Streik ausgesetzt
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Cockpit und Lufthansa stecken Verhandlungspositionen neu ab

Lufthansa A320
Lufthansa Airbus A320, © Deutsche Lufthansa AG

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FRANKFURT - Der vermeintlich größte Pilotenstreik in der deutschen Luftfahrtgeschichte ist sang- und klanglos am Montagabend abgebrochen worden. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) hat darüber hinaus eine wichtige Forderung fallen gelassen, so dass der Sieger der juristischen Auseinandersetzung vor dem Frankfurter Arbeitsgericht zweifelsfrei festzustehen scheint. Doch die Lufthansa vermied am Dienstag lautes Triumphgeheul.

Denn nun stehen sehr schwierige Tarifverhandlungen an. Die heiklen Themen zur Arbeitsplatzsicherung der rund 4.500 Piloten, die unter den bestens ausgestatteten Konzerntarifvertrag fallen, werden nämlich erneut auf dem Tisch liegen.

Die Piloten haben zwar eine Schlacht verloren, aber noch lange nicht den Tarifkonflikt. "Wir haben unser Ziel von Verhandlungen ohne jegliche Vorbedingungen erreicht", sagt VC-Sprecher Alexander Gerhard-Madjidi. Die nächsten zwei Wochen bis zum 8. März werden zeigen, ob sich der abrupte Kurswechsel gelohnt hat. Gesprochen werden soll über die Entgelte und Arbeitsbedingungen der zu deutschem Tarifrecht angestellten Piloten, so will es der vor dem Frankfurter Arbeitsgericht gefundene Vergleich.

Nach außen steht zunächst die VC-Führung um Präsident Winfried Streicher und Tarifkommissionschef Thomas von Sturm als Etappenverlierer da. Sie haben sich möglicherweise in der Dimension der Drohkulisse vertan, die öffentliche Meinung falsch eingeschätzt und zudem nicht streikfähige Ziele ausgegeben. Das hat die Lufthansa mit Hilfe von Spitzenanwälten der Kanzlei Lovells erkannt und auf juristische Konfrontation gesetzt.

Die per Zufall zuständige Richterin Silke Kohlschitter erließ zwar nicht die gewünschte einstweilige Verfügung gegen den Streik, zeigte aber den Piloten deutlich die Grenzen auf. Das deutsche Tarifrecht reiche nun mal nicht bis Italien, wo die Lufthansa im vergangenen Jahr eine erste Tochtergesellschaft unter eigenem Logo gegründet hat. Die Piloten hatten Strafzahlungen in Millionenhöhe verlangt, falls in den LH-Italia-Fliegern Billigpiloten eingesetzt würden. Das Thema muss bei den kommenden Verhandlungen ausgeklammert werden.

"Man kann in Verhandlungen mehr erreichen als vor Gericht", hat allerdings schon die Arbeitsrichterin bemerkt. Will heißen: Auf dem Kompromissweg lassen sich Dinge durchsetzen, die eigentlich mit dem Tarifrecht nicht zu fassen sind.

Sicherung und Fortentwicklung der Arbeitsplätze

Vorrangiges Ziel der VC bleibt die Sicherung und Fortentwicklung der Arbeitsplätze im Bereich des Konzerntarifvertrags. Dazu gehören aus Pilotensicht klare Abgrenzungen zu den immer zahlreicheren und eben auch günstigeren Gesellschaften im größer werdenden Lufthansa- Konzern.

Für die jüngeren Copiloten geht es auch um die beruflichen Perspektiven, denn bei einem dauerhaften Schrumpfkurs gingen ihre Chancen auf eine Anstellung als Kapitän zu Boden. "Eine bloße Arbeitsplatzgarantie für die bereits Eingestellten reicht uns nicht aus. Wir wollen Entwicklungsmöglichkeiten", erklärte der VC- Tarifexperte Markus Germann unmittelbar nach dem Vergleich.

Die VC will dabei ausnutzen, dass die zuletzt sprunghaft gewachsene Lufthansa in der Luftfahrtkrise Milliarden sparen muss. "Climb 2011" heißt das Sparprogramm, mit dem die Unternehmensleitung bislang nicht nur bei den Piloten auf Granit gebissen hat und für das sie unverdrossen Beiträge verlangt. Diese könnte es auch von den Piloten geben, aber nur bei entsprechender Gegenleistung.

Die zwischenzeitlich angebotene Nullrunde bei den Gehältern ist jedenfalls vorerst wieder vom Tisch. Die VC ist zu ihrer alten Forderung nach 6,4 Prozent mehr Geld und deutlich günstigeren Regelungen etwa zu Ruhezeiten im Manteltarifvertrag zurückgekehrt.

Lauer: Gute Einigungschancen

Lufthansa-Personalchef Stefan Lauer sieht dennoch im Interview mit der "Welt" gute Einigungschancen: "Wir brauchen Kostengünstigkeit für die Lufthansa und die VC möchte einen vernünftigen Bestandsschutz von Arbeitsplätzen in der Lufthansa Classic. Ich halte es für leistbar, das in absehbarer Zeit zusammen hinzubekommen."

An der Streikfähigkeit der Piloten besteht nach dem Montag kein vernünftiger Zweifel mehr. "Der Streik ist nur ausgesetzt", warnt Gerhard-Madjidi die Gegenseite. Kommt es in den nächsten zwei Wochen nicht zu substanziellen Verhandlungsfortschritten, könnte sich die VC zu noch drastischeren Arbeitskampfmitteln gezwungen sehen. Das ist das Risiko, das die Lufthansa-Führung eingeht.
© dpa, aero.de | Abb.: Deutsche Lufthansa AG | 23.02.2010 16:46


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