Air Berlin (1991-2017)
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Herzensangelegenheiten

BERLIN - Freitagabend hebt der letzte kommerzielle Air-Berlin-Flug ab. AB6210 verlässt München um 21.35 Uhr, wird gegen 22.45 Uhr in Berlin-Tegel landen und stellt das Ende der turbulenten Geschichte einer Airline dar, die eng mit der jüngeren Geschichte ihres Heimatlandes verknüpft ist. Blue Skies, Air Berlin!

Es war eine turbulente Reise. Sie begann, als Air Berlin USA 1979 mit dem Erstflug einer Boeing 707 von Berlin-Tegel nach Mallorca für West-Berliner Pauschalreiseveranstalter antrat.

In Zeiten der deutschen Teilung durften nur Fluggesellschaften aus den Ländern der drei Westalliierten USA, Frankreich und Großbritannien die Luftkorridore von West-Berlin über die DDR in die alte Bundesrepublik befliegen.

Daher die komplexe Konstruktion einer US-Fluggesellschaft, die zunächst in Oregon und später in Miami beheimatet war. Erst im April 1991, nach der deutschen Einheit, wurde Air Berlin nach der Übernahme durch den ehemaligen LTU-Verkaufschef Joachim Hunold eine deutsche Firma.

LTU Airbus A320
Airbus A320 der LTU 2005 auf dem Düsseldorfer Flughafen, ab 2008 trug dieses Flugzeug Air Berlin-Farben bis zur Übernahme durch Swiss 2009, © Andreas Spaeth

Damit begann ein beispielloses, zunächst langsames, später stürmisches Wachstum. Hunold bestellte zehn neue Boeing 737-800, und 1999 umfasste die Flotte zwölf Flugzeuge. Zu jener Zeit profilierte sich Air Berlin mit zwei Marken – Mallorca Shuttle (seit 1998) und City Shuttle (seit 2002).

Im Jahr 2001 wurde Air Berlin, gemeinsam mit dem damaligen Ferienflieger Hapag Lloyd, zum Pionier: Beide deutsche Firmen waren die weltweit ersten, die ihre Boeing 737-800 mit Blended Winglets flogen, seitdem globaler Standard.

Air Berlin Boeing 737-700
Eine Boeing 737-700 von Air Berlin trägt 2004 die "Dreamliner“-Bemalung von Boeing. Air Berlin hatte selbst 2007 insgesamt 15 Boeing 787-9 bestellt, die alle im September 2014 storniert wurden, © Andreas Spaeth

Bereits 2004 begannen die Zukäufe – Air Berlin erwarb zunächst 24% an Niki aus Österreich, mit Germania gab es eine Kooperation.

Im Mai 2006 ging Air Berlin an die Börse, die Papiere erwiesen sich nie als gute Geldanlage, gleichwohl TV-Moderator und Hunold-Freund Johannes B. Kerner mit riesigem Werbeaufwand ("Ich bin ein Air Berliner") dafür trommelte.

Air Berlin Boeing 737-300
Die Boeing 737-300 D-AGEG gehörte der Germania und wurde 2005 von der Deutsche BA betrieben, die später von Air Berlin übernommen wurde. Die Frontpartie des Flugzeugs ist heute zu Ausbildungszwecken erhalten in Cardiff/Wales, © Andreas Spaeth

510 Millionen Euro nahm Air Berlin durch den Börsengang ein, danach begann die Expansion erst richtig. Im August 2006 übernahm Air Berlin die Deutsche BA, im März 2007 Hunolds früheren Arbeitgeber LTU.

Air Berlin Airbus A320
Ein Airbus A320 in einem Interims-Farbkleid auf dem Flughafen Hamburg im Sommer 2007, Ende des Jahres wurde ein neues Livery vorgestellt auf der Basis der letzten LTU-Bemalung, die kurz zuvor eingeführt worden war, © Andreas Spaeth

Die Verschmelzung und vollständige Integration dieser beiden so unterschiedlichen deutschen Airlines mit Air Berlin gelang nie vollständig. Dieses Manko gilt als eine der wesentlichen Ursachen dafür, dass Air Berlin wirtschaftlich nie abhob.

Air Berlin Airbus A320
Flugbegleiterinnen von Air Berlin, damals in roten Lederhandschuhen als Teil ihrer Uniformen, bei der Übergabezeremonie eines Airbus A320 während der ILA 2010 in Berlin, © Andreas Spaeth

2007 beteiligte sich Air Berlin außerdem mit zunächst 49% am Schweizer Ferienflieger Belair und kontrollierte die Gesellschaft ab 2009. Eine geplante Übernahme der Condor in Deutschland im gleichen Jahr wurde abgesagt.

Belair Boeing 757
Eine Boeing 757 des Schweizer Ferienfliegers Belair in Zürich 2006. Zwischen 2007 und 2009 übernahm Air Berlin die Gesellschaft vollständig, © Andreas Spaeth

2008 gab es Gespräche auch über eine Übernahme von TUIfly. Daraus wurde am Ende die Übernahme des Städtestreckennetzes der früheren Hapag Lloyd Express (HLX) und die berüchtigte Langfristvereinbarung zum Wet Leasing (Flugzeuge und Besatzungen) von 14 Boeing 737-800 zu überhöhten Raten von TUIfly an Air Berlin.

Air Berlin Boeing 737-700
Von 2007 bis 2012 flog diese Boeing 737-700 bei Air Berlin, hier in einer vorläufigen Bemalung 2008 beim Übergang zum neuen Markenbild, © Andreas Spaeth

Auch dies spielte im Niedergang der Gesellschaft eine Rolle. Im Juni 2010 fand die Jahreshauptversammlung des Linienluftfahrtverbands IATA in Berlin statt. Dort betrieb Joachim Hunold den Beitritt von Air Berlin zur Oneworld-Allianz, der dann tatsächlich im Juli 2010 bekanntgegeben und im März 2012 offiziell vollzogen wurde.

