IWI-Studie
Älter als 7 Tage

Ost-Drehscheibe Wien vital für Standort

Wirtschaftl. Auswirkungen bei Verlust der Drehscheibenfunktion des VIE
Produktionsverluste ohne AUA-Drehscheibe, © Industriewissenschaftliches Institut (IWI) 2010

Verwandte Themen

WIEN - Ohne das transkontinentale Netzwerk von Austrian Airlines über die Drehscheibe Wien würde der Standort Österreich 1,2 Mrd Euro an Produktionskraft verlieren, und 49 für die Region vitale Flugverbindungen. Allein für die betroffenen Verkehrsunternehmen hätte das den Verlust von 453 Mio Euro Wertschöpfung und 7.650 Arbeitsplätzen bedeutet. Zu dem Schluß kommt eine im Auftrag des österreichischen Luftfahrtverbands durchgeführte Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI).

Was in der Privatisierungsphase strategische Verhandlungsbasis war, belegt die Studie jetzt mit Zahlen. Und Fakten: Der Standort braucht den Hub. Die  aktuellen Daten bestätigen das Absehbare: Die Erhaltung des AUA-Netzwerks durch Integration in den Verbund der Lufthansa war trotz 500 Millionen Zuschuß ein gutes Geschäft, für beide Seiten. Statt drohender Schrumpfung konnte die AUA heuer um über 10 Prozent zulegen, der Flughafen Wien um rund 9 Prozent.

Evaluiert: Sanierungsszenario "Viennaline"

Die Alternative, die keine war: Eine auf den lokalen Direktverkehr reduzierte AUA hätte drastische Folgen gehabt, sowohl für den CEE-Zentralflughafen Wien als auch die Kunden. Durch den Wegfall des europaweiten Zubringerverkehrs wären 49 regionale Verbindungen nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben gewesen.

Mit bis zu 80 Prozent Transit 'lebt' das System AUA von der Bündelung des transeuropäischen Verkehrs nach Ost und Südosteuropa. So belegt die Studie am Fallbeispiel Wien-Skopie bei Wegfall der Drehscheibenfunktion einen Bedarfsrückgang von 82 auf 16 Passagiere pro Tag und Richtung. Die Strecke müsste eingestellt werden. Und 48 andere auch. Anderseits sind aber gerade die Direktverbindungen zu regionalen Sekundär und Terziärzielen wie Timisoara, Odessa oder Lemberg für den Standort von vitaler Bedeutung. Nicht unerheblich wären auch die Auswirkungen auf den regionalen Frachtverkehr. Ohne diese Dienste hätte die AUA schlicht ihren historisch gewachsenen Heimatmarkt verloren.

Durch den Wegfall dieser Strecken wäre die Flottengröße der AUA von 93 (2008) auf 62 Flugzeuge und die Produktion der Airline um jährlich 44.000 Flüge gesunken. In Summe wäre die Passagierzahl um 2,2 Mio zurückgegangen.

Bei der Befragung von 200 österreichischen Leitbetrieben durch 'Hajek public opinions' erklärten 64 Prozent der Unternehmen eine Reduzierung des Angebots an regionalen Direktflügen hätte für sie negative Auswirkungen. Noch drastischer die Beurteilung der am Standort residenten internationalen Konzerne (Regional Headquarters): 52 Prozent der befragten Manager erwarten eine Abwanderung, wenn die Drehscheibe Wien entfällt, nur 34 Prozent sehen keine Konsequenzen.

Standort braucht verlässliche Perspektiven

Die kürzlich von Mario Rehulka, Alt-AUA-Vorstand und Präsident des Österreichischen Luftfahrtverbands und Dr. Herwig Schneider, Studienautor und Leiter des IWI  vorgestellte Untersuchung wurde im Rahmen einer Podiumsdiskussion von Mag Norbert Draskovits, geschäftsführender Direktor von BCD-Travel Austria und Dr. Peter Malanik, Vorstand von Austrian Airlines kommentiert.

