Wikileaks erreicht Luftfahrt
Älter als 7 Tage

US-Diplomaten verdingen sich als Boeing-Händler

Boeing
Boeing 777 FAL, © The Boeing Company

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WASHINGTON - US-Diplomaten mischen im Kampf zwischen Boeing und dem europäischen Kontrahenten Airbus kräftig mit. Mit Vergünstigungen werden Staatsoberhäupter oder auch Topmanager von Fluggesellschaften dazu bewogen, sich für das amerikanische Produkt und nicht für jenes der EADS-Tochter zu entscheiden, wie die "New York Times" am Montag berichtete. Demnach gibt es hinter den Kulissen einen wahren "internationalen Bazar".

Ausländische Führungspersönlichkeiten äußerten besondere und zuweilen bizarre Wünsche, die ihnen dann auch oft erfüllt würden - im Gegenzug zum Kauf von Boeing-Maschinen im Wert von Milliarden Dollar. So habe etwa König Abdullah von Saudi-Arabien darum ersucht, seinen persönlichen Jet in Sachen High Tech ganz nach dem Muster der US-Präsidentenmaschine Air Force One auszustatten.

Grundlage des Zeitungsberichts sind Hunderte von diplomatischen Depeschen, die der Enthüllungsplattform Wikileaks zugespielt und dann zur Auswertung an die "New York Times" weitergegeben wurden.

Demnach ist es zwar nicht neu, dass die Politik im Schacher um Milliardenaufträge für große Unternehmen eine erhebliche Rolle spielt. Aber die Depeschen bieten, so die "New York Times", den bisher detailliertesten Einblick in die Methoden im "Verkaufskrieg" zwischen Boeing und Airbus, bei dem es auch um die Schaffung Tausender Arbeitsplätze geht.

Beide Luftfahrt-Giganten beharken sich seit Jahren wegen staatlicher Hilfen. Die "New York Times" zitiert nun einen früheren Pentagonbeamten und derzeitigen Airbus-Berater mit den Worten, die Einschaltung von US-Diplomaten bei der Boeing-Vermarktung widerspreche dem amerikanischen Argument, dass Airbus wegen staatlicher Subventionen einen unfairen Wettbewerbsvorteil habe.

So schildert die Zeitung, dass 2006 ein Vertreter des US-Handelsministeriums König Abdullah einen Brief vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush überbracht habe. Bush habe darin den Wunsch nach dem Verkauf von bis 43 Boeing-Maschinen an Saudi-Arabien geäußert, der König daraufhin das Geschäft mit einer High-Tech-Ausrüstung für seinen Jet verknüpft. Das sei auch geschehen.

Landerechte in JFK gegen Boeing-Auftrag


In einem anderen Fall habe Bangladeschs Regierungschef Landerechte auf dem New Yorker Kennedy-Flughafen zur Bedingung für einen Boeing-Deal gemacht. Die Türkei habe den Wunsch nach einem Platz für einen türkischen Astronauten bei einem künftigen NASA-Raumflug geäußert. Dem, so berichtet die Zeitung auf der Grundlage einer Depesche, sei zwar nicht entsprochen worden. Aber der damals involvierte US-Diplomat habe der Washingtoner Regierung andere Unterstützung für das türkische Raum- und Luftfahrtprogramm ans Herz gelegt. Turkish Airlines habe daraufhin 20 Boeing-Flugzeuge geordert.

Der Streit zwischen Boeing und Airbus dürfte durch die Wikileaks-Veröffentlichungen neue Nahrung erhalten. Die USA und die EU stehen sich als Heimat der Konzerne bereits vor der Welthandelsorganisation WTO gegenüber. Sie haben gegen die Hilfen des jeweils anderen geklagt. Beide Seiten feierten erste WTO-Berichte als Erfolg.

Bei Airbus steht die Anschubfinanzierung für neue Flieger in der Kritik, bei Boeing sind es milliardenschwere Forschungs- und Entwicklungszuschüsse. Zudem steht der Vorwurf im Raum, die US-Regierung bevorzuge Boeing bei eigenen Staatsaufträgen. Boeing baut neben Passagiermaschinen auch Rüstungsgüter wie Kampfjets und ist damit einer der größten Lieferanten der US-Streitkräfte.

Paradebeispiel für den schwelenden Konflikt ist das jahrelange Gerangel um den sogenannten Jahrhundertauftrag der US Air Force für 179 neue Tankflugzeuge im Wert von mindestens 35 Milliarden Dollar. Mehrfach griffen amerikanische Politiker ein, mehrfach wurde der Auftrag neu ausgeschrieben. Zuletzt verlor Airbus überraschend das schon sicher geglaubte Megageschäft wieder - eine neue Ausschreibung läuft.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: The Boeing Company | 03.01.2011 18:05

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Beitrag vom 04.01.2011 - 13:29 Uhr
Dass sich die NYT als Medium für Lobbies einspannen lässt, halt ich für sehr unwahrscheinlich, gewisse Sympathien für Wickileaks freilich durchaus verständlich.
Beitrag vom 04.01.2011 - 12:53 Uhr
Sonderbar ist, dass die NYT dieses Thema - einseitig gegen Boeing - in der Presse aufbereitet. Ich vermute eine gezielte Aktion. Sie soll darstellen, Boeing ist auch nicht besser. Ich schaue dabei auf den Tankerauftrag. Ich vermute, hinter den Kulisen ist der schon entschieden. Eine Diskussion in der Presse zu den Praktiken von Boeing könnte die allgemeine Aufregung bei einer Vergabe des Tankerauftrages an Airbus deutlich mindern. Wir werden sehen....

Da nach meiner Einschätzung die Entscheidung gefallen ist, sind Lobbys außen vor. Ich denke eher, die Entscheider bereiten die Veröffentlichung vor.

Dieser Beitrag wurde am 04.01.2011 13:45 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 04.01.2011 - 11:36 Uhr
Das ist nun wirklich eine Nachricht die niemand überraschen dürfte, denn es machen alle so.
Viel interessanter - weil unbekannter- wären Details über die Einbeziehung staatlicher Stellen in Industriespionage; hier geht es seit Jahrzehnten weltweit sicherlich sehr turbulent zu !


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