Klima- und Marktschutz
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Warum Europas Airlines gerade an Brüssel (ver)zweifeln

Kondensstreifen
Kondensstreifen, © aero.de

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BERLIN - Die EU will Kerosin verteuern. Eine mögliche Steuer und Biosprit-Quoten versetzen Airlinemanager in Alarmstimmung. Die Branche sieht neue Ungleichgewichte im internationalen Wettbewerb heraufziehen - zumal die EU beim Marktzutritt für auswärtige Airlines parallel eine äußerst liberale Linie fährt.

Das Thema ist komplexer als so mancher Wahlkampfslogan: Auch in der EU wird effektiverer Klimaschutz im Flugverkehr nicht von heute auf Morgen umsetzbar sein - auch wenn die Kommission im Juli ehrgeizige Pläne vorgelegt hat.

Derzeit entfallen rund 2,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen auf den Luftverkehr. Betrachtet man 2019, also das Jahr vor der Pandemie, waren das bei einem globalen Rekordausstoß von 38 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid etwa 950 Millionen Tonnen CO2, die auf den Luftverkehr entfielen.

Dabei sind die anderen klimaschädlichen Effekte, die beim Fliegen entstehen, noch nicht mitberücksichtigt. Andere Schadstoffe wie etwa Schwefel- und Stickoxide verstärken die negativen Auswirkungen auf das Klima, weil sie unterm Strich auch zu einer Erwärmung in der Erdatmosphäre führen. Experten weisen darauf hin, dass sich diese sogenannten "Nicht-CO2-Effekte" bei weitem nicht in den Ticketpreisen für Flüge widerspiegeln.

Die EU-Kommission schlägt zwar in ihrem Klimapaket "Fit for 55" unter anderem die Einführung einer Energiesteuer auf Kerosin vor. Aber auch die soll erst ab 2023 gelten und über zehn Jahre schrittweise steigen - sofern die Mitgliedstaaten diesem Plan überhaupt zustimmen.

"Der volle Steuersatz würde erst 2033 zu zahlen sein", sagt Wolfgang Bretschneider, Umweltökonom beim Umweltbundesamt (UBA). Den Schiff- und Flugverkehr bislang von dieser "Kerosinsteuer", wie sie auch genannt wird, auszunehmen, sei "eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Umwelt", sagt der Experte.

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft warnt hingegen daher davor, eine Kerosinsteuer oder neue Steuern jeglicher Art einzuführen. Eine zusätzliche Kerosinsteuer würde nur dazu führen, dass Drittstaaten-Airlines sie umgehen könnten, argumentiert der Verband.

Unklar ist bislang, ob eine Kerosinsteuer auch zu teureren Flugtickets führen würde. "Man kann nicht sagen: Eine innereuropäische Kerosinsteuer wird eins zu eins an die Endverbraucher oder an die Passagiere weitergegeben", sagt UBA-Experte Bretschneider.

Eine EU-weite Mehrwertsteuer auf Flugtickets, wie sie bereits im innerdeutschen Flugverkehr existiert, plant die Kommission indes nicht. Eine Preisanhebung nach dem Modell der deutschen Ticketsteuer hat Brüssel geprüft - aber verworfen.

"Es hat sich (...) gezeigt, dass eine Kraftstoffsteuer ein besserer Anreiz ist, die Energieeffizienz zu steigern und die Verwendung nachhaltiger Kraftstoffe zu fördern", zitiert das "Handelsblatt" einen Kommissionssprecher. Es ist genau diese Festlegung, die Europas Airlines zunehmend Sorge bereitet.

Denn während eine EU-weite Ticketsteuer - gestaffelt nach Flugstrecke - alle Airlines gleich belasten würde, drohen europäischen Airlines bei geplanten Quotenregelungen für Biokerosin und Kerosinsteuern auf der Langstrecke massive Nachteile gegenüber der Konkurrenz, die Drehkreuze außerhalb der EU unterhält.

Turkish Airlines, Qatar Airways oder Emirates "werden im besten Fall nur auf dem ersten Drittel der Reise die gleichen Treibstoffkosten zu tragen haben wie ein europäischer Konkurrent", sagte ein ranghoher Airlinemanager aero.de kürzlich bei einer Abendveranstaltung in Frankfurt.

"In der EU wird dann nur das Nötigste nachgetankt - den Sprit für den Rückweg nimmt man dann lieber bereits auf dem Hinweg mit", sagte der Manager.