Zusammengefasst unterstrich Norbert Draskovits die Bedeutung der Drehscheibe VIE für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts und die Attraktivität von Wien als Osteuropa-Sitz vieler namhafter Konzerne. Die Drehscheibe Wien habe auch maßgeblichen Einfluß auf die Betriebsansiedlungsdynamik und die Vernetzungsmöglichkeiten und Markterschließung in der Region. Ein wichtiger Faktor sei auch die Verläßlichkeit des Angebots. Planungssicherheit sei auch für die Tourismuswirtschaft von tragender Bedeutung, meint Draskovits in Anspielung auf attraktive, aber oft unberechenbare Angebote von Lowcost-Carriern wie Ryanair.

Ausbau des AUA-Netzwerks eine strategische Notwendigkeit

In dem Kontext verwies Peter Malanik auf den wachsenden Wettbewerb der europäischen Hub-Airports untereinander. Es gäbe hier auf kleinem Raum zu viele Hubs, da wird es zu einer Auslese kommen, zu Gewinnern und Verlierern.  Die AUA will die Drehscheibe Wien weiter ausbauen, Potentiale und Chancen stünden gut. "Wir wollen zu den Gewinnern gehören", so Malanik. Kaum förderlich seien dazu aber so aufgelegte Budgetspenden wie die Flugsteuer.

Ein wichtiger Faktor sei auch die Langstrecke. Galt die Langstrecke früher als (ertragsschwacher) Zubringer für die Europastrecken, so habe sich das Bild gewandelt. Heute sei es genau umgekehrt. Verdient wird auf der Langstrecke, und zugefüttert aus dem Netz der Kurz- und Mittelstrecke. Ohne den starken Vertrieb der Lufthansa wäre diese Umkehr freilich nie möglich gewesen, betont Malanik. "Inzwischen erreichen wir auf den meisten Langstrecken einen ausreichenden Deckungsbeitrag (DB4)".

Malanik räumte auch mit Thesen auf, bei einem Austieg der AUA aus dem Drehscheibenverkehr hätte der Markt die regionalen Lücken schon geschlossen. Dies sei eine Illusion. Während Budgetairlines wie Flyniki/Air Berlin ihr Geschäft vor allem auf volumensstarken Hauptmärkten machen, leben heute auch unabhängige Regionalcarrier wie die tschechische Central Air von Zubringerdiensten in die Netzwerke von Partnerairlines.  Dazu kommt auch, dass der Aufbau einer neuen Drehscheibe durch einen Newcomer gut 10 bis 20 Jahre braucht,  bei der Hubdichte in Zentraleuropa hätte sich das aber sicher niemand angetan. MIt einer zur 'Viennaline' geschrumpften AUA wäre die Ost-Drehscheibe Wien Geschichte gewesen, und damit auch der Platz des Standorts in der ersten Reihe.
© Bob Gedat und Ingo Lang, edition airside / aero.at | Abb.: Ingo Lang, edition airside | 11.12.2010 21:35

Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich bei aero.de registrieren oder einloggen.

Beitrag vom 24.12.2010 - 11:03 Uhr
Hi Bob und Ingo, vielen Dank für den interessanten Bericht. Was den Tourismus betrifft, siehe hier:
 http://b2b.wien.info/de/presse/aussendungen/2010/statistik-1110
Demnach hat Wien heuer mehr Nächtigungen denn je, das führt man auch darauf zurück, dass die AUA durch den Einsatz von grösseren Flugzeugen in den Kernmärkten mehr Passagiere als vorher nach Wien bringt, wodurch man diese Märkte auch marktingmässig besser bearbeiten kann. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, dass alle an einem Strang ziehen.
Aus heutiger Sicht war der Verkauf der AUA an die Lufthansa ein Befreiungsschlag, der auch dem Standort gut getan hat. Beim Flughafen steht dieser Schritt freilich noch bevor. Ich bin aber optimistisch, dass dies auch bald geschehen wird ... auch wenn es derzeit noch nicht so aussieht. LG Manfred


Stellenmarkt

Schlagzeilen

aero.uk

schiene.de

Meistgelesene Artikel

Community

Thema: Pilotenausbildung

FLUGREVUE 04/2024

Shop

Es gibt neue
Nachrichten bei aero.de

Startseite neu laden