ausstufe CS300 nach Kanada.

"Von uns und anderen Unternehmen durchgeführte Marktstudien sehen einen hohen Bedarf an Flugzeugen im Segment zwischen 100 und 149 Passagierplätzen über die kommenden zwei Jahrzehnte", sagte LCI Vorstandschef Adam Tomazos bei Unterzeichnung des Vertrags. "Die CSeries ist hier das perfekte Flugzeug."

Attraktiv macht die CSeries aber nicht allein ihre Konzept. Nach Informationen des "Wall Street Journal" unterstützt Kanada den Absatz des für die Zukunft von Bombardier wichtigen Programms mit günstigen Finanzierungsangeboten über die staatliche Exportkredit-Agentur (ECA).

Dass ECAs einen wesentlichen Pfeiler in der Absatzfinanzierung von Verkehrsflugzeugen darstellen, wurde durch die Krise am offenen Finanzierungsmarkt in den Jahren 2008 und 2009 deutlich. Boeing schätzt, dass 2009 etwa jede vierte Auslieferung durch einen Exportkredit gesichert wurde.

Staatliche oder staatlich mandatierte Exportkredit-Agenturen sichern Flugzeugfinanzierungen gegen Ausfallrisiken ab. Die in Deutschland auch als Hermes-Bürgschaften bezeichneten Garantien senken das Risiko des Kreditgebers und verbilligen damit zugleich die Finanzierung für den Kunden.

ASU soll Marktverzerrungen vorbeugen


Damit dieser Anreiz in durch Exportkredit-Agenturen besicherten Geschäften nicht zu einer Marktverzerrung führt, haben sich die Mitglieder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Juli 2007 den gemeinsamen Standards des "2007 Sector Understanding on Export Credits for Civil Aircraft" kurz "Aircraft Sector Understanding (ASU)" unterworfen.

Das ASU löste ein seit 1986 bestehendes OECD-Abkommen ab und setzt einen verbindlichen Rahmen für die staatliche Gegensicherung von Flugzeugfinanzierungen. Das ASU trifft hierbei allerdings eine Unterscheidung zwischen Flugzeugkategorien und privilegiert Garantien für die Finanzierung von Regionaljets.

Den Regierungen ist es damit möglich, den Absatz von Regionaljets ihrer Hersteller mit Exportkredit-Konditionen zu unterstützen, die bei Finanzierungen großer Verkehrsflugzeuge wie dem Airbus A320 und der Boeing 737 unter den Regeln des ASU nicht statthaft wären.

Die Abgrenzung der am Markt verfügbaren Flugzeugklassen unter dem ASU ist insbesondere im Graubereich der 100-Sitzer nicht eindeutig.

Kanada hat die CSeries nach Informationen des "Wall Street Journal" als Regionaljet deklariert und sich damit weite Spielräume in der Gewährung staatlicher Exportgarantien eröffnet - eine Auslegung, die jetzt sowohl Toulouse als auch Seattle auf den Plan ruft.

Einheitlicher Standard gefordert

Neben jenem der CSeries werden auch die Markteintritte des Sukhoi Superjet 100 und des Mitsubishi Regional Jet (MRJ) in den kommenden Jahren ein wettbewerbsintensiveres Umfeld für die A320- und 737-Serie schaffen. Die OECD will daher noch im laufenden Jahr das ASU modifizieren.

Ein einheitlicher, für alle Flugzeuggrößen geltender Finanzierungsstandard soll Auslegungsspielräume schließen und Wettbewerbsverzerrungen verhindern. Airbus und Boeing haben ihre Unterstützung signalisiert. "Wenn es etwas gibt, worin sich Airbus und Boeing einig sind, dann ist es das", zitiert das "Wall Street Journal" Airbus COO John Leahy.

Die erste Verhandlungsrunde der OECD zur Modifikation des ASU beginnt im Februar in Paris. Das Abkommen beinhaltet ausdrücklich eine Prüfungsklausel und ist damit für eine Änderung grundsätzlich offen. Beobachter erwarten aber ein hartes Ringen um Interessen und Positionen.

Auch die Europäische Union arbeitet laut "Wall Street Journal" noch an einer gemeinsamen Verhandlungsposition - schließlich werden im Gemeinschaftsraum sowohl große Verkehrsflugzeuge als auch Regionaljets produziert. Ein Kompromisspapier soll von der unabhängigen Aviation Working Group erstellt werden.

© aero.de | Abb.: The Boeing Company | 26.01.2010 12:10


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