Die Folge: in Europa gingen wohl unweigerlich Arbeitsplätze in der Luftfahrt verloren, für Umwelt und Klima wäre nichts gewonnen.

Während Airlines bei Klimamaßnahmen noch auf Korrekturen hoffen, rechneten Air France-KLM und Lufthansa mit einem anderen Punkt der EU-Luftfahrtpolitik zuletzt regelrecht ab.

Die EU hat mit Katar ein neues Luftfahrtabkommen geschlossen, das Qatar Airways über die nächsten Jahre nahezu uneingeschränkten EU-Marktzutritt für Transitflüge über Doha garantiert. "Die EU spielt einseitige Steuererhöhungen durch und öffnet einer Qatar zeitgleich Tür und Tor", sagte der Manager.

Luftfahrt wieder auf Wachstumskurs

Grundsätzlich hellt sich die Stimmung nach dem Pandemie-Tief gerade wieder auf - Airbus rechnet weiterhin mit einer Verdopplung der globalen Flugzeugflotte bis 2036.

In Deutschland habe sich die Zahl der Fluggäste in den vergangenen 28 Jahren verdreifacht, heißt es weiter in einem UBA-Bericht vom Oktober 2020 mit dem passend zweideutigen Titel "Wohin geht die Reise?". Dieses Wachstum führe "zu mehr Emissionen, mehr Lärm, höherem Ressourcenverbrauch", schreiben die Autoren.

Immerhin soll das Wachstum der internationalen Luftfahrt ab 2020 CO2-neutral sein. Das bedeutet, dass die Fluggesellschaften weltweit CO2-senkende Klimaschutzprojekte finanzieren, um so die Emissionen aus dem Luftverkehr zu kompensieren.

Ein wichtiger Mechanismus, denn: Der Anteil sauberer Kraftstoffe im Luftverkehr ist mit 0,05 Prozent noch verschwindend gering. Bis 2030 soll er nach dem Willen der EU mindestens zwei Prozent ausmachen.
© dpa-AFX, aero.de | Abb.: aero.de | 23.08.2021 18:07

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Beitrag vom 24.08.2021 - 16:10 Uhr
Nee, Überzeugungsarbeit durch Politiker (inklusive Vorbildfunktion ohne Einschränkungen) fordere ich ein. Meinungssteuerung (Manipulation) durch Politiker lehne ich ab.

Zu diesem Thema: Versuchen Sie mal den Unterschied zu definieren.
Ab hier aber besser als PM.

Daher finde ich den Text mal ganz gut zum Nachdenken. Und da Sie ihn offenbar nicht kannten, hat es doch schon einen guten Dienst geleistet.

P.S:Ja, danke :)

Dieser Beitrag wurde am 24.08.2021 16:52 Uhr bearbeitet.
Beitrag vom 24.08.2021 - 16:08 Uhr
Ab morgen dürfen alle Fahrzeuge nur noch einen 12 Liter Tank haben? Damit man nicht unnötig Benzin hin und her fährt.

Tatsächlich werden bei Typenzulassungen von PKW derartige Regeln überprüft.
D.h. die Effizienzvorgabe zu Verbrauch bzw. CO2/100km muss mit einem definierten Tankvolumen/Gewicht nachgewiesen werden.
Die Größe der Tanks wird somit bereits limitiert, wobei der Tankinhalt beim PKW natürlich prozentual deutlich weniger zum Gesamtgewicht beiträgt als bei Flugzeugen.
Aber der PKW Markt is da lange nicht so unreguliert wie manche hier meinen ...
Beitrag vom 24.08.2021 - 15:31 Uhr
Hm... einer von uns hat Politik falsch verstanden ...
Die Politik sollte doch nicht die Meinung steuern. Das muss die Zivilgesellschaft schon unter sich ausmachen.
Hat aber auch niemand behauptet. Politik soll keine Meinung steuern, das ist längst vorbei in Deutschland. Aber sie soll die Bürger überzeugen.

Meinungsbildung und "Überzeugung" sind synonym füreinander.
Ich hatte aber Meinungssteuerung und Überzeugung gegenübergestellt.
Geklärt?

Nur insofern, als dass sie vehement staatliche Überzeugungsarbeit durch Politiker fordern und gleichzeitig ablehnen.
Nee, Überzeugungsarbeit durch Politiker (inklusive Vorbildfunktion ohne Einschränkungen) fordere ich ein. Meinungssteuerung (Manipulation) durch Politiker lehne ich ab.


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