Air Berlin Airbus A320
Zwei, die entscheidend zum Aus von Air Berlin beitrugen: Der langjährige Firmenchef Joachim Hunold (rechts) und sein Finanzchef Ulf Hüttmeyer (links) auf der ILA 2010, © Andreas Spaeth

Gefeiert wurde das heftig - mit einem Event auf dem Vorfeld des damals vermeintlich kurz vor der Eröffnung stehenden neuen Hauptstadtflughafens BER und einer Mega-Party in der ehemaligen Abflughalle des Flughafens Tempelhof.

Air Berlin Airbus A320
Air Berlin verklagt Etihad Airways, © Andreas Spaeth

Die Allianz-Mitgliedschaft wurde von Air Berlin allerdings nie sehr ernsthaft genutzt, vor allem, nachdem Joachim Hunold im September 2011 wegen anhaltender Verluste abtrat und sein Nachfolger Hartmut Mehdorn zügig Etihad als größten Investor an Bord holte.

Air Berlin Erstflug nach Chicago
Der Erstflug von Berlin-Tegel nach Chicago im März 2013 vereint drei Beteiligte am Air Berlin-Niedergang: Wolfgang Prock-Schauer (CEO 2013-2015), Hartmut Mehdorn (CEO 2011-2013) sowie Klaus Wowereit (Berlins Bürgermeister von 2001-2014). Wowereit wird wesentliche Mitschuld am BER-Desaster gegeben, ein Grund für Air Berlins Probleme, © Andreas Spaeth

Dieser Aktionär war den Oneworld-Mitgliedern nicht geheuer, Air Berlin in der Allianz isoliert, zumal sie später gleichzeitig Mitglied der Etihad Airways Partners-Gruppe war, einer eigenen Allianz.

Air Berlin Boeing 737
Air Berlin hat in den letzten Jahren ihre Boeing 737 ausgemustert. Diese 737-800 wechselte 2016 zu Comair/British Airways nach Südafrika, hier zuvor abgestellt in München, © Andreas Spaeth

Der Rest ist Geschichte – es folgten mit Wolfgang Prock-Schauer und Stefan Pichler noch zwei weitere Firmenchefs, die nicht mehr viel bewegen konnten oder durften.

Als im Februar 2017 mit dem früheren Germanwings/Eurowings-Chef Thomas Winkelmann ein waschechter Lufthanseat den Chefposten bei Air Berlin antrat, war das eine Art vorweggenommene Übernahme durch die Lufthansa.

Am 11. August zog Etihad den Stecker bei Air Berlin und verweigerte trotz vorheriger schriftlicher Zusage weitere Unterstützung.

Air Berlin Airbus A320
Ein Airbus A320 von Air Berlin startet im August 2017 vom Hamburger Flughafen, © Andreas Spaeth

Am Persischen Golf heißt es, dies sei als politischer Denkzettel gegen Angela Merkel vor den Bundestagswahlen gemeint gewesen, der man eine angebliche Unterstützung Katars im Konflikt mit den Nachbarn am Gold übelnahm.

Am 15. August wurde die Insolvenz verkündet, für den 27. Oktober ist der letzte Flug unter AB-Flugnummer angekündigt. Bye bye Air Berlin!
© Andreas Spaeth | Abb.: aero.de | 26.10.2017 15:16

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Beitrag vom 27.10.2017 - 22:43 Uhr
BER4EVR

Tschüss Air Berlin
Beitrag vom 27.10.2017 - 20:57 Uhr
Es ist schon ein seltsames Gefühl, wenn der Betrieb einer Airline eingestellt wird. Bitter vor allem für die Mitarbeiter, die keinen oder nur einen deutlich schlechter bezahlten Job finden.
Andererseits waren oder sind immer noch zu viele Flugzeuge im Markt.
In den Anfangsjahren hat AB, quasi nach Ryanair-Manier, durchaus den Markt aufgemischt. Nach aussen jung und dynamisch, alle durften "den Rainer" duzen. Aus der Sicht der Mitarbeiter sah die Sache anders aus. Man erinnere sich z.B. an die Aussage Hunolds zu "den billigen Verkäuferinnen / Friseurinnen aus dem Osten", die er mit Vorliebe in der Kabine eingestellt hat.
Man fragt sich nur warum das Management bei AB, vornehmlich Herr H. dann abgedreht hat und die Bodenhaftung verloren hat. Herr H. hat doch eigentlich das Geschäft (bei Fam. Conle) von der Pike auf gelernt .
Man kann wachsen, wachsen, wachsen und dabei die Preise kaputt machen; irgendwann kommt aber die Rechnung.
Man hat Herrn H. gewähren lassen oder sogar noch bejubelt für jede neue Mega-Flugzeugbestellung.
Zurück bleiben die Mitarbeiter und jede Menge Flurschaden im Markt.

Bye Bye Air Berlin
Beitrag vom 27.10.2017 - 11:36 Uhr
Jetzt ist Air Baerlin nur noch ein Name...
Der Niedergang ist für den Beobachter allerdings nicht überraschend gekommen. Stück um Stück wurde AB immer "kleiner".
Ich hatte vor ca. zwei Jahren einen guten Flug mit AB. Der Service war sehr gut, weil sich die Mitarbeiter engagierten. Was passiert mit ihnen?
Allerdings fragte ich mich schon damals, ob ein Flug wirklich stattfinden würde.


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