Parallel zueinander steuern die beiden DLR-Forschungsflugzeuge den Flughafen Braunschweig-Wolfsburg an, © DLR
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Flughäfen mit Landebahnen, die zu dicht nebeneinander liegen, haben ein Problem: Die Bahnen können nicht unabhängig voneinander angeflogen werden, sondern müssen wie eine Landebahn behandelt werden. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat in mehreren Flugversuchen ein System getestet, das eine Landung auch auf dicht nebeneinander liegenden Bahnen ermöglicht.
Erst ab einem Abstand von 4300 Fuß (das entspricht etwa 1311 Meter) gelten die Bahnen als komplett voneinander unabhängig. Ist der Abstand kleiner, muss ein definierter Abstandzwischen den ankommenden Luftfahrzeugen eingehalten werden – auch wenn sie die verschiedenen Landebahnen des Flughafens anfliegen. Grund dafür ist die Gefährdung des nachfolgenden Flugzeugs durch die Wirbelschleppen des voranfliegenden. Wirbelschleppen sind nicht sichtbare, aber gefährliche Luftverwirbelungen, die immer entstehen, wenn ein Flugzeug fliegt.
Kapazität an Flughäfen wird erhöht
Die Idee, Flugzeuge auch auf dicht beieinander liegenden Bahnen parallel landen zu lassen, ist nicht neu. An einigen Flughäfen wie beispielsweise in San Francisco wird dieses Verfahren bereits seit einigen Jahren praktiziert. Hier fliegen Flugzeuge bei einem hohen Verkehrsaufkommen parallel an, um einen Stau in der Luft und damit unnötigen Verbrauch von Kerosin und die Verlängerung von Flugzeiten zu vermeiden sowie die damit verbundenen Umweltbelastungen zu mindern.
Die Verantwortung für die Staffelung des parallel anfliegenden Verkehrs wird bisher vollständig auf den Piloten übertragen, der manuell dem voran fliegenden Flugzeug folgt. Da dabei auf Sicht geflogen wird, kann die parallele Staffelung nur bei guten Wetterverhältnissen durchgeführt werden. Das vom DLR neu entwickelte Flugführungssystem (Flight Management System, FMS) dagegen unterstützt den Piloten bei der Staffelung oder kann diese sogar automatisch ausführen. So können an Flughäfen mit parallelen Landebahnen wie in Frankfurt die Wirbelschleppen umgangen werden und pro Zeiteinheit mehr Luftfahrzeuge auf dem Flughafen landen – ein wichtiger Punkt bei den Prognosen zur Entwicklung des Luftverkehrsaufkommens.
ATTAS und ATRA forschen gemeinsam
In Versuchen mit den beiden DLR-Forschungsflugzeugen ATTAS (Advanced Technologies Testing Aircraft System), einer VFW614, und dem Forschungsairbus A320 ATRA (Advanced Technology Research Aircraft) haben die DLR-Wissenschaftler ein für Europa neues Anflugverfahren auf parallele Landebahnen erprobt. Mithilfe des neuen FMS flogen die beiden Flugzeuge etwa 250 Meter nebeneinander und sehr kurz hintereinander versetzt den Braunschweiger Forschungsflughafen an.
Die genauen Informationen über die exakte Position beider Flugzeuge sind durch das Satellitennavigationssystem GPS (Global Positioning System) bekannt. An Bord der jeweiligen Flugzeuge sorgt das getestete System dafür, dass sich die Flugzeuge automatisch im vorgeschriebenen Abstand einfädeln. Zu einer Landung kam es bei den Versuchen nicht. Sie wurde aufgrund der fehlenden parallelen Landebahn am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg lediglich simuliert. Nach dem Anflug starteten beide Flugzeuge wieder durch, um in erneuten Runden weitere Daten zu gewinnen.
Intensive Vorbereitung
Bereits im Vorfeld wurde das FMS auf Herz und Nieren geprüft. Nach zahlreichen Vorversuchen und ausgiebigen Tests im Cockpitsimulator fanden im Sommer 2011 erste Flugversuche mit dem ATTAS und der kleineren King Air 350 der Flight Calibration Services GmbH statt. Die DLR-Wissenschaftler überprüften die Sicherheit des Systems, die Funktionalität und die Durchführbarkeit der Versuche - auch für andere, größere Flugzeuge - und stimmten das Verfahren mit der Deutschen Flugsicherung (DFS) ab. Nach umfangreicher Überprüfung des Systems wurden die Versuche jetzt mit dem ATRA und dem ATTAS wiederholt.
Erste Ergebnisse
"Im Mittelpunkt der aktuell durchgeführten Versuche standen vor allem die Genauigkeiten, die durch den Einsatz der neuen Systeme erzielt werden können", fasst Ludwig die Tests zusammen. "Ein notwendiges Ziel ist es, dass das nachfolgende Flugzeug in einem vorgegebenen Zeitfenster von fünf bis fünfundzwanzig Sekunden hinter dem vorausfliegenden Flugzeug einschwenkt und diesem folgt." Die Versuche zeigten eine Genauigkeit des Systems von plus/minus drei Sekunden. Das nachfolgende Luftfahrzeug muss also in einem Zeitfenster von zwölf bis achtzehn Sekunden einschwenken. Die Daten und Erkenntnisse werden nun genutzt, um das System weiterzuentwickeln.
© dpa, DLR | Abb.: DLR | 10.11.2011 13:57